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Kein Sommer ohne elende, unerträgliche Regentage

  • Do, 19. Juli 2001
    Zisch

SOMMER-SERIE (2): Jetzt ist die Zeit für Hitzefrei und endlose Freibadnachmittage - aber vorher kommt das Sommertief.

Es ist Samstag und es ist Sommer. Ideale Voraussetzungen für einen idealen Tag -denkt der Optimist - und wird eines besseren belehrt. Schon morgens wird man nicht etwa von zarten Sonnenstrahlen aufgeweckt, sondern von einem vorlauten Donnerschlag unsanft aus dem Schlaf gerissen: ein Herbsttag im Juli. Irgendwie typisch: denn nur durch deprimierend elende Regentage wird ein Sömmerchen zum Sommer.

Die samstagmorgengute Laune verlaunigt sich sofort, wenn das Brötchenholen zum Pfützenslalom wird und sich der Regenschirm als undicht erweist, den man schnell aus der Wintermützenschublade hervorgekramt hat. Der Bäcker nervt mit seinem kundenfreundlichen "Guten Mooorgen!" - immerhin ist der Freibadnachmittag verpatzt, zu dem man mit Freunden verabredet war.

Nein, Schwimmen is' nich' und Eiskrem und Wasserschlacht und Fahrradfahren is' auch nicht. Bleibt nur Fernsehen. Auf Kabel 1 kommt "Spartakus", in Sat 1 die "Kurklinik Rosenau". Mama schimpft, dass man früher bei Regenwetter noch viel kreativer gewesen sei und beispielsweise lustige Bauklötzchenburgen gebaut hätte. Um den Familienfrieden zu bewahren und um die Bauklötzchen nicht rausholen zu müssen, wickelt man sich in die Weihnachtskuscheldecke ein, liest ein trauriges Buch und isst Gummibärchen. Die sind gelb und grün und rot und bunt und scheinen einen auszulachen: "Haha, ihr Menschen, was seht ihr doch bepudelt aus mit euren grauen Tagen und tristen Gesichtern!" Fast macht das ja Lust auf die bunte Welt der "Gummibärenbande" auf Super RTL, aber Mama sagt, Schluss mit Fernsehen, und außerdem will man von der fröhlichen Fernsehwelt auch gar nichts mehr wissen: Die schlechte Laune gehört zum schlechten Wetter wie die nassen Füße. Doch da - schon blättert man im "Depressionen"-Ratgeber aus dem letzen Reader's Digest-Heft, da schleicht sich ein frecher Sonnenstrahl durch die Wolkendecke und erhellt das dunkle Wohnzimmer und das finstere Gesicht des Sommerentzugs-Patienten. Ein rascher Blick aus dem Fenster bestätigt die wohlige Vorahnung: der Regen hat aufgehört und dort hinten ist sogar - kitschiger geht's nicht - ein Regenbogen zu sehen. Hach, das ist schön und das macht Lust, Lust auf Sommer und Sonne! Jeden Sonnenstrahl möchte man umarmen: wie hat man sie vermisst, die warmen Kitzelbeamer! Durch die unerträgliche Entbehrung spürt man jetzt richtig, was gefehlt hat. Sommer also bitte nicht ohne verregnete Samstage mit mieser Laune und Reader's Digest, an denen man in süßsaurer Folter verharrt in der Hoffnung auf richtig geile Sonnenstrahlen.

Dominic Fritz

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 19. Juli 2001: PDF-Version herunterladen

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