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"Feurige Kultur" mit kritischen Texten

  • Do, 20. Oktober 2005
    Zisch

     

Die Band Culcha Candela kombiniert musikalisch "alles was Spaß macht" / Morgen wollen die sieben Jungs aus Berlin Freiburg im Jazzhaus zum Tanzen bringen.

Culcha Candela (engl./span: "feurige Kultur"), das sind sieben Jungs aus Berlin mit Wurzeln in Kolumbien, Uganda, Polen, Korea und Deutschland. Diese exotische Mischung macht auch den unverwechselbaren "Culcha"-Sound aus, ein Mix aus HipHop, Reggae und heißen Salsa-Rhythmen. Die JuZ-Mitarbeiterinnen Vera Natterer und Jana Gretschel haben sich in Stuttgart mit drei Mitgliedern der Band getroffen und lachten mit ihnen über nackte Ärsche, anonyme Ghostwriter und andere mystische Begebenheiten.

JuZ: Jetzt mal ehrlich – umjubelte Auftritte, eine eigene Tour, eure Videos auf MTV: Erfolg ist toll, aber worauf könntet ihr dabei echt verzichten?

Johnny: Ich denke, dass es ohne Negatives auch nichts Positives geben kann, deswegen würde ich auch auf nichts verzichten wollen. Manchmal könnte man zwar gerne mehr Zeit für Familie und Freunde haben, aber Interviews machen ja auch Spaß! (grinst)

Itchyban: Aber auf was wir nicht verzichten könnten, wären Ingwertee, Nachochips zum Frühstück und natürlich Auftritte!

JuZ: Apropos Auftritte, was war euer bisher bestes Erlebnis bei einem Gig?

Itchy: Auf der Tour waren bisher alle Auftritte hervorragend. Alles in Allem freuen wir uns einfach, dass so viele Leute uns sehen wollen. Die krassesten Auftritte in diesem Jahr waren auf jeden Fall der Summerjam, der Chiemsee Reggae Summer und das Hip Hop Open in Stuttgart. Kleine Clubgigs und große Festivals haben jeweils eine andere Atmosphäre, aber sie sind beide geil!

JuZ: Was wärt ihr, wenn ihr keine Musik machen würdet?

Johnny: Ich könnte mir alles vorstellen, aber es muss kreativ sein. Ohne Musik wäre ich glaube ich gar nicht auf der Welt!

JuZ: Wo seht ihr euch in 50 Jahren?

Johnny: Am besten in Afrika, aber immer noch als Musiker. Als Musiker muss man arbeiten bis man stirbt, keine Rente oder so.

Itchy: Ich hoffe, dass wir uns in 50 Jahren noch kennen und vielleicht sogar noch was zusammen machen. Vielleicht auf einer schönen Karibikinsel den Winter über chillen! Und fröhlich bleiben.

JuZ: Habt ihr vor Culcha Candela schon in anderen Bands gesungen oder gespielt?

Itchy: Ich hab versucht, von der anderen Seite her in die Musikbranche einzusteigen. Doch dann kam die Band dazwischen. – Scheiße! (lacht) Sonst wäre ich Manager von Tokio Hotel geworden!

JuZ: Ein Titel eures neuen Albums heißt "Scheinwelt". Darin prangert ihr den negativen Einfluss der Medien auf die Jugend an. Haltet ihr junge Leute wirklich für so konsumgeil und manipulierbar?

Johnny: Jeder ist selbst dafür verantwortlich, was er sich reinzieht. Faulheit ist sehr verlockend, ich kenne das aus eigener Erfahrung. Du kommst nach Hause, isst erstmal was und bleibst dann vor der Glotze hängen. Kopf aus, Fernsehen ein! Man muss mit sich selbst kämpfen, damit man irgendwie seinen Arsch hoch kriegt. Man sollte sich nicht matrixmäßig einschläfern lassen, sondern sein Leben selber leben. Die Medien sind natürlich auch daran schuld, aber sie sollten nicht verteufelt werden.

Itchy: Man muss schon sagen, dass die Jugendlichen der Verlockung ausgeliefert sind, vor allem heutzutage. Sie werden gezielt "erzogen": "Ladet euch qualitativ beschissene Musik auf’s Handy" – Klingeltöne und was es so alles gibt – "und gebt dafür Geld aus!" Das ist Schwachsinn. Wir werden gefragt, warum wir einen Track über Medien machen, wenn wir selber in dieser Branche tätig sind. Aber das heißt ja nicht, dass wir nichts dagegen sagen können.

JuZ: Stellt euch mal vor, in ein paar Jahren steht im Wörterbuch eine Definition zum typischen Culcha-Sound. Wie würde diese lauten?

Itchy: "Siehe Abbildung" würde da stehen. Bis dahin gibt’s bestimmt schon so Hologramme, die aufgehen. Wenn man einen Livekonzertausschnitt sieht, erklärt sich’s dann von alleine. Ansonsten: Hip Hop, Reggae, Dancehall, Salsa, Soul, Rock, African, Bachata, Cumbia, Reggaetón, Polka ...alles was Spaß macht!

JuZ: Ein anderer Song heißt "La bicicleta". Wie kommt man bloß darauf, eine Lobeshymne auf ein Fahrrad zu singen?

Itchy (lacht): Das ist ein Lied mit einem sehr hohen autobiographischen Inhalt.

Chino: Das kennt doch jeder, jedem wurde doch schon mal sein Fahrrad geklaut. Es ist wirklich schon diversen Mitgliedern der Gruppe passiert, dass das Fahrrad abhanden gekommen ist, jedem mindestens eins. Das haben wir in diesem Lied verarbeitet.

JuZ: Ihr wart schon ein paar Mal in Freiburg und Umgebung. Was verbindet ihr mit dieser Stadt?

Chino: Freiburg ist sehr cool. Das liegt ja geographisch gesehen im Breisgau, was ’ne voll schöne Gegend ist. Wie man auch in unserem Lied "Mother Earth" hören kann, sind wir ziemlich naturverbunden und fühlen uns hier gerade als Großstadtkinder sehr wohl. Es ist ein Privileg für uns, in so schöne Ecken Deutschlands zu kommen. Und Freiburg hat einen jungen Schnitt, mit vielen Studenten.

Itchy: Alemannisch auch, ne?

JuZ: Welche Fragen wollt ihr nie wieder beantworten müssen?

Chino: … "wer ist der größte Weiberheld?" (lacht)

Itchy: "Wie habt ihr euch gegründet?", "Was haltet ihr von Seeed?" und was noch…

Chino: "Ihr seid so viele Mitglieder in der Gruppe – gibt’s da nicht auch mal Streit?"

Itchy: Aber sonst, Interviews: Geil! – Mehr davon!

JuZ: Wer schreibt das Tourtagebuch?

Chino: Wir haben einen zu Recht unterbezahlten Ghostwriter engagiert, der hinten im Hänger mitreist und auch nur zum Schreiben raus gelassen wird.

JuZ: Und wer macht den Tourbus sauber? (lautes Gelächter)

Itchy: Es gibt doch in jeder Stadt einen Fluss, da fahren wir einmal rein und dann hat sich das!

JuZ: Was hat es mit dem Projekt "Pump It Up" auf sich, für dessen Benefiz-Compilation-CD ihr einen Song beigesteuert habt?

Johnny: Es geht darum, Ländern, in denen Hilfe benötigt wird, direkt zu helfen und weitestgehend alles selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Fall wurde in Uganda ein Brunnen gebaut. Viele verschiedene Künstler aus ganz Deutschland haben sich zusammengetan, um gemeinsam etwas zu erreichen. Das ist dieser Unity-Gedanke, der auch in Culcha Candela steckt. Und die Leute, die das unterstützen, haben schließlich auch was davon. Die CD gibt’s für 10 Euro auf riddim.de zu kaufen! Im Frühjahr startet dann das zweite Projekt, bei dem ich selber vor Ort sein werde.

Itchy: In Freiburg gibt’s ja auch so ein paar nette Leute, die eine Computerschule in Ghana bauen. Für deren Benefizkonzert haben wir ja schon gespielt und die werden auch einen Stand bei unserem Konzert in Freiburg haben.

JuZ: Im Lied "Una Cosa" singt ihr vom Kokain. Warum gerade darüber?

Itchy: Weil wir gegen harte Drogen sind. Das ist eine der drei Grundsäulen unserer Philosophie. Leider haben wir in unserem Freundeskreis traurige Erfahrungen damit gemacht. Früher war Kokain so `ne teure Snobdroge, aber heutzutage nehmen sogar so baggypantstragende Kapuzenkiffer Kokain und das ist scheiße.

JuZ: Du hast gerade die drei Säulen eurer Philosophie angesprochen – was sind die anderen beiden?

Itchy: Wir haben verantwortungsbewusste Texte, wir dissen und battlen zum Beispiel nicht, und wir stehen für Peace, Love und Unity.

JuZ: Ihr habt sogar schon auf einem Heavy Metal Konzert gespielt. Wie war das? (alle grinsen)

Johnny: Das war `ne geile Erfahrung. Wir haben den nackten Arsch gezeigt gekriegt, von drei besoffenen Punkern.

Chino: Das war entweder eine Fehlbuchung oder ein Test, ich weiß nicht. Wir kamen da an und alle waren schwarz gekleidet, über den ganzen Acker verstreut und anstelle von Begeisterung so ein Grunzen.

Johnny: Das war mal was anderes, da musste man kämpfen. Und so ein kleines Grüppchen haben wir auch überzeugt, die haben voll gefeiert. Wir haben auf jeden Fall richtig viel Spaß gehabt!

JuZ: Was sind eure Ziele als Band?

Chino: Wir haben gerade "Next Generation" rausgebracht und wollen damit erstmal viel Wirbel machen. Im Frühjahr wollen wir eine europaweite Tour starten und ein drittes Album ist auch in Planung. Ein Langzeitziel ist, irgendwann unsere Heimatländer zu bereisen und dort mit unserer Musik Fuß zu fassen. Also, es gibt genug zu tun!

JuZ: Habt ihr eigentlich Gesangsunterricht?

Chino: Irgendwann haben wir mal einen Coach besucht, das war auch so eine mystische Begebenheit. Wir waren nur ein paar Mal bei ihm, aber wir haben echt `ne Menge von ihm gelernt.

Itchy (lacht): Aber nicht singen!

JuZ: Schnell antworten! Pizza oder Döner?

Itchy: Pizza.

JuZ: Britney oder Christina?

Itchy: Christina.

JuZ: Ski fahren oder Snowboarden?

Itchy: Snowboarden, ganz ganz gerne. Leider komme ich nicht mehr dazu.

JuZ: Bier oder Tequila?

Itchy: Uaah, nix von beidem. Beides ganz eklig!

JuZ: Wer ist der Unordentlichste von euch? (Itchy lacht fies und guckt zu Johnny, Johnny pfeift unschuldig.)

JuZ: Irgendwas zum Schluss noch?

Itchy: Habt euch alle lieb. Kuschelt miteinander. Bleibt auf jeden Fall positiv!

Culcha Candela spielen morgen, 21. Oktober, um 20 Uhr im Jazzhaus. Karten nur noch an der Abendkasse (15 Euro).

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 20. Oktober 2005: PDF-Version herunterladen

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