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Kopf verdreht und dann verschmäht

  • Margarete Jacob

  • Do, 13. Juni 2002
    Zisch

     

JUZ IN DER OPER (5): So kommt Barock an - "Ariodante" zeigt Liebesnöte mit viel Gefühl, tollen Kostümen und schöner Musik.

Rotgemalter Samt und goldene Kordeln verhängen die Bühne und geben dem Theater einen scheinbar königlichen Anstrich. Zunächst ahnt man nur, was sich hinter diesem prächtigen Vorhang verbergen könnte: ein Adelshof, mit allem Prunk und Pomp des Barock ausgestattet, - der Epoche, in der Georg Friedrich Händel die Oper "Ariodante" komponiert hat, die in dieser Spielzeit am Freiburger Theater aufgeführt wird.

Auf den ersten Blick will der gebrechliche König in seinem Rollstuhl so gar nicht wie ein absolutistischer Herrscher wirken. Er ist ein Mann mit Gefühl, ein Vater, dem nichts mehr am Herzen liegt als das Glück seiner Tochter. Und da kann er anfangs mehr als beruhigt sein, denn die schöne Prinzessin Ginevra ist verliebt. Unsterblich verliebt sogar, nämlich in Ariodante, der erst seit kurzem am Hofe des Königs weilt.

Dieser "Hof", der Palast, ist dann aber auf der Bühne doch weniger üppig, als man ihn hinter majestätisch rotem Vorhang und nach prunkvoller barocker Orchestereinleitung zum ersten Akt erwartet hätte. Der Bühnenpalast ist eher puristisch. Getreu dem Motto "weniger ist manchmal mehr" wird das Barockschloss nur mit einigen haushohen, verschiebbaren und völlig schmucklosen Wänden markiert. Die aber sind in strahlenden Farben prächtig ausgeleuchtet, denn: die Hochzeit der Prinzessin naht, und wie ließe sich das Glücksgefühl am Königshause besser beschreiben als mit einem fröhlichen Gelb?

Ginevra singt indes nicht nur liebreizend - sie ist es auch mit ihrem wallenden roten Haar und in dem prachtvollen Kleid. Jedenfalls meistens. Wenn sie will, sprüht sie vor Charme und Ausdruckskraft, liebt und herzt und scheint die ganze Welt umarmen zu wollen. Für Ariodante singt sie von ewiger Treue und unsterblicher Liebe und wirbelt dabei ausgelassen auf der Bühne herum.

Will sie aber nicht charmant oder liebreizend sein, kann sie sich auch richtig zickig geben. Zum Beispiel dem Herzog Polinesso gegenüber. Dem hat sie nämlich einst den Kopf verdreht, will aber nun nichts mehr von ihm wissen. Klipp und klar sagt sie ihm das auch. Dass er aber ein Bösewicht ist und diese Schmach nicht so einfach auf sich sitzen lässt, wird auch dem unwissenden Zuschauer sofort klar: der schmucke Polinesso - ganz in weißer Uniform - trägt nämlich eine schwarze Augenklappe, eine Art Indiz für Boshaftigkeit.

Überraschend ist, dass Polinesso sehr überzeugend von einer Frau gespielt und gesungen wird. Ebenso wie Ariodante. Bei dessen Auftreten wird übrigens sofort zu sehen, dass er ein durch und durch aufrichtiger Mensch ist. Das spürt man instinktiv. Schon daran, wie er seine Jacke über die Schulter schwingt und eine muntere Arie singt. Oder wie er und Ginevra einen romantischen Abend mit einer Flasche Champagner genießen wollen. Alles wirkt so schön und leicht. Doch so idyllisch kann das Leben am Hofe nicht bleiben. Die Farben der Palastwände werden dunkler, die helle Freude wird getrübt. Intrigen werden im königlichen Schloss gesponnen, allen Intriganten voran natürlich der verschmähte Polinesso. Auch die schöne Hofdame Dalinda spielt da ahnungslos mit - und so kann sich denn die liebreizende Prinzessin Ginevra nicht vor so viel Niedertracht retten. Vollkommen verwirrt kniet sie auf dem Boden, rauft sich ihr langes Haar, ihr rosenholzfarbenes Kleid wie ein Flut von Stoff um sich herum drapiert: Tugend ist der höchste Wert am Hofe des Königs, und die soll sie verletzt haben.

Weitere Personen werden vorgestellt, die am Hofe eine mehr oder minder große Bedeutung haben. Und jede dieser Figuren besingt in ihrer eigenen Arie ihre Gefühlslagen. Aus dem Orchestergraben erklingt das Orchester mal majestätisch und erhaben, mal fast schmeichelnd und leise. Die barocke Musik in einem reizvollen Kontrast zu dem schlichten Bühnenbild. Die Kostüme des Chors allerdings lassen sich da nur schwer einordnen: Ausladend und barock die Formen, fast modern verziert und sichtbar aufwändig geschneidert haben sie was Schrilles und sind ein ganz besonderer Hingucker in dieser Inszenierung.

Aber was sind die Kleider gemessen am Schicksal? Die Aufregung am Hofe ist verständlicherweise groß. Zur Debatte steht immerhin Ginevras Hinrichtung. Was tun? Bevor die Prinzessin vom Vorwurf der Treulosigkeit frei gesprochen werden kann, muss noch einiges auf der Bühne passieren: zum Beispiel der Beinah-Selbstmord des Gatten in spe und der Tod des intriganten Bösewichts in einem dramatischen Duell. Wie schön, dass trotz aller Aktivität auf der Bühne die Fronten immer klar sind. Kein Zweifel kann daran aufkommen, wer für die Misere der königlichen Familie verantwortlich ist und wer die verzweifelnde Prinzessin in den Kerker gebracht hat. Der Bösewicht mit der Augenklappe war's, wer sonst?

Und richtig verwunderlich ist dann auch nicht, dass am Schluss das Gute siegt und mit ihm die Tugend. Ende gut, alles gut, jedenfalls fast, denn die Braut ist nach all den emotionalen Strapazen beim bunten Schlussbild doch sichtbar verunsichert und zögerlich und längst nicht mehr so unbeschwert und heiter wie zu Beginn. Was bleibt, sind dennoch Glanz und Gloria und ein rauschendes Fest auf der Bühne, denn das können auch Bösewichte nicht verhindern, dass das Wahre und Gute am Ende siegt.

Das Gefüge ist einfach, das Ende der Handlung bald schon zu erahnen. Dazu die herrlichen Kleider, die schöne Musik. Mit dieser Ariodante-Inszenierung zeigt sich der Barock nicht verstaubt als Abwicklung langweiliger Hofzeremonien untermalt von altertümlichen Klängen. Sondern das ist hier ist vor allem was für Herz - und auf jeden Fall auch was fürs Auge.



Ariodante am Großen Haus des Freiburger Theaters: Donnerstag, 27. Juni und

4. Juli, jeweils 19.30 Uhr. [TEL] 0761/34874

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 13. Juni 2002: PDF-Version herunterladen

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