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Das Rad als Beziehungsretter

  • Petra Kistler

  • Sa, 06. Mai 2017
    Südwest

BZ-SERIE "DIE SCHÖNSTEN FAHRRADTOUREN" (6): Leichte Tour mit Seitensprüngen – mit dem E-Bike von Elzach nach Freiburg /.

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Er mag es sportlich, sie hat Bammel vor jedem Anstieg. Er will sich auspowern, sie liebt es entspannt. Er schwärmt von der großen Runde, ihr reicht schon die kleine Tour. Der Spaßfaktor beim Fahrradfahren ist überschaubar, wenn er ständig warten muss und sie dauernd an ihre Grenzen kommt. (Selbstverständlich können "er" und "sie" auch getauscht werden.)

Solch’ ungleichen Gespannen hilft ein E-Bike oder Pedelec. Erstens: Dank elektrischem Rückenwind ist das Radfahren weniger anstrengend. Zweitens: Auch Pedelecs halten fit. E-Biker brauchen 30 Prozent weniger Kraft, um die gleiche Geschwindigkeit zu erreichen. Das ist angenehm – bringt aber genug Vorteile für die Gesundheit. Nicht die kraftvollen Sprints und kurzen Fahrten sind gut für den Kreislauf, sondern der gleichmäßige und anhaltende Ausdauersport. Und drittens: E-Bikes erweitern den Aktionsradius, aus der kurzen Runde wird eine richtige Tour.

Natürlich gibt es auch gute Gründe gegen ein Fahrrad mit Elektroschwung: E-Bikes gelten (nicht nur) bei den Kick suchenden Mountainbikern und rasanten Rennradfahrern als Schummelräder für die Generation Ü 50. Auch E-Bikes können den häuslichen Frieden gefährden – wenn sie ständig als Erste den Gipfel erreicht.

Genug der Vorrede, der Praxistest. Von Elzach nach Freiburg, eine leichte und gemütliche Tour, gerade recht, um erste Erfahrungen mit dem motorisierten Radfahren zu machen.

Die treffen die Armmuskeln! E-Bikes sind schwer. An Tragen ist gar nicht zu denken. Der Versuch, das 23,5 Kilogramm schwere Rad (ohne Gepäck!) erst eine Treppe am Freiburger Bahnhof runter- und dann wieder hochzuschieben (gekrönt von einem kurzfristig anberaumten Gleiswechsel wegen einer Weichenstellung!!) ist nur durch einen Radwechsel zu lösen. Sie trägt das nicht einmal zehn Kilogramm schwere Rennrad bequem mit einer Hand die Treppen hoch und runter, er wuchtet das schwere Gefährt auf den Bahnsteig.

Der Transport auf dem Gepäckband ist übrigens nicht zu empfehlen. Wir haben gelernt: Wer mit dem E-Bike unterwegs ist, sollte die Zugänge am Bahnhof checken. Nicht ohne Grund wurde in der Tourenbeschreibung der Bahnhof in Gundelfingen empfohlen – dort gibt es keine Treppen!

Eine halbe Stunde später ist der mühsame Start vergessen. Das Elektrorad läuft gut; dass wir den Einstieg in den Elztalradweg nicht sofort finden, kümmert nicht. Dann wird die Bergetappe durch das Neubaugebiet eben zweimal absolviert. Was kümmern Steigungen bei einer Motorhilfe? Das Rad rollt wie am Schnürchen, der Tacho zeigt Tempo 26, der Fahrtwind weht um die Nase. Die kleinste Unterstützung reicht aus, um das Zweierfeld anzuführen. Er darf im Windschatten fahren. Eine ganz neue Erfahrung.

Der Elztalradweg ist zum Teil identisch mit dem europäischen Radwanderweg Elzach-Villé, der durch einen gelben Radfahrer auf blauem Grund angezeigt wird. Vom Bahnhof Elzach geht es im sanften Auf und Ab durch den Ort, am Sportplatz führt die Route Richtung Winden. Der Radweg führt parallel zur viel befahrenen Bundesstraße 294 nach Niederwinden. Nicht gerade das Fahrvergnügen, das wir uns vorgestellt hatten. Die Radweglücke auf der Bundesstraße ist den Planern bekannt, mit der Ortsumfahrung Winden soll das Problem auch endlich angegangen werden. Es dauert aber noch ein paar Jahre, bis alle Arbeiten abgeschlossen sind.

Ein klein wenig anstrengender, aber schöner ist es, dem Schild "Waldkirch" geradeaus auf der ansteigenden Straße zu folgen. Aber im Nachhinein ist man bekanntlich immer schlauer. In Bleibach steigen wir das erste Mal ab. Nicht, weil wir schon eine Pause bräuchten, sondern weil sich ein Besuch in der Beinhauskapelle der St.-Georgs-Kirche auf jeden Fall lohnt. Auf 34 Bildern nähert sich Gevatter Tod den Todgeweihten, die nach den Ständen geordnet sind: Baronin, Stadtfrau, Elztäler Bäuerin; Kaufmann, Bürger, Junggeselle, Taglöhner, Spielmann, Blinder … Dazu gibt es Knittelverse in barocker Sprache: "Wer doch nit lesen kann/beschau den Tanz hier an". Sechs Sensenmänner bilden eine wundersame Musikkapelle, deren Trommler, Trompeter und Geiger zum letzten Reigen auffordern. Im Jahr 1723 wurde in dieser Kapelle vom Kirchenmaler Johann Winter ein Totentanz auf das Tonnengewölbe aus Tannenholz gemalt. Der Bleibacher Totentanz ist einmalig, da er bis heute vollständig im Original erhalten ist. Von seinem berühmten Basler Vorbild existieren nur noch wenige Teile in einem Museum. Im Bleibacher Beinhaus wurden die Totenschädel neben- und übereinander aufgestellt und die Namen auf die Stirn des Schädels gemalt, so dass die Toten den Hinterbliebenen drastisch vor Augen führten, wie auch sie einmal aussehen werden.

Zurück in die Sonne. Zurück ins 21. Jahrhundert. Zurück auf dem Rad. "Schon ein bisschen langweilig", murrt er und schlägt eine Abwandlung der Tour vor. Der Weg führt jetzt nicht mehr entlang der Elz, sondern in Richtung Riedern und Siensbach – und zwar ständig bergauf. Dank des E-Bikes werden aus Bergetappen leichte Steigungen. Sie fährt munter davon – und wartet immer wieder auf den Rennradler, der nicht wusste, wie hundsgemein sich die Hügel ziehen.

Wer sich hochgequält hat, darf auch wieder runtersausen. Vorsicht: Die Abfahrt ist nicht zu unterschätzen. Durch ihr Gewicht bekommen E-Bikes schnell mehr Tempo als erwartet.

Der Rest der Tour ist schnell erzählt – und schnell gefahren. In Waldkirch (die Innenstadt mit der Fußgängerzone ist immer eine kleine Pause wert) folgt man am besten dem Fahrradweg nach Emmendingen bis in den Stadtteil Batzenhäusle. Von dort aus geht es auf Wirtschaftswegen nach Denzlingen. Dort sticht ihn der Hafer. Statt geradeaus nach Gundelfingen geht es über Wildtal und die Höhenlagen von Herdern in die Freiburger Altstadt.

Ergebnis: Geplant waren knapp 29 Kilometer, daraus wurden mit Umwegen 56 Kilometer. Und die nächste Tour ist bereits in Planung. Eine Strecke mit Steigungen. Das ist fest vereinbart.

Am Montag lesen Sie:
Mit dem Mountainbike rund
um den Rohrhardsberg.

Alle Beiträge der Serie finden Sie unter mehr.bz/fahrradtouren

Genusstour: Von Elzach nach Freiburg

» Strecke: 28,7 Kilometer
Dauer:
2 Stunden
» Aufstieg: 163 Meter
Abstieg:
300 Meter
» Schwierigkeit: leicht
Geeignet für
Tourenräder, E-Bikes, Mountainbikes, für eine Tour mit Kindern ist der Radweg wegen der viel befahrenen Bundesstraße in Winden nur bedingt zu empfehlen.
» Einkehrmöglichkeiten: ein Halt in Waldkirch lohnt sich.
Start der Tour:
Bahnhof Elzach Geogr. 48.170249 N 8.070126 E UTM 32U 430864 5335641
» Ziel der Tour: Gundelfingen
Koordinaten:
Die GPS-Daten der Tour stehen über die Homepage des Schwarzwald Tourismus kostenfrei zum Download bereit.

mehr.bz/elztalradweg
» Anreise: Mit der Breisgau S-Bahn bis Bahnhof Elzach (Endstation). Nach 19.30 Uhr ist die Mitnahme des Fahrrads kostenlos.

Fahrplanauskunft: http://www.efa-bw.de
Sehenswertes:
Lohnenswert sind auf jeden Fall ein Besuch in der Beinhauskapelle zu Bleibach und in Waldkirch. Führungen zum Totentanz vom 1. April bis Ende Oktober jeweils am 1. Mittwoch des Monats um 14.30 Uhr.
Für Gruppen nach Anmeldung bei Hans Schätzle, Tel: 07685/7375
» Parken: am Bahnhof Gundelfingen beziehungsweise am Parkplatz an der Elz in Elzach.

Ressort: Südwest

Dossier: Fahrradtouren

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