"Es war eine ganz schlimme Zeit"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Manfred Becker über seine Kindheit im Krieg und die Hoffnung, dass der Frieden anhalten wird.  

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Kindheit im Krieg: Ein Junge streunt durch die kaputt gebombten Straßen Hamburgs. Foto: dpa

Manfred Becker hat als Kind den Zweiten Weltkrieg miterleben müssen. Im Gespräch mit seinem Enkel Laurenz Konradi, Schüler der Klasse 9a des Marie-Curie-Gymnasiums in Kirchzarten, berichtet der 1936 Geborene von seinem Alltag im Krieg.

Zischup: Wieso interessiert uns heute überhaupt noch der Zweite Weltkrieg?
Becker: Zur damaligen Zeit gehörten Kriege zu Europa dazu. Noch im 20. Jahrhundert starben im Zweiten Weltkrieg mindestens 55 Millionen Menschen. Da war die Zeit gekommen für die Idee eines befriedeten Europas, das ist ein unglaublich großer Schatz. Über eine halbe Milliarde Europäer leben heute in Frieden und Freiheit – das kann man der heutigen Jugend gar nicht oft genug sagen.

Zischup: Wo hast du während des Krieges gelebt?
Becker: In Naumburg, ich war zu Beginn des Krieges drei Jahre alt und am Ende neun.


Zischup: Was gab es während des Krieges zu essen und wie bist du an die Lebensmittel gekommen?
Becker: Zu essen hatten wir damals wenig. Es gab kaum Obst – nur Rhabarber, Brot, wenig Kartoffeln, gelegentlich auch andere Gemüsesorten und auch Eier. An die Nahrungsmittel sind wir gekommen, indem wir gehamstert haben, zum Beispiel auf 20 Kilometer entfernten Bauernhöfen, und beschränkt konnte man sie auch kaufen. Oft haben wir mit den Bauern auf den Höfen Tauschhandel betrieben. Dadurch wurden die meistens ärmeren Bauern ziemlich wohlhabend. Es gab aber allgemein keine Wurst, keine Schokolade, keine Milch, keinen Käse. Es gab insgesamt sehr wenig und viele Menschen sind auch verhungert, zum Beispiel meine Klavierlehrerin und ihre Mutter. Sie haben versucht, mit Heilerde zu überleben.

Zischup: Konntest du regelmäßig zur Schule gehen?
Becker: Nein. Die Schule war unregelmäßig. Wir wurden von unausgebildeten Lehrern unterrichtet. Ein Lehrer war Schuster.
Zischup: Wie waren deine familiären Umstände?
Becker: Mein 15 Jahre älterer Bruder war bei der Marine. Er kam erst zehn Jahre nach dem Krieg wieder nach Hause, er wurde nach Alaska verlegt. Mein Vater war Soldat. Er berichtete immer dem Land, wie es an der Front lief. 1945 kam er dann verwundet wieder nach Hause. Ich lebte mit meiner Mutter zu Hause in Naumburg.

Zischup: Und wie bist du damit umgegangen, dass dein Vater und dein älterer Bruder für Jahre im Krieg waren?
Becker: Da war ich noch zu jung – meine Mutter hat auch nicht viel mit mir darüber gesprochen. Wir haben beide nur gehofft, dass wir den Krieg überleben. Es war eine ganz schlimme Zeit.

Zischup: Was war dein schlimmstes Erlebnis im Krieg?
Becker: Ich war hamstern, eine Stunde Fußweg entfernt von Naumburg. Da war ich etwa acht Jahre alt. Als ich wieder kam, brannte fast ganz Naumburg. Ich hatte große Angst, dass meiner Mutter etwas passiert war. Ich rannte durch die brennenden Straßen bis zu unserm Haus. Zum Glück blieb unsere Straße unversehrt. Jedoch schlugen rund 200 Meter entfernt von unserem Haus einige Bomben auf einem Friedhof ein. Als die Brände dann einige Tage später gelöscht waren, lagen überall in unserer Straße die Totenköpfe aus den Gräbern.

Zischup: Hast du auch schöne Erinnerungen an diese Zeit?
Becker: Eigentlich nicht. Wir haben alle Hunger gelitten und waren in ständiger Angst vor den Bomben und Angriffen der Soldaten.

Zischup: Sind die Kriegserlebnisse auch heute noch ein Problem für dich?
Becker: Nein. Ich war ja noch sehr jung und habe sehr vieles vergessen.

Zischup: Denkst du heute auch noch an die Zeit im Krieg?
Becker: Eher nicht, ich bin jedoch dankbar dafür, dass wir in einer Zeit und einem Land leben dürfen, in dem schon so lange Frieden herrscht und die Menschen genügend zu essen haben. Also – Albträume habe ich jedenfalls davon nicht mehr. Ich hoffe für euch Jugendliche, dass ihr niemals solch eine schreckliche Zeit erleben müsst und dass unsere Politiker Streit heute anders lösen, am Verhandlungstisch, nicht in Schützengräben.
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