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Brasilien

Korallenriff im Amazonas entdeckt

  • dpa

  • Mo, 06. Februar 2017, 00:00 Uhr
    Panorama

Forscher sprechen vom "wichtigsten meeresbiologischen Fund" seit Jahrzehnten: Im Mündungsgebiet des Amazonas ist ein riesiges Korallenriff entdeckt worden.

Erste Bilder zeigen eine farbenfrohe Unterwasserwelt.   | Foto: DPA
Erste Bilder zeigen eine farbenfrohe Unterwasserwelt. Foto: DPA
Die ersten Bilder haben die Forscher verzückt. "Ein Sensationsfund", meint die deutsche Meeresbiologin Sandra Schöttner. Schöttner spricht vom bisher wohl weltweit einzigen großen Korallenriff, das in einer Flussmündung entdeckt worden ist. Allein die Ausmaße des Riffs sind enorm: 9500 Quadratkilometer bis an die Küste von Französisch-Guyana; zwischen 30 und 120 Meter tief, völlig unterschiedliche Strukturen. Es handelt sich um ein Gebiet, ungefähr so groß wie die Wattenmeer-Schutzgebiete von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und den Niederlanden zusammen, betont die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Hinweise, dass hier etwas sein muss, gibt es schon seit den 70er Jahren. Fischer berichteten von Fischarten, die nur an Korallenriffen vorkommen, zudem gab es eine Häufung von Schwämmen.

Ein Team um den Forscher Fabiano L. Thompson von der Universität Rio de Janeiro erkundete in den vergangenen Jahren das Riff-Gebiet. 2016 wurde der Fund erst in seiner Dimension bekannt. In einem Artikel für das Fachmagazin Science Advances haben die Forscher die Besonderheiten ausführlich beschrieben. Aber erst in den vergangenen Tagen konnten erstmals mit einem Forschungs-U-Boot Unterwasseraufnahmen gemacht werden. Zu Gesicht bekamen die Forscher eine einzigartige, blaugetünchte Welt von Schwämmen, Hart- und Weichkorallen, Rotalgen und Millionen von Fischen. Bisher sind nur kleine Teile kartiert.

Und Thompson, der auch jetzt wieder dabei ist, und sein Team sind erstaunt: Das Riff könnte noch viel größer und tiefer sein als bisher angenommen.

Greenpeace hat aus Europa das Forschungsschiff Esperanza (Hoffnung) geschickt, von dort werden die Tauchgänge des Mini-U-Boots gesteuert. "Wir sind die allerersten, die das Riff, live, mit unseren Augen sehen", sagt Schöttner. Die 38-Jährige ist bei Greenpeace Deutschland zuständig für die Themen Meere und Biodiversität. Sie hat über Korallenriffe promoviert und vor genau zehn Jahren mit einem Tauchboot bereits das größte Kaltwasserkorallenriff der Welt in Norwegen in Augenschein genommen. Die Forscher – insgesamt sind 45 Personen an der Expedition beteiligt – sprechen von einem "der wichtigsten meeresbiologischen Funde seit Jahrzehnten."

Eigentlich gelten Flussgebiete als Lebensräume, die nicht für Korallen geeignet sind. Im Fall der Neuentdeckung treffen Süß- und Salzwasser aufeinander, der Amazonas transportiert viel Sediment und organisches Material, dass das Wasser trübt. Aber Korallenriffe brauchen eigentlich klares Wasser: Das Licht dient ihnen als Energiequelle, damit ausreichend Fotosynthese der Algen möglich ist. So hat sich im Mündungsgebiet des Amazonas ein ganz besonderes, dreigeteiltes Riff entwickelt: Von Süden nach Norden wechselt das Wasser von sehr hell zu dunkler, von viel Leben zu weniger Leben. Interessant sei auch die Bedeutung des Riffs als Zukunftsorakel, sagt Schöttner. Es kann der Wissenschaft Hinweise liefern, wie Riffe sich verändern könnten, die durch den Klimawandel unter erschwerten Bedingungen überleben müssen.



In dem Gebiet wurden schon vor einiger Zeit Umweltverträglichkeitsprüfungen gemacht. Es wurden Konzessionen für Ölprobebohrungen vergeben. Hier lagern wahrscheinlich große Mengen des schwarzen Goldes. In den nächsten Monaten wird es Aktionen gegen die Ölkonzerne geben – gefordert wird mindestens eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung. Das Ziel ist: Keine Ölförderung rund um das Amazonas-Riff. Doch die konservative brasilianische Regierung von Präsident Michel Temer räumt wirtschaftlichen Interessen Priorität ein.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 06. Februar 2017: PDF-Version herunterladen

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