"Jeder kann im eigenen Tempo arbeiten"
Es gibt immer wieder Menschen, die schlecht über die Werkrealschule reden. Ich wollte gern wissen, warum das so ist. So kam ich auf die Idee, den Leiter der Werkrealschule Dreisamtal, Uwe Peters, um ein Interview zu bitten.
Saron Hailemariam, Klasse 4b, Grundschule Kirchzarten (Kirchzarten)
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BZ: Wie viele Lehrkräfte gibt es hier in der Werkrealschule?
Unser gesamtes Team besteht aus ungefähr 30 Personen. Davon sind aber nur 17 auch als Lehrkräfte tätig. Die anderen üben weitere Tätigkeiten aus, die für den Schulbetrieb wichtig sind.
BZ: Unterrichten Sie auch selbst und, wenn ja, in welchen Fächern?
Ja, ich unterrichte vornehmlich Mathematik in den höheren Klassen, meistens Klasse 10. Und auch Sport, aber ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich das in den letzten Jahren nicht mehr unterrichtet habe.
BZ: Und wie lange sind Sie schon Schulleiter der Werkrealschule?
Hier an dieser Schule bin ich seit 2014, also elf Jahre. Und davor war ich schon acht Jahre stellvertretender Schulleiter an einer anderen Schule.
BZ: Wie ist es eigentlich so, Schulleiter zu sein?
Das ist eine gute Frage. Es ist eine sehr interessante und abwechslungsreiche Aufgabe. Kein Tag ist wie der andere. Man weiß eigentlich nie, was am nächsten Tag wieder passiert. Es gibt immer neue Aufgaben und andere Herausforderungen. Das macht es dann so spannend und interessant.
BZ: Warum wollten Sie denn Schulleiter der Werkrealschule werden?
Tja – das hat sicher auch ein bisschen was mit meiner eigenen Biografie zu tun. Ich bin selber Hauptschüler gewesen. Deshalb ist es mir ein Anliegen, dass die heutige Generation der Hauptschüler gute Lernchancen erhält. Die Schülerinnen und Schüler liegen mir sehr am Herzen. Zusammen mit dem gesamten Kollegium tun wir unser Bestes, um sie auf einen guten Weg zu bringen. Es ist uns ein Anliegen, dass sie erfolgreich sind, ihren Platz im Leben finden, später vielleicht eine Ausbildung machen und ihren Lebensweg gehen, wo auch immer er hinführen mag.
BZ: Wie unterscheidet sich denn die Werkrealschule von anderen Schulen?
Ich würde sagen, dass hier bei uns die Kinder eine ganz tolle, enge und intensive Begleitung haben. Das macht schon einen deutlichen Unterschied zu anderen Schulformen aus. Wir haben jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler wirklich im Blick und schauen, wo sie oder er gerade steht. Was braucht jeder Einzelne gerade zur Weiterentwicklung und wie können wir das am besten fördern? Ich denke, das ist eine starke Besonderheit der Werkrealschule.
BZ: Das passt zu meiner nächsten Frage. Ich wollte fragen, wie Sie es den Kindern ermöglichen, in ihrem eigenen Tempo zu lernen und nicht so viel Stress zu haben?
Ja, darüber haben wir uns in den letzten Jahren viele Gedanken gemacht. Individualisiertes Lernen nennen wir das. Es ist abgestimmt auf die einzelnen Schüler und Schülerinnen, damit diese in ihrem eigenen Tempo vorankommen. Da machen wir sehr gute Angebote. Wir haben individuelle Lernzeiten, in denen die Kinder im eigenen Tempo arbeiten können. Dazu haben wir auch einen speziellen Lernraum. Das steht ganz stark im Vordergrund. Auch Coachinggespräche sind bei uns ein fester Bestandteil. In Abständen von etwa fünf Wochen gehen wir immer wieder ins Gespräch, um zu schauen, wo jedes einzelne Kind gerade steht. Wir überlegen gemeinsam, was es noch an Unterstützung braucht, welches Angebot hilfreich sein könnte. So kommen sie gut in ihrem eigenen Tempo voran.
BZ: Ich habe beobachtet, dass es Menschen gibt, die schlecht über die Werkrealschule denken. Was sagen Sie denn dazu?
Ja, das stimmt. Es war schon früher so und ist heute leider immer noch so. Das finde ich sehr bedauerlich. Es wird unseren Schülerinnen und Schülern hier überhaupt nicht gerecht. Die Schülerinnen und Schüler haben ganz, ganz viele Talente. Aber sie brauchen am Anfang noch etwas mehr Zeit, um sich zu entwickeln. Und diese Zeit wollen wir ihnen geben. Sie kommen dann zu ganz tollen Abschlüssen. Manche gehen in Ausbildungsberufe, andere gehen nach der Mittleren Reife, die sie bei uns machen, noch weiter zur Schule. Manche machen das Abitur und gehen ins Studium. Also ganz unterschiedlich. Deshalb wird es der Darstellung unserer Schulform nach außen überhaupt nicht gerecht.
BZ: Stimmt es eigentlich, dass die Werkrealschule abgeschafft werden soll? Und wenn ja, warum soll sie abgeschafft werden?
Nein. Die Werkrealschule soll nicht abgeschafft werden, so ist zumindest erst mal der Stand der Dinge. Bedauerlich ist allerdings, dass die neuen Schüler bei uns ab dem kommenden Schuljahr den Abschluss der Mittleren Reife – bei uns heißt es Werkrealschulabschluss – nicht mehr machen können, sondern dann hier mit dem Hauptschulabschluss abschließen. Es ist äußerst schade, dass das so gekommen ist, aber wir werden weiterhin als Werkrealschule bestehen bleiben und unsere Schüler und Schülerinnen auf weitere passgenaue Anschlusswege vorbereiten.