Zeitung in der Schule

In der Schule herrscht oft Stress: Eine Schulsozialarbeiterin gibt Tipps, was man dagegen tun kann

Schulsozialarbeiterin Carolin Thiem arbeitet im Kreisgymnasium Bad Krozingen. Im Gespräch berichtet sie über Auswirkungen von Schulstress auf Kinder und Jugendliche.  

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Schulstress ist für viele Kinder und Jugendliche ein belastendes Thema – vor allem für Mädchen. Foto: photocase.de/John Dow
Wir alle kennen die Situation, dass man vor lauter Lernstress meint, dass einem gleich der Kopf platzt. Wie man dem Stress entgegenwirken kann und richtig reagiert, erläutert Schulsozialarbeiterin Carolin Thiem Zischup-Reporterin Anna Frey im Interview.

Zischup: Wie sind Sie Schulsozialarbeiterin geworden?
Thiem: Ich habe eine Ausbildung als Zahnarzthelferin und war viele Jahre in diesem Bereich als Prophylaxe-Fachkraft tätig. Mit 30 habe ich dann beschlossen zu studieren, und habe 2010 meinen Bachelor in Gesundheitsmanagement abgeschlossen. 2018 habe ich daran noch den Master in Soziale Arbeit in Erfurt angeschlossen. Anschließend habe ich in diversen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens gearbeitet und bin seit Februar 2022 hier am Kreisgymnasium tätig.
Zur Person: Carolin Thiem ist 45 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Söhnen. Sie hat 2010 den Bachelor in Gesundheitsmanagement in Fulda und 2018 den Master in Soziale Arbeit in Erfurt absolviert. Sie war in diversen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens beschäftigt, zum Beispiel als BEM-Beauftragte der Stadtverwaltung Weimar, sozialpädagogische Familienhelferin und Schulbegleiterin autistischer Kinder. Seit Februar 2022 ist sie Schulsozialarbeiterin am Kreisgymnasium Bad Krozingen.

Zischup: Warum entsteht überhaupt ein solch enormer Stress bei Kindern und Jugendlichen?
Thiem: Heute leben wir in einer Leistungsgesellschaft. Bei manchen Kindern und Jugendlichen üben die Eltern den Druck aus, bei anderen sind sie es selbst. Besonders Mädchen sind davon betroffen. Sie wollen gewissenhaft gute Noten abliefern oder sie sind zu perfektionistisch. Die Angst vorm Versagen und Versetzungsängste spielen auch eine Rolle. Dazu kommen noch die Einflüsse von Handy und Social Media. Man chattet lieber, anstatt sich zu treffen, um was zusammen zu unternehmen. Zum Beispiel in die Natur gehen oder was Schönes zu erleben. Dieser oft fehlende Ausgleich spielt, glaube ich, eine enorme Rolle. Das Handy ist ein ständiger Begleiter. Man muss immer online sein. Das bringt dann noch zusätzlich Stress.

Zischup: Was glauben Sie, wie sehr dieser Schulstress beziehungsweise dieser Druck die Jugendlichen belastet? Ändert dies etwas am Verhalten oder der Denkweise der Kinder und Jugendlichen?
Thiem: Ganz bestimmt. Ich finde, man kann ganz schlecht trennen, was jetzt Schulstress und was Allgemeinstress ist, da es sich eher so vermischt und da Schule für Kinder und Jugendliche einen sehr großen Teil des Alltags einnimmt. Gerade wenn man nachmittags noch Schule hat und dann auch noch Hausaufgaben. Das ist eigentlich ein Arbeitstag wie bei Erwachsenen. Dementsprechend, würde ich sagen, ist die Belastung enorm.

Zischup: Kann das auch Auswirkungen auf den Körper haben?
Thiem: Auf jeden Fall. Psyche und Körper hängen bekanntlich zusammen. Wenn man Stress hat, hat es Auswirkung auf zum Beispiel den Rücken. Viele denken "Oh, jetzt habe ich Rückenschmerzen", dabei kommt es von der Psyche. Bauchschmerzen und Kopfschmerzen sind auch ganz typisch für Stress. Man kann eindeutig sagen, dass bei Dauerstress Alarmzeichen vom Körper ausgehen und es körperliche Auswirkungen gibt.

Zischup: Gab es in der Zeit von Corona und Homeschooling mehr Jugendliche, die diesen Druck und Stress hatten?
Thiem: Ja, absolut. Da gibt es die COPSY- Studie. Da wurden Kinder und Jugendliche in Deutschland während der Corona-Pandemie befragt und es kam heraus, dass es einen deutlichen Anstieg von Stress- und Drucksymptomen gab.

Zischup: Es sollte ein Gleichgewicht geben zwischen Schule, Freunden und anderen Aktivitäten. Wie viel Zeit darf Schule ganz allgemein am Tag in Anspruch nehmen?
Thiem: Dass es da wirklich so eine Art Richtlinie gibt, glaube ich nicht. Ich denke, dass man das ganz individuell betrachten muss. Je älter die Kinder und Jugendlichen werden, desto mehr steigen auch die Anforderungen, desto höher ist das Leistungspensum. Außerdem kommt es ganz individuell auf jeden Einzelnen an. Man sollte genau hinschauen, ob es zum Beispiel dazu führt, dass nach der Schule nachmittags nichts anderes gemacht wird als nur Hausaufgaben und somit gar keine Freizeit mehr möglich ist. Das Verhältnis Input-Output muss stimmen. Dass bei der investierten Zeit auch sinnvolle Ergebnisse rauskommen sollen. Deswegen ist die Frage schwierig zu beantworten.

Zischup: Welche Anzeichen kann es beispielsweise geben, an denen man selbst erkennt – oder auch die Familie oder Freunde –, dass mit einem etwas nicht stimmt?
Thiem: Oft sind es solche Dinge, wie wenn man nachts nicht mehr schlafen kann, weil die Gedanken kreisen, wenn Ängste kommen, wenn psychische oder physische Symptome wie Kopfschmerzen, sehr starke Übelkeit, Bauchweh und Rückenschmerzen auftauchen. Wenn es Symptome im Sinne von Niedergeschlagenheit gibt, wenn man gar keine Lust mehr auf irgendetwas hat, also schon depressiv ist – bei all diesen Hinweisen ist es höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Das sind absolute Alarmzeichen. Wenn man das bei sich selbst, aber auch natürlich im Umfeld, vielleicht bei Freunden, bemerkt, dann ist es wichtig, dass man es anspricht. Außerdem wäre es dann auch wichtig, sich Hilfe zu holen.

Zischup: Wie kann man verhindern, dass man in diese Stressspirale hineingerät?
Thiem: Ganz wichtig ist, auf sich selber zu achten. Der erste Schritt ist zu bemerken "Okay, mir geht es schlecht" und sich zu überlegen, wie kann ich mir denn Hilfe holen. Zum Beispiel zu uns kommen. Mit einer Freundin oder mit den Eltern sprechen. Dieser erste Schritt ist schon mal enorm wichtig, um schauen zu können, woran es liegt. Wie kann ich effektiver meinen Tagesplan gestalten? Wie kann ich mehr mit Freunden rausgehen, einfach Sachen machen, die mir Spaß machen – diese sollten dann möglichst nicht am Handy stattfinden.
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Zischup: Was kann man selbst tun, wenn man Leistungsdruck spürt?
Thiem: Es ist wichtig, sich zu fragen, warum? Warum mache ich mir denn solch einen Stress? Habe ich selber so einen hohen Anspruch? Sind es die Eltern, die diesen haben? Man sollte ein wenig gechillter sein mit diesem Thema. Schule ist wichtig, ganz klar, aber man sollte auch mal Fünfe gerade sein lassen, da es auch noch andere Dinge gibt, welche auch wichtig sind.

Zischup: Was gibt es für Hilfsstellen, an die man sich wenden kann?
Thiem: Es gibt ganz viele Anlaufstellen. Es gibt anonyme Nummern. Die bekannteste ist wohl die "Nummer gegen Kummer". Es gibt etliche anonyme Beratungsstellen im Netz. Auch im Landkreis und in Freiburg gibt es Beratungsstellen, wo man immer hingehen kann, wenn man Probleme hat. Auch hier bei uns die Schulsozialarbeit natürlich. Wir freuen uns, wenn ihr den Weg zu uns findet und wir euch helfen und unterstützen können.
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