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... mit dem Winterdienstexperten Horst Hanke und dem Straßenmeister Thomas Karcher

JETZT ÜBER SCHNEE REDEN ...: "Beim Eis über Eis nachdenken"

Dominik Bloedner
  • Sa, 09. Juni 2018
    Südwest

Thomas Karcher (links) und Horst Hanke bei der Straßenmeisterei Kirchzarten  | Foto: Dominik Bloedner
Thomas Karcher (links) und Horst Hanke bei der Straßenmeisterei Kirchzarten Foto: Dominik Bloedner
Sattgrüne Schwarzwaldgipfel, das Thermometer zeigt 26 Grad, bald kommt ein Sommergewitter – und auf dem Hof der Kirchzartener Straßenmeisterei steht ein knalloranges Räum- und Streufahrzeug der Marke Scania. Nebenan in der halb vollen Halle lagern rund 400 Tonnen Streusalz, Reste des vergangenen Winters. 20 Mitarbeiter sind fürs Dreisamtal und den knapp 1200 Meter hohen Notschrei zuständig. In Kirchzarten hat sich diese Woche die Crème de la Crème der deutschen Winterdienstexperten getroffen. Dominik Bloedner hat sich mit Horst Hanke aus dem Saarland, den sie in der Branche den Winterdienst-Papst nennen, und Thomas Karcher, stellvertretender Leiter der Freiburger Autobahnmeisterei, über vorbeugende Solestreuung, neue Techniken und den Winterdienst in Zeiten von Klimawandel unterhalten.

BZ: Werte Herren, bei allem Respekt – was motiviert Sie an diesem schwülwarmen Junitag über den Schnee von übermorgen nachzudenken?
Hanke: Verantwortliche für den Winterdienst müssen nun mal alles vorbereiten, für den Moment, an dem der Winter dann auch kommt. Beschaffung des Streuguts und rechtzeitige Einlagerung sind da nur ein Thema. Und bei einem schönen Eis im Sommer fällt das Denken an das Eis im Winter natürlich leichter.
Karcher: Die Hauptarbeit liegt bei uns im Sommer und Herbst. Bis zum 1. Oktober etwa. Dass die Glättemeldeanlagen funktionieren, dass technisch alles in Ordnung ist, dass die Streuer und Pflüge jetzt überholt und gewartet werden.
BZ: Wer diskutiert da mit Ihnen, warum und über welche Themen?
Hanke: Gekommen sind Mitarbeiter von Verkehrsministerien, von der Bundesanstalt für Straßenwesen, vom Deutschen Wetterdienst, vom ADAC und Vertreter der Kommunen. Wir reden über vorbeugende Solestreuung, wie man die Lagerung von Streusalz verbessert und wie es um Innovationen in der Streumaschinentechnik bestellt ist.
BZ: Und sonst: Skifahren oder Strand?
Karcher: Ein eindeutiges "sowohl als auch". Im Winter in die Dolomiten, im Sommer ans Meer.
BZ: Sind Sie schon einmal im Schnee steckengeblieben?
Hanke: Ich komme immer weiter, von Berufs wegen habe ich die entsprechende Fahrpraxis. An der Hochschule früher sind wir extra für Studien in den Schnee gefahren. Aber ich habe leider viele Unfälle gesehen, ich musste diese für Forschungen auswerten. Eine brenzlige Situation hatte ich einmal auf der Autobahn, als mich im dichten Schneetreiben ein Lastwagen mit Anhänger überholte, dann bremsen musste und vor mir eine Pirouette drehte. Es war knapp. Langsam und vorsichtig durch den Schnee ist das Gebot.
Karcher: Stehen bleibt man nur dann, wenn man nicht die richtige Ausrüstung wie etwa Schneeketten dabeihat und die Geschwindigkeit nicht anpasst.
BZ: Herr Karcher, was war ihre höchste Schneeverwehung?
Karcher: Früher arbeitete ich in Ettlingen und war für Bundes- und Landstraßen zuständig. Auf 800 Metern Höhe kommen Verwehungen von bis zu zwei Metern durchaus vor, diese wegzumachen ist richtig Arbeit. Im Rheintal auf der Autobahn gibt es allenfalls einmal 20 Zentimeter Schnee. Unser Kerngeschäft im Winter ist hier das vorbeugende Sprühen von Sole, von flüssiger Salzlösung.
Hanke: Früher hat man ja nur trockenes Salz gestreut, seit einigen Jahren werden Mischungen von Trockensalz und Feuchtsalz und die vorbeugende Streuung mit Sole in Deutschland flächendeckend angewendet. Wir im Ausschuss haben diese Entwicklung vorangetrieben. Heute gibt es kein Land auf der Welt, das nicht mit Sole im Winterdienst arbeitet – vorausgesetzt natürlich, dass es dort Winter gibt.
BZ: Warum wird Feuchtsalz eingesetzt?
Hanke: Trockenes Salz springt weg beim Streuen, durch den Fahrtwind der Autos wird es zusätzlich verweht. Mischungen mit Feuchtsalz haften besser auf der Straße und wirken schneller. Es wird also Material eingespart. Das ist besser für die Umwelt, auch die Verkehrssicherheit wird erhöht. Bei sehr tiefen Temperaturen sind stark verdünnte Salzlösungen nicht ratsam, die Flüssigkeit kann gefrieren.
BZ: Wie erklärt man dem Autofahrer, dass gestreut oder gesprüht wird, obwohl noch weit und breit kein Schnee liegt?
Hanke: Wir haben sehr gute Wettervorhersagen und Erkenntnisse darüber, wie, wann und wo sich Glätte bildet. Zudem spart vorbeugendes Streuen Material.
Karcher: Nicht vorbeugend zu streuen wäre sträflich. Autobahnen sind deshalb meistens frei, wir arbeiten 24 Stunden.
BZ: Man sagt, der Winter stürbe auch im Schwarzwald aus und dass der kalte Februar nur ein Ausreißer gewesen sei.
Hanke: Sicher, wir alle – bis vielleicht auf Donald Trump – wissen von der Klimaveränderung. Der Temperaturanstieg in den Mittelgebirgen im Winter wird bis 2040 aber gering ausfallen, dabei wird die Niederschlagsmenge steigen. Also wird es in den nächsten Dekaden wohl erst einmal mehr Schnee geben. Auch heftige Wetterereignisse werden zunehmen und Frost-Tau-Wechsel, die weiterhin für heimtückische Glätte sorgen. Schwankungen werden stärker – es wird also auch in den kommenden Jahren noch eiskalte Winter geben.

Horst Hanke, 59, stammt aus Bonn. Der Bauingenieur ist leitender Ministerialrat im saarländischen Verkehrsministerium und seit knapp 30 Jahren Vorsitzender des Ausschusses "Winterdienst" der in Köln ansässigen deutschen Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Hanke ist Verfasser des Standardwerks "Handbuch Straßenwinterdienst". Thomas Karcher, 48, stammt aus Malsch bei Karlsruhe, er ist seit 22 Jahren in Freiburg bei der Autobahnmeisterei, die für 77 Kilometer der A 5 zuständig ist
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Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 09. Juni 2018: PDF-Version herunterladen

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