BZ-INTERVIEW

"Ich verkörpere den verrückten Wissenschaftler"

BZ-INTERVIEW mit Manuel Kunst, der sich am Sonntag zur Freiburger Steampunk-Convention in Doc Damyrev verwandeln wird.  

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Manuel Kunst als Doc Damyrev.   | Foto: 24 Pixel
Manuel Kunst als Doc Damyrev. Foto: 24 Pixel
Eigentlich ist Manuel Kunst Patentanwalt. Aber bei der ersten Freiburger Steampunk-Convention am kommenden Sonntag im Musikkeller Crash verwandelt der 52-Jährige sich in Doc Damyrev – einen verrückten Wissenschaftler, der die Zukunft aussehen lässt wie das viktorianische Zeitalter. Manuel Lorenz hat den Dampfkraft-Verehrer gefragt, was an der Moderne so schlimm und an Zahnrädern so toll ist.

BZ: Herr Kunst, Steampunk versteht sich als Gegenbewegung zur Moderne – daher auch die Sprachsilbe "Punk". Was ist denn an der Moderne so schlimm?
Kunst: Der Sauglattismus. Dass alles abgerundet ist, so wie der iMac, der hier gerade vor mir steht. Der ist überhaupt nicht mehr zugänglich, den kann man nirgends mehr öffnen. Ein komplettes Fabrikprodukt, bei dem man überhaupt nicht mehr verstehen kann, was im Inneren vorgeht. Das ist bei uns Steampunks anders.

BZ: Wie anders?
Kunst: Die Sachen, die wir machen, möchten wir zumindest halbwegs verstehen. Ich war letztens in Bern und hab mir die Zyt-glogge angeschaut – einen Uhrturm aus dem Mittelalter. Wenn einem der Führer erklärt, warum der Hahn kräht und wie der Blasebalg angetrieben wird, versteht man, wie das Ding funktioniert. Das ist halt kein Massenprodukt. Magpie Killjoy, ein britischer Anarchist und Mit-Herausgeber des US-amerikanischen "Steampunk Magazine", hat den schönen Spruch geprägt: Liebe die Maschine, hasse die Fabrik.

BZ: Steampunks begeistern sich für Dampfkraft, Kolben und Zahnräder. Was ist daran das Tolle?
Kunst: Erstens, das Spielerische. Man versteht Sachen, man baut Sachen, die sowohl eine Ästhetik als auch eine Funktion haben – wobei manche auch einfach nur schön aussehen, das darf auch sein. Zweitens, die Farbgebung – im wesentlichen Braun, Gold, Kupferfarben. Die Orthodoxen sagen zwar, was anderes darf"s gar nicht sein. Andere finden aber, es darf auch mal Messing oder Plastik dabei sein – zu denen gehöre ich. Weil: Wenn ich Zeitreisender bin – und das ist meine Steampunk-Figur Doc Damyrev –, dann kann ich auch alles mitnehmen, was nützlich ist.

BZ: Sie haben einen Computer und ein Smartphone. Würden Sie diese Elektrogeräte lieber mit Dampf und Zahnrädern betreiben?
Kunst: Es gibt ja Steampunk-Romane wie "Die Differenzmaschine" von William Gibson und Bruce Sterling, in denen mechanische Dampfcomputer erbaut werden. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass so was wirklich funktioniert, mit den Leistungen, die Computer heutzutage bringen. Viele Steampunks modden ihren Computer aber. Das heißt, sie modifizieren ihn, bauen ihn äußerlich so um, dass er aussieht, als käme er aus dem viktorianischen Zeitalter – mit Kupfertasten und vergoldetem Rahmen.

BZ: Eine wichtige Rolle spielt im Steampunk das viktorianische Zeitalter – also die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wie passt diese eher konservative Epoche zu Begriffen wie Punk und Anarchie?
Kunst: Uns begeistern die positiven Aspekte jener Zeit – die Etikette, schöne Kleidung. Die Steampunk-Autorin Chery Priest hat einmal gesagt: Es geht um Historie, die nie passiert ist. Oder wie es jemand vergangenen September auf der Steampunk-Convention "Anno 1900" in Luxemburg formuliert hat: Die Zukunft einer Vergangenheit, die niemals stattgefunden hat. Wir sind etwas, das sich anders entwickelt hat, ein Seitenzweig der Geschichte, der eigentlich gar nicht existiert, gelebte Science Fiction auf Basis der viktorianischen Zeit – mit Dampfmaschine und Zeppelin.

BZ: Taschenuhren waren in jener Epoche State of the Art. Wie viele Exemplare besitzen Sie?
Kunst: Drei funktionierende und mehrere kaputte. Die älteste ist von 1870, silbrig, klassisches Ziffernblatt mit römischen Zahlen, metallische Zeiger mit rundem Kringel in der Mitte, Glasdeckel. Die funktioniert aber nur noch so halb. Die neueste ist von Christ – die benutze ich sogar ganz normal. Ich hab allerdings auch eine herkömmliche Quarzarmbanduhr. Ich wechsle immer ab.

BZ: Sprechen wir über Ihren Steampunk-Charakter Doc Damyrev. Woher rührt der Name?
Kunst: Damyrev heißt rückwärts very mad, was zum Typus des Mad Scientist passt, also des verrückten Wissenschaftlers, den ich als Steampunk im Wesentlichen verkörpere.

BZ: Wenn Sie sich als Doc Damyrev verkleidet haben: Sprechen Sie dann eine andere Sprache? Gebrauchen Sie ein eigenes Vokabular?
Kunst: Wir legen wert auf einen gehobenen Sprachstil. Im wichtigsten deutschen Steampunk-Internetforum, dem "Rauchersalon", siezen wir uns zum Beispiel. So punkig ist man dann doch nicht, dass man sich ordinär benehmen müsste. Man kreiert auch gerne neue Wörter. Ein Gerät, das schlechte Stimmungen zerstört, habe ich "Malanima-Abolator" getauft, eine modifizierte Fünf-Liter-Wasserspritze aus dem Garten, die dem Zweck dient, unliebsame Fotografen abzuschrecken, nenne ich "Journalisten-Domestikator".

BZ: Was ist für Sie an Steampunk das Wichtigste?
Kunst: Der Spaß. Steampunk sollte nicht so was Bierernstes sein wie ein Skatturnier. Die Steampunk-Autorin Chery Priest hat mal gesagt: Wenn du keinen Spaß daran hast, machst du was falsch.

1. Freiburger Steam-Con: Sonntag, 20. Oktober, 13 bis 19 Uhr im Musikkeller Cräsh, Schnewlinstraße 7. Eintritt: 2 Euro. Dresscode: Steampunk, Neo-Victorian und Goth.

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