Zischup-Interview

"Flüchtlinge kamen in die Dörfer, um zu betteln"

Zischup-Reporter Kai Winterhalter hat seine Uroma Hermine Winterhalter (87) befragt. Sie berichtet über ihre Kindheit im Zweiten Weltkrieg. .  

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Hermine Winterhalter  | Foto: privat
Hermine Winterhalter Foto: privat
Zischup: Wie sah es auf den Straßen aus, war alles kaputt oder war alles normal?

Winterhalter: In Gundelfingen war zum Glück alles normal, aber in den Großstädten wurden Häuser zerbombt.

Zischup: Was hast du gemacht, wenn du ein Flugzeug gehört hast?

Winterhalter: Wir sind dann immer in den Keller gegangen oder in den Stall. Der Stall hatte nämlich Betonwände.

Zischup: Musstest du schießen?

Winterhalter: Nein, zum Glück musste man auf dem Land nicht schießen, man musste sich nur verstecken.

Zischup: Gab es genug Essen oder musstest du hungern?

Winterhalter: Auf dem Land gab es genug, weil jeder seinen Acker hatte. Aber in den großen Stätten gab es große Armut. Es gab auch Flüchtlinge, die in die umliegenden Dörfer kamen, um zu betteln. Sie hatten ja nichts mehr.

Zischup: Wie sah es mit dem Geld aus, oder woher hattest du dein Essen?

Winterhalter: Schlecht sah es mit dem Geld aus, aber man hatte immer etwas, denn jeder hatte ja seinen Acker. Man konnte jedoch nicht in den Laden gehen, um einen Apfel zu kaufen. Später mussten wir auch betteln.

Zischup: Wurdest du mal überfallen?

Winterhalter: Nein, zum Glück nicht.

Zischup: Wie war der Tag so, hattest du immer Angst oder war es relativ ruhig?

Winterhalter: Ruhig war es nicht, es waren immer Flugzeuge auf Patrouille und die französischen Soldaten waren immer auf der Suche nach Feinden. Kinder konnten nicht so rumlaufen wie heute, sondern mussten in den Häusern sein. Dann mussten wir noch Lebensmittel an die französischen Soldaten abgeben, weil sie ja auch Hunger hatten. In Gundelfingen gab es ein Gefangenenlager, da mussten sie abends wieder hin, und am Morgen mussten sie wieder auf die Felder.

Zischup: Gab es noch irgendwelche schlimmen Erlebnisse, die du erlebt hast?

Winterhalter: Ja, die Franzosen haben zwei deutsche Männer erschossen, der eine war 16 oder 17, ich weiß nicht mehr genau, der hatte ein Gewehr auf dem Rücken, deswegen dachten sie, er wäre ein Feind, und sie haben ihn erschossen. Der andere war schon ein alter Mann, der nicht mehr im Dienst war, aber immer noch auf dem Feld arbeiten musste. Er ist auch mit dem Gewehr auf dem Rücken rumgelaufen.
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