Verkehr
In der Lok sind viele Plätze frei: Grippewelle bei der Bahn
Die Deutsche Bahn hat wachsende Probleme bei der Rekrutierung von Lokführern. Die Grippewelle hat am Wochenende zu Zugausfällen geführt. Zu Wochenbeginn soll das kein Thema mehr sein.
dpa
So, 4. Mär 2018, 21:00 Uhr
Südwest
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STUTTGART (dpa). Die Grippewelle hat in den vergangenen Wochen auch wiederholt zu Problemen bei der Bahn geführt. Dass Verbindungen gestrichen werden müssen zeigt aber auch, wie sehr der Fachkräftemangel im Land auch die Eisenbahnunternehmen betrifft. Insbesondere Lokführer werden händeringend gesucht. Umso mehr, nachdem sich der Wettbewerb im Schienennahverkehr belebt hat.
Die Bahn registriert seit langem ein nachlassendes Interesse an dem Lokführerberuf. Nach Angaben der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) fehlen in Deutschland 1200 Lokführer. "Hinzu kommt, dass viele Lokführer zwischen 50 und 65 Jahre alt sind und bald in den Ruhestand gehen", sagt GDL-Bezirkschef Lutz Bächert, der für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland zuständig ist. Um die wenigen Lokführer wird zwischen den Eisenbahnunternehmen mit harten Bandagen gerungen.
In Baden-Württemberg bekommt die Deutsche Bahn (DB) im Personennahverkehr auf der Schiene im Stuttgarter Netz Konkurrenz – die deutschen Töchter des niederländischen Unternehmens Abellio und der britischen Firma Go-Ahead. Zusammen brauchen sie mehr als 300 Lokführer. Noch hat die DB Übergangsverträge, 2019 steht der Betreiberwechsel an. Bundesweit deckt die DB nach eigenen Angaben ihren Personalbedarf ab – mit mehr als 1000 neuen Lokführern im vergangenen Jahr und mit ebenso vielen im laufenden Jahr. Ein Sprecher schränkt das aber regional ein: "In Baden-Württemberg ist das aufgrund der guten Beschäftigungslage für uns mit gewissen Anstrengungen verbunden."
Dem Vernehmen nach ist die Lage für den ehemaligen Monopolisten weit schwieriger als offiziell verlautbart. Die DB versuche mit allen Mitteln zu verhindern, dass ihre Lokführer zur Konkurrenz abwandern. Ihr Ziel sei es, konzernintern Lücken zu schließen. Da werde mit harten Bandagen gekämpft.
"Da die Bahn zum Beispiel bei der Stuttgarter S-Bahn massive Personalengpässe hat, lässt sie kein gutes Haar an den Arbeitsbedingungen bei der Konkurrenz", sagt Gewerkschafter Bächert. Nicht von ungefähr ist am Dienstag ein runder Tisch im Verkehrsministerium mit Vertretern der DB und deren Wettbewerbern sowie Gewerkschaftern anberaumt – Thema ist der Umgang mit dem Personalmangel. Der DB-Sprecher schildert das Verhältnis zur Konkurrenz allerdings viel besser. Man vermittle sogar zwischen Personal, das überzählig werde und in Stuttgart bleiben wolle, und den Wettbewerbern.
Zahlen der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit belegen die Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot. Bei Lokführern entfallen zwei Stellen auf einen Arbeitsuchenden – im Bund wie im Land. 175 Tage bleibt im Südwesten eine Stelle vakant, bevor sie besetzt werden kann. Im Bund sind es sogar 191 Tage.
Warum interessieren sich so wenige junge Menschen für den Beruf? Für Abellio-Sprecher Rainer Thumann hat dazu auch Ex-Bahn-Chef Rüdiger Grube beigetragen. Seine Ansage, bis 2025 könnten Züge ohne Personal fahren, habe potenziellen Nachwuchs abgeschreckt. Thumann hält Grubes Prognose für falsch: "Wir sehen in den nächsten 20 Jahren nicht, dass man im Nahverkehr komplett ohne Triebfahrzeugführer auskommt."
Gewerkschafter Bächert sieht vor allem den Stress als Grund für den fehlenden Nachwuchs. "Die Mitarbeiter werden ausgepresst, wie es nur geht. Das ist moderne Sklaverei." Unregelmäßige Schicht- und Wochenendarbeit sowie die Arbeitsverdichtung seien keine attraktiven Perspektiven für potenzielle Bewerber. Auch die DB hat die Problematik der Schichten erkannt. "Sie passen nicht in jede Lebensplanung", meint der DB-Sprecher. An Verbesserungen arbeite man. Auch die etwa 900 Suizide jährlich auf dem Streckennetz wirkten abschreckend, sagt Bächert. "Jeder Lokführer kommt statistisch einmal im Berufsleben dran."
Go-Ahead-Sprecher Erik Bethkenhagen bedauert, dass dem Beruf die gesamtgesellschaftliche Anerkennung abhandengekommen sei – dabei bringe er eine ähnliche Verantwortung mit sich wie der eines Piloten. "Unpünktlichkeit und Ausfälle nagen am Image der Lokführer, obwohl sie nichts dafür können." Dass Lokführer sich immer seltener durch ihre Uniform zu erkennen geben – wie Gewerkschafter Bächert sagt – sei schade. "Wir müssen wieder dahinkommen, dass ein Lokführer in seiner Uniform mit Stolz durch seinen Heimatort geht."
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