Indiens Reiche haben kaum ein Herz für die Armen
Die Zahl der Milliardäre hat in dem Land zugenommen / Ihre Bereitschaft, Teile des Vermögens zu spenden, ist jedoch nicht sonderlich ausgeprägt.
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Im Herzen von Mumbai steht Indiens teuerstes Haus – ein 27-stöckiges Schachtelgebäude, in dem nur eine einzige Familie wohnt: die Ambanis. Mukesh Ambani ist mit geschätzten 20 Milliarden US-Dollar (18,1 Milliarden Euro) der reichste Mann auf dem Subkontinent. In seinem Haus Antilia ist Platz für 168 Autos, es hat drei Helikopterlandeplätze, neun Aufzüge, ein Kino und einen Tempel, wie die Zeitschrift Vanity Fair berichtete.
Reich wurde Ambani mit Raffinerien, Öl und Gas. Das Unternehmen Reliance baute er zusammen mit seinem Vater in den 80er-Jahren auf. Auch Indiens zweitreichster Mann, Dilip Shanghvi, ist ein Selfmade-Milliardär. Er schaffte es mit dem Pharmaunternehmen Sun Pharmaceutical Industries, 17 Milliarden Dollar anzuhäufen. Der Dritte auf der Reichtumsliste, Azim Premji, ist mit 16 Milliarden der Chef des Software-Unternehmens Wipro. Mehr als 100 indische Milliardäre verzeichnet das Magazin Forbes 2014, im Jahr zuvor waren es erst 55.
In Sachen Philantropie hat der 69 Jahre alte Premji die anderen Superreichen Indiens jedoch weit abgehängt. Diese geben zumeist nur wenige Promille oder Prozent an die Gesellschaft zurück. Premji hingegen habe im vergangenen Jahr mehr als zwölf Prozent seines Geldes für wohltätige Zwecke gespendet, berichtete das chinesische Magazin Hurun, das auch die Reichen in Indien unter die Lupe nimmt. Damit gab der Wipro-Chef siebenmal so viel ab wie der Zweite auf der Liste, der Metall-Magnat Anil Agarwal.
Das ändert sich bald, ist sich Premji sicher. "In den kommenden Jahren werden wir viel großangelegte Philantropie sehen", erklärte er. Auch in den USA hätten Industrielle wie Andrew Carnegie und John D. Rockefeller sich erst einmal mit Öl und Stahl Reichtum geschaffen, ehe sie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu Spendenpionieren wurden. "Im Vergleich dazu ist Indien noch ziemlich am Anfang der Entwicklung einer modernen Ökonomie und des Aufbaus von Reichtum."
Bei der von US-Investorenlegende Warren Buffett und Microsoft-Gründer Bill Gates gegründeten Initiative "The Giving Pledge" ist Premji als einziger Inder Mitglied – und hat sich damit verpflichtet, mindestens 50 Prozent seines Vermögens abzugeben. Das meiste davon nutzt seine Stiftung für Bildung, vor allem für staatliche Grundschulen. Bildung sei die wohl wichtigste soziale Institution, wenn es darum gehe, die Gesellschaft zu verbessern, meint Premji. "Die Beseitigung von Armut muss eines unserer Hauptziele sein", meint Premji weiter. Tatsächlich leben noch immer 30 Prozent der Inder unter der absoluten Armutsgrenze, das sind 363 Millionen Menschen. Und die Schere geht weiter auf: Nach Analysen von Crédit Suisse besitzen heute die reichsten ein Prozent der Inder fast die Hälfte (49 Prozent) des gesamten Privatvermögens. Im Jahr 2000 hielten diese Superreichen erst 37 Prozent des Vermögens.
Etwas davon fließt nach unten. Neben Premji beteiligen sich weitere Unternehmerfamilien an Bildung, etwa Tata, Wadia und Birla, die Schulen, Colleges, Universitäten und wissenschaftliche Institute gründeten. Allerdings nicht nach dem Gießkannenprinzip. "Sie geben ihr Geld an Menschen weiter, die sie beeinflussen können. Da steckt noch feudales Denken dahinter", sagt Samir Saran, Vizepräsident der unabhängigen Denkfabrik Observer Research Foundation in Neu-Delhi. Das könnten die eigenen Angestellten sein, Menschen aus dem Heimatdorf oder Familienmitglieder. Tatsächlich bereiten viele von Indiens Superreichen gerade die Familiennachfolge vor. Premji oder Stahl-Magnat Lakshmi Mittal dürften ihre Unternehmen an ihre Söhne übergeben; der IT-Titan und siebtreichste Inder Shiv Nadar hat alles für seine Tochter Roshini vorbereitet. Das fällt in Indien leichter als etwa in den USA, wo 40 Prozent Erbschaftssteuer gezahlt werden müssen. In Indien gibt es diese nicht.
Allerdings hat die indische Regierung erst im vergangenen Jahr ein Gesetz eingeführt, wonach große indische Unternehmen zwei Prozent ihres Gewinns für die Förderung der Benachteiligten ausgeben müssen. "Wir brauchen noch bessere Instrumente für Wohltätigkeitsfonds", fordert Saran. Doch diese würden sicher bald kommen. "Wir müssen uns erst mal mit der Idee anfreunden, dass wir jetzt so reich werden. Das ist ja alles eine Entwicklung, die erst in den 90ern einsetzte."
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