Lago d’Iseo
Floating Piers: Christo lässt Menschen übers Wasser gehen
Christos "Floating Piers" am norditalienischen Lago d’Iseo begeistern schon bei der Eröffnung Zehntausende von Besuchern. Bis zu einer Million Menschen werden erwaretet.
Carola Frenzen
Mo, 20. Jun 2016, 0:00 Uhr
Kultur
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Christo (81) und sein Team hatten in den vergangenen Monaten 220 000 Schwimmwürfel aus Kunststoff zusammengeschraubt und dann mit dem dahliengelb-leuchtenden Polyamidgewebe überzogen, das je nach Lichteinfall die Farbe wechselt. Der Stoff wurde in der Nähe von Münster hergestellt, in Lübeck konfektioniert und vernäht. Insgesamt kostete das Projekt, das für jedermann rund um die Uhr gratis zugänglich ist, 15 Millionen Euro.
Viele Menschen hatten schon lange vor der Öffnung am frühen Samstagmorgen ungeduldig vor den Stegen ausgeharrt, die den See durchziehen. Den ganzen Tag über kamen bei zunächst sonnigem Wetter unablässig neue Besucher, um auf dem einzigartigen Kunstwerk zu flanieren. Auch am Sonntagmorgen waren Fähren, Züge und Busse aus den Nachbarorten bereits wieder prall gefüllt. Jedoch mussten die Stege am Samstagabend plötzlich geräumt werden, als ein Gewitter mit starkem Regen über der Region aufzog. Innerhalb von sieben Minuten seien die "Floating Piers" leer gewesen, hieß es.
Die Besucher sollten das Werk "mit allen Sinnen" genießen und wie eine "Promenade" im Wasser betrachten, die zu ausgedehnten Spaziergängen einlade – am besten barfuß, sagte Christo der Deutschen Presse-Agentur. Die Stege, die nicht schaukeln, sondern die Bewegung des Wassers gewissermaßen in sich aufsaugen und nachempfinden, wurden von Tauchern mit 190 tonnenschweren Ankern auf dem Grund des Sees befestigt. "Man spürt die Wellen im Gehen, ein ganz tolles Gefühl", schwärmte eine deutsche Besucherin, die vom Chiemsee an den Iseo-See gereist war. Unter den Gästen aus aller Welt waren besonders viele Deutsche. Die meisten Hotels in der Region sind schon seit Wochen ausgebucht.
Christo ist weltweit berühmt für spektakuläre Großprojekte und Verhüllungsaktionen, die er jahrzehntelang gemeinsam mit seiner 2009 gestorbenen Frau Jeanne-Claude verwirklicht hat. Zu den bekanntesten Werken gehören "Der Verhüllte Reichstag" (Berlin 1995), "Surrounded Islands" (Florida 1983) und "The Gates" (New York 2005). Die Idee zu schwimmenden Stegen hatten die beiden bereits 1970 entwickelt, aber erst jetzt gelang es Christo, den ehrgeizigen Plan zu realisieren.
" The Floating Piers" ist das erste Werk des gebürtigen Bulgaren mit US-Staatsbürgerschaft seit 2005. Damals schuf Christo mit Jeanne-Claude "The Gates" im New Yorker Central Park, eine Installation aus 7500 safrangelben Stofftoren, die vier Millionen Besucher anzog. Das Projekt "The Floating Piers" scheiterte zunächst nicht nur in Argentinien, sondern auch Ende der 1990er Jahre in Japan. In Italien, wo Christo und Jeanne-Claude zuletzt 1974 ein Großprojekt durchgeführt hatten, bei dem sie einen Teil der Aurelianischen Mauer in Rom verpackten, erhielt das Projekt dank der Begeisterung von Behörden und Einwohnern in nur zwei Jahren grünes Licht. Christo ist bereits mit den Vorbereitungen für zwei weitere Projekte befasst, die in den USA und in Abu Dhabi entstehen sollen.
Der Künstler finanziert seine kurzlebigen Werke mit dem Verkauf von Skizzen und Bildern seiner Projekte. Auf einen möglichen Ruhestand angesprochen, sagte Christo: "Künstler setzen sich nicht zur Ruhe, sie sterben."
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