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Fleischkonsum heizt Klimakrise an

  • Jonas Klüter (dpa)

  • Mi, 08. September 2021
    Panorama

Umweltschützer veröffentlichen "Fleischatlas" und drängen auf europäisches Tierwohl-Label / Bauernverband zweifelt Zahlen an.

. Obwohl sich die Menschen hierzulande gerne nachhaltiger ernähren wollen, werden ihnen dabei nach Einschätzung von Umweltschützern seitens der Politik Steine in den Weg gelegt. Das geht aus dem knapp 80 Seiten dicken "Fleischatlas" hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde. In ihm stellen unter anderem der Bund für Umwelt und Naturschutz und die Heinrich-Böll-Stiftung Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel zusammen.

Nachhaltigkeit liegt laut dem Bericht vor allem jüngeren Menschen am Herzen. Das zeige eine repräsentative Umfrage unter 15- bis 29-Jährigen von 2020, sagt Christine Chemnitz von der Heinrich-Böll-Stiftung. Mehr als 70 Prozent der Befragten lehnten demnach die Fleischproduktion, wie sie derzeit stattfinde, ab. "Doch die Bundesregierung kommt ihren Forderungen nicht nach", so die Referentin für internationale Agrarpolitik.

Die Verfasser des "Fleischatlas" drängen daher auf eine einheitliche Tierwohl-Kennzeichnung in der EU, um Kaufentscheidungen zu erleichtern. In einzelnen Nachbarländern gebe es bereits Tierwohl-Logos. In Deutschland müssen Supermarktkunden weiter auf ein staatliches Label für Fleisch und Wurst aus besserer Tierhaltung warten. "Das liegt am fehlenden politischen Willen und nicht am mangelnden Wissen über die Instrumente", so die Kritik.

In der Forderung nach einem EU-einheitlichen Tierwohl-Label sind die Umweltschützer nicht allein. "Die deutschen Landwirte wollen den Verbraucheransprüchen nach mehr Tierwohl nachkommen", betont der stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Udo Hemmerling. Das könne aber nur gewährleistet werden, wenn Verbraucher bereit seien, für die Produkte mehr zu zahlen. Auch nach Einschätzung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) wäre eine EU-weite Tierwohl-Kennzeichnung "sicherlich hilfreich" für mehr Transparenz.

Soja und Mais als Futter lassen den CO2-Ausstoß steigen

Welche tatsächlichen Verbesserungen das Label beinhalten würde, wird diskutiert. "Wo ein ausgewachsenes Schwein dann statt 0,7 Quadratmeter 0,9 Quadratmeter auf einem Betonspaltenboden hat, dann würde ich sagen, das hat mit Tierschutz wenig zu tun, sondern mit einem guten Marketingkonzept", sagt der EU-Abgeordnete Martin Häusling (Grüne).

Im "Fleischatlas" geht es auch um die klimaschädlichen Auswirkungen der Fleischproduktion. "Ich würde sagen, es bräuchte nicht nur ein Tierschutzlabel – ich würde sagen, es bräuchte auch ein Klimalabel", fordert Chemnitz.

Dem Bericht zufolge wird nämlich die Fleischerzeugung bis 2029 nach Schätzungen um etwa 40 Millionen auf 366 Millionen Tonnen weltweit steigen – mit Folgen für das Klima. Der Lebensmittelsektor sei bereits heute für mindestens 21 Prozent des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich – Tendenz steigend. Dabei will Europa bis 2050 klimaneutral werden.

Hier wiegelt Bauernvertreter Hemmerling ab: "Offenbar wird versucht, mit überzogenen globalen Horrorzahlen die Stimmung im Wahlkampf anzuheizen." Der Anteil der gesamten Landwirtschaft an den Klimagasen liege bei etwa acht Prozent, darunter etwa vier Prozent unmittelbar aus der Tierhaltung, sagt er. Je Liter Milch seien die Klimaemissionen in Deutschland zudem nur halb so hoch wie im weltweiten Vergleich und die Bindung von Kohlenstoff sei eben untrennbar mit der Rinder- und Schafhaltung verbunden.

Solche Zahlen müssten differenziert betrachtet werden, betont Grünen-Politiker Häusling. Steht eine Kuh hauptsächlich auf der Weide, ist das seinen Worten nach sogar gut für die Umwelt, "weil Kühe können nun mal aus einem Stoff, den wir nicht verwerten können, hochwertiges Eiweiß machen". Müssten Soja und Mais für ihr Futter allerdings importiert werden, so ändere sich der CO2-Ausstoß der Branche. "Dann kommen wir auch in Europa auf einen Anteil der Landwirtschaft bei 30 Prozent."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 08. September 2021: PDF-Version herunterladen

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