Hörer und Sammler fürs CD-Rack

Den einen findet man auf Plattenbörsen, der andere spekuliert zu Phil Collins - Typologien von Musikvorlieben.  

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Völlig außerhalb von Raum und Zeit gibt es sie noch: die beharrlichen Plattenfreaks. Wie von einem anderen Stern mutet da die cleane CD-Sammlung des Yuppies an oder die poppigen Teenie-Scheiben oder das Rack des Cracks für alle Lebenslagen. Die JuZ hat diesen vier Musikhörern und -sammlern in die Plattenregale geschaut.

Manchmal gehe ich auf Plattenbörsen. Nicht, weil ich gern früh aufstehe oder ein Fan von Stadthallen aus den Siebzigern bin, in denen werden nämlich die meisten Börsen abgehalten, sondern weil es da billig Schallplatten und CDs zu kaufen gibt. Und unweigerlich trifft man dort auch die Schallplattenexperten. Das sind diese Menschen, die auch im Jahr 2002 noch kein CD-Regal haben, denn sie hören ausschließlich "Originale".

Und Originale bedeutet, da diese Menschen in der Regel zwischen 40 und 50 Jahre alt sind, dass sie natürlich die Musik aus den Siebzigern hören, weil heute ja nur noch Müll produziert wird. Und deswegen haben sie eben nur Plattenregale. Die Experten sagen natürlich zu einem Album nicht "Album", sondern "LP" und damit meinen sie nicht etwa "Long Player", sondern für sie ist und bleibt das eine "Langspielplatte".

Und Singles sind natürlich nicht etwa Maxi-CDs, sondern "45er", in Anspielung auf die Geschwindigkeit, mit der eine "kleine" Platte gespielt wird, das sind nämlich 45 rpm, also "rotations per minute". Folglich versteht man, wenn man eine solche Plattenbörse betritt, erstmal kein Wort. Und genauso kann es einem dann auch gehen, wenn man solche Experten zu Hause besucht und die Plattensammlung bestaunen darf: Dann zieht der Mittvierziger mit lichter Haarpracht, mit einem roten Schlabber-T-Shirt und ausgewaschenen Levis Jeans bekleidet, seine Schätze aus dem Plattenschrank. Zum Beispiel die erste Jimi-Hendrix-Platte, die US-Pressung, denn die ist klanglich besser, vor allem diese mit der kleinen Nummer, also aus einer frühen Auflage. Oder die "Pet Sounds" in der 150-Gramm-Auflage, von den Beach Boys, besser als "Revolver" von den Beatles, die ja ohnehin immer eher für die Masse waren, Brian Wilson hingegen bleibt ein verkanntes Genie, wie wir vom Experten erfahren.

"Die US-Pressungen mit den kleinen Nummern sind am besten." Plattensammler

Hin und wieder muss er seine Erklärungen unterbrechen und sich eine neue Zigarette drehen. Aber mitten im Drehen fällt ihm schon wieder was ein und er zieht Neil Youngs "On The Beach" aus dem Schrank und freut sich am noch immer eingeschweißten Cover aus den Siebzigern. Das gibt es gar nicht auf CD, sagt er dann und grinst.

In der Schule hat er kein Mädchen abbekommen, weil die lieber Disco hörten und nicht Led Zeppelin oder Pink Floyd. Und deswegen lebt er jetzt alleine in seiner verrauchten Zwei-Zimmer-Wohnung, geht abends in die Kneipe gegenüber und trinkt ein Pils mit seinen Freunden, die er mal auf einer Plattenbörse kennen gelernt hat. Sein Traum wäre ein eigener Plattenladen, wo es natürlich nur das schwarze Vinyl gäbe und natürlich nur solches aus den "goldenen" Jahrzehnten. Bis dahin sortiert er seine Plattensammlung neu, vielleicht dieses Mal nicht nach Kaufdatum oder Stilen, sondern ganz konventionell alphabetisch.

Sebastian Lehmann

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