Zisch-Interview

"Es war ein großer Schock. Ich war sehr traurig"

Die Britinnen Sara Matthews und Georgia Green wollten den Brexit nicht. Sie berichten, was seit dem Austritt Großbritanniens aus der EU passiert ist.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
1/2
Im Juni 2016 stimmten die Britinnen und Briten mit 52 Prozent dafür, aus der Europäischen Union auszutreten. Seit dem 31. Januar 2020 ist Großbritannien kein Mitglied der EU mehr. Foto: KENZO TRIBOUILLARD (AFP)
Die Zisch-Reporterin Orla Matthews aus der Klasse 4b der Thaddäus-Rinderle-Schule hat mit ihre Tante Sara Matthews und ihre Cousine Georgia Green über den Brexit und seine Folgen gesprochen.

Zisch: Was ist der Brexit?
Green: Brexit ist die Entscheidung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (kurz UK für United Kingdom), aus der Europäischen Union (EU) auszutreten. Die EU ist wie ein Club, in dem die Mitgliedsländer sehr eng zusammenarbeiten. Sie handeln viel miteinander, und die Menschen dürfen in jedem Mitgliedsland wohnen. Brexit führte Großbritannien dazu, diesen Club zu verlassen.
Matthews: Der Brexit ist die schlimmste britische Entscheidung des Jahrhunderts. Das Vereinigte Königreich hat die EU ohne guten Grund verlassen.

Zisch: Findet ihr den Brexit gut?
Green: Nein, überhaupt nicht. Man hätte in der EU bleiben sollen und versuchen, Dinge zu verbessern, die nicht optimal waren.
Matthews: Nein, ich kann an dem Brexit nichts Gutes sehen. Manche Leute sagen, dass das Vereinigte Königreich schneller Impfungen gegen das Coronavirus bekommen hätte als die EU. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das glauben soll.

Zisch: Sind manche Dinge nach dem Brexit bei euch anders geworden?
Green: Ja. Das Reisen ist viel komplizierter geworden. Ich muss überlegen, ob ich in ein anderes Land reisen darf. Manche Sachen gibt es nicht so oft zu kaufen. Im Moment gibt es keine Tomaten und Gurken im Supermarkt, weil die aus der EU kommen.
Matthews: Ja. Ich arbeite für eine Firma, die Vitamine für Tiere herstellt. Vor dem Brexit konnten wir unsere Produkte ganz einfach in anderen Ländern der EU verkaufen. Jetzt müssen wir viele Sachen anders machen. Es dauert viel länger und kostet viel mehr.

Zisch: Was haben die britischen Premierminister gemacht, damit die Briten gegen die EU wählten?
Green: David Cameron war damals Premierminister und hat eine Volksabstimmung über den Brexit einberufen. Eigentlich wollte er in der EU bleiben. Er glaubte, die Menschen würden dagegen stimmen. Leider war das eine Fehleinschätzung.
Matthews: Zur Zeit der Brexit-Abstimmung war Boris Johnson noch nicht Premierminister. Er wollte beliebter als Cameron werden und hat den Menschen eine schöne Zukunft außerhalb der EU versprochen. Vieles, was er sagte, war gelogen. Auch manche Zeitungen haben die Menschen zur Abstimmung für den Brexit in die Irre geführt.

Zisch: Wie hat es sich angefühlt, als klar war, dass das Vereinigte Königreich aus der EU austritt?
Green: Es war ein großer Schock. Ich war sehr traurig. Ich konnte es nicht fassen. Viele Menschen wollten es rückgängig machen, indem man ein zweites Mal abstimmt. Vor allem weil es hauptsächlich ältere Menschen waren, die für den Brexit gestimmt haben. Die jungen Menschen wollten es gar nicht.
Matthews: Anfangs war ich geschockt und zutiefst betroffen. Dann wurde ich sauer und wollte alles machen, um den Brexit zu verhindern. Das Ergebnis der Abstimmung war sehr eng – fast 50 Prozent zu 50 Prozent. Was mich traurig machte, war die Erkenntnis, dass viele meiner Verwandten und Bekannten für den Brexit gestimmt haben. Es war schwierig, mit ihnen zu reden, weil sie fest davon überzeugt waren, dass der Brexit richtig war. Es ist immer noch schwierig, darüber zu reden, aber inzwischen bereuen manche die Entscheidung.

Zisch: Gibt es etwas, das man dagegen machen kann?
Green: Nein, leider nicht. Aber ich hoffe, dass wir eines Tages der EU wieder beitreten können. Es ist einfach sehr schade, was wir uns durch den Brexit selbst angetan haben.
Matthews: Der neue Präsident ist Rishi Sunak. Er versucht, freundlicher zu der EU zu sein. Jetzt wollen sogar mehr Menschen wieder in der EU sein und mit dem Brexit aufhören. Aber die britischen Politiker und Politikerinnen haben Angst, darüber zu reden. Es ist sehr frustrierend.
Zisch: Hat es etwas mit der Zukunft der Kinder zu tun?
Green: Ja. Alles ist teurer geworden. Vor allem Gas und Strom. Früher habe ich 45 Pfund für Gas bezahlt. Jetzt zahle ich 250 Pfund. Um die Rechnungen zu bezahlen, muss ich viel früher wieder arbeiten gehen, als ich möchte. Meine Tochter ist erst elf Monate alt und ich wäre sehr gern noch ein Jahr die ganze Zeit mit ihr zusammen. Das kann ich nun nicht mehr. Ich gehe in drei Wochen wieder arbeiten, damit wir uns das Leben leisten können.
Matthews: Ja, die EU hat Gesetze, die Regierungen dazu bringen, armen Menschen zu helfen. Diese Regeln sind jetzt weg. Arme Leute kriegen jetzt weniger Hilfe als sie früher hatten. Junge Leute können nicht so einfach in anderen Ländern arbeiten wie vorher. Auch wenn das Vereinigte Königreich sich entscheidet, wieder in die EU zu gehen, werden viel mehr Briten ärmer sein.
PDF-Version herunterladen Fehler melden

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel