Räumt die Stadt frei von Autos!

Der dänische Architekt und Stadtplaner Jan Gehl sprach im Theater Freiburg über die lebenswerte Stadt.  

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Hier fühlen sich viele Menschen wohl: der Augustinerplatz in Freiburg   | Foto: Bamberger
Hier fühlen sich viele Menschen wohl: der Augustinerplatz in Freiburg Foto: Bamberger
Jan Gehl ist 78 Jahre alt. Doch mit stetig junger Unverdrossenheit predigt der dänische Architekt und Stadtplaner sein Credo von der lebenswerten Stadt, und zwar überall in der Welt. Sein jüngstes Buch, in diesem Jahr auf Deutsch unter dem Titel "Städte für Menschen" erschienen, ist bereits in 26 Sprachen übersetzt, sogar ins Mongolische, wie er kokett anmerkt. Seine Botschaft ist: Räumt die Stadt frei von den Autos, damit Radler und Fußgänger, unterstützt vom öffentlichen Nahverkehr, die Plätze und Straßen erobern können. Denn nur dann kann eine Stadt lebenswert werden. Es gebe ein untrügliches Indiz, wenn diese Qualität wie in seiner Heimatstadt Kopenhagen erreicht werde: die Zahl der Kinderwagen und Kinder im öffentlichen Raum.

Selbstverständlich heißt es ein wenig Eulen nach Athen zu tragen, wenn solche Botschaften in Freiburg verkündet werden. Das weiß Gehl selbst am besten, denn er kennt die Stadt gut, hat sogar am Ideenwettbewerb für den Platz der Alten Synagoge teilgenommen (freilich nur den dritten Platz belegt). Und so eröffnete er seinen Vortrag im Stadttheater, der ein wenig auch eine Buchpräsentation war, mit einem kleinen Loblied auf Freiburg, auf dessen Nahverkehr und Fußgängerzonen, auf die große Aufenthaltsqualität der Plätze und Straßen, wo Kinder mit den Bächle sogar traumhafte Spielmöglichkeiten vorfinden. Das Publikum, trotz Schwüle und englischer Vortragssprache reichlich erschienen, goutierte Gehls Ausführungen hörbar.

Auch wenn die Frage des innerstädtischen Verkehrs dominierte und anhand von internationalen Beispielen – New York oder Melbourne, London oder Zürich – stetig variiert wurde, deutete Gehl durchaus an, dass sein Ansatz vielfältiger ist. Er kritisiert die Stadtplanung der 60er Jahre, die die Stadt mehr als Arrangement einzelner (und oft möglichst großer) Bauten und als autogerechte Struktur dachte. Daraus leitet er die Forderung ab nach einer Planung, die Stadt an den dort lebenden Menschen auszurichten – nicht an den scheinbar gottgegebenen Ansprüchen des Autoverkehrs oder der Investoren. Das heißt konkret, die Stadt nicht von oben in der Vogelschau zu betrachten, sondern aus der Perspektive eines Menschen, der sich mit fünf Kilometer in der Stunde hindurchbewegt.

Aus diesem Postulat des menschlichen Maßstabs folgt seine Ablehnung überdimensionierter Bauten, weil diese kaum Beziehungen zum umliegenden Raum aufnehmen; und es folgt die Stadt der kurzen Wege, die das Fahrrad als Alltagsvehikel vorsieht – in Kopenhagen werden schon 45 Prozent der Wege auf diese Weise zurückgelegt. Dass aus dieser Verkehrsart durchaus auch Konflikte hervorgehen können – diesen und andere kritische Punkte sparte Gehl in seinem launigen Freiburger Vortrag weitgehend aus.

Doch nur weil die Menschen andere Verkehrsmittel benutzen, zieht die heile Welt nicht in die städtische Gesellschaft ein. Wahr ist freilich, dass sich das Image vieler Städte zum Positiven gewandelt hat, weil sie den öffentlichen Raum aufgewertet und ihre Fußgängerzonen nicht bloß als Einkaufsmeilen verstanden haben. Aber ob das Glück anhält, wenn sich die städtischen Räume weiter zu Dauerspielplätzen der Spaßgesellschaft wandeln?

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