Rust
50 Jahre Europa-Park: Wie in einem Fischerdorf ein Großunternehmen entstand
An diesem Wochenende feiert der Europa-Park sein 50-jähriges Bestehen. Dass er einmal die heutigen Dimensionen erreicht, hätte vor 50 Jahren wohl keiner für möglich gehalten.
So, 13. Jul 2025, 13:30 Uhr
Südwest
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Rust im August 1973 ist ein kleines, von Stechmücken geplagtes Fischerdorf. Ein Klecks in der Landschaft, in dem rund 1000 Menschen leben. Mittelpunkt der Winzgemeinde ist das Schloss Balthasar, ein im 15. Jahrhundert von einem elsässischen Adelsgeschlecht erbautes Wasserschloss mit altem Baumbestand, das die Gemeinde als Park nutzen wollte, nachdem die Barone es verlassen hatten. Dass es anders kam, lag an den beiden Männern, die sich an jenem Tag im August 1973 dort einfanden. Ein Waldkircher Tüftler und Hersteller von Fahrgeschäften auf Jahrmärkten namens Franz Mack und Otto Tiemann, ein befreundeter Schausteller und Investor, unterschrieben damals den Kaufvertrag für die gesamte Anlage mit der Gemeinde und legten somit den Grundstein für ein Unternehmen, das heute Weltrang genießt und zu den bedeutendsten Arbeitgebern Südbadens gehört.
Vor genau 50 Jahren, am 12. Juli 1975, wurde der Europa-Park eröffnet. Damals noch im kleinen Rahmen. Es spielte die Musikkapelle auf, der Ruster Bürgermeister hielt eine Ansprache und als höchster Ehrengast war Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Rudolf Eberle aus Stuttgart angereist, um das Band zu zerschneiden. Spektakuläre Achterbahnen, Artisten, Shows? Fehlanzeige. Stattdessen gab es eine Westernbahn, mit der man zum damaligen Seerestaurant fahren konnte und einige weitere, aus heutiger Sicht eher unspektakuläre Fahrgeschäfte.
Die Zurückhaltung war aber beabsichtigt. Franz Mack ist mit dem Bau ein Risiko eingegangen. Die Banken standen dem Großprojekt ablehnend gegenüber, kaum einer glaubte an den Erfolg, weshalb Mack und Tiemann ihr Privatkapital dafür fast völlig aufbrauchten. Der Park sollte behutsam wachsen, Bombast könne später kommen, wenn die Besucherzahlen sich in der Höhe einpendelten, an die die beiden Investoren glaubten.
Es brauchte Durchhaltevermögen
Was damals für Kopfschütteln bei Banken, Lokalpolitikern und auch den Medien sorgte, gilt heute als visionär und als Zeichen dafür, dass es neben Erfindergeist auch eine gehörige Portion Durchhaltevermögen braucht, um ein Unternehmen zum Erfolg zu führen. Und dass der Europa-Park ein Erfolgsprojekt wurde, müssen auch die Kritiker anerkennen. Über sechs Millionen Menschen besuchen ihn pro Jahr – und die Zahl steigt beständig. Der Park hetzt von Rekord zu Rekord, wächst weiter und scheint noch lange nicht am Ende angekommen zu sein.
Als Meilensteine gelten aus heutiger Sicht die Entscheidung, länderspezifische Themenbereiche zu eröffnen, der Bau der Hotels in den 1990er Jahren und nicht zuletzt der Bau des Wasserparks Rulantica. Im Oktober 2020 eröffnet, verzeichnet Rulantica ebenso wie der Park stetigen Besucherzuwachs. Dass der Park überhaupt einmal derartige Ausmaße zeigt, hätte damals wohl selbst die Betreiberfamilie Mack nicht für möglich gehalten. Zumal eine Gemeinde wie Rust ein solches Großprojekt auch erst einmal mitgehen und verkraften muss.
Rust hat Übernachtungszahlen wie eine Großstadt
1990 trat Günter Gorecky sein Amt als Bürgermeister Rusts an – er sollte es für 24 weitere Jahre innehaben. Der heutige Pensionär kann sich noch lebhaft an die Expansion des Parks erinnern. "Es war eine wirklich rasante Entwicklung", sagt Gorecky und meint damit auch die der Gemeinde selbst. 1650 Einwohner habe diese 1990 gehabt, heute sind es 5200. Und natürlich profitiert die Gemeinde von dem Großunternehmen, das das Dorf bundesweit bekannt gemacht hat. Um rund das Fünffache liegen die Gewerbesteuereinnahmen über denen einer vergleichbaren Gemeinde, sagt Gorecky, wenngleich rund 80 Prozent über die Kreisumlage auch wieder abgeführt werden müsse. Dennoch – Rust kann sich durch den Park einigen Luxus leisten. So werden etwa die Regelbeiträge für die Kindergärten komplett übernommen und es gibt eine Gemeinschaftsschule samt Mensa. Noch mehr profitieren aber die Bürger, die zusätzlich noch Zimmer oder Ferienwohnungen an Parkgäste vermieten. Um die 1,6 Millionen Menschen würden pro Jahr in Rust übernachten – das sind Dimensionen, die nur etwas unter denen einer Großstadt wie Freiburg liegen.
Dass diese Entwicklung Kritiker hervorruft, versteht sich von selbst. Eine davon sitzt im Gemeinderat von Rust. Seit 2009 ist Elke Ringwald für die Liste Aktive Bürger für Rust in dem Gremium vertreten und beobachtet mit Argusaugen die zunehmende Expansion des Parks. "Das Dorf ist regelrecht umschlossen vom Park", sagt sie. Und da der Park weiter expandieren will, sei diese Entwicklung noch nicht am Ende. "Mein Wunsch wäre, dass er qualitativ, nicht quantitativ wächst." Zumal mit größerer Fläche auch die Besucherzahlen weiter zunehmen. "Man kann heute schon von Übertourismus sprechen", meint sie. Und gerade im Herbst, wenn das Oktoberfest und Halloween im Park gefeiert werden, sei Rust nicht weit von mallorquinischen Verhältnissen entfernt. "Der Park wird immer mehr vom Familien- zum Event- und Funpark", sagt sie.
Kritiker monieren den enormen Flächenverbrauch des Parks
Auch Axel Moser ist der Flächenverbrauch des Parks seit Jahren ein Dorn im Auge. Als auch noch eine Seilbahn ins Elsass gebaut werden sollte, reichte es Moser. Zusammen mit einigen Mitstreitern gründete er die Bürgerinitiative "Jetzt langt’s", die laut Mosers Aussage um die 300 Mitglieder hat. "Wir haben eine stetige Expansion des Parks erlebt – und jetzt auch noch eine Seilbahn mitten über ein Naturschutzgebiet? Das kann doch nicht sein", dachte sich Moser – und war damit am Ende erfolgreich. Das Projekt wurde eingestampft und ist derzeit kein Thema mehr. "Roland Mack sagt ja bei jeder Gelegenheit, dass es ohne Expansion nicht gehe. Aber wo sind da die Grenzen?" Auch dass der Park beantragt hat, den Wasserverbrauch um 20 Prozent auf 3,6 Millionen Kubikmeter pro Jahr zu erhöhen, stößt ihm sauer auf. "Sicher, der Park bringt vielen Leuten Wohlstand. Aber er bringt auch Probleme mit sich", sagt Moser.
Keine Frage, ein so großes Unternehmen wie der Europa-Park kann nicht jedem gefallen. Und schon gar nicht über einen Zeitraum von 50 Jahren. Und dass die meisten Menschen dem Park positiv gesonnen sind, steht für die Macks außer Frage. "Ich war ein Getriebener", sagte Europa-Park-Chef Roland Mack im Vorjahr gegenüber der Badischen Zeitung. "Aber was gibt es Schöneres, als von etwas getrieben zu sein, das anderen Menschen Freude bereitet?"
In diesem Sinne wird der Park weitermachen. Der Generationenwechsel ist in vollem Gang, die drei Kinder Roland Macks sind jetzt bereits Geschäftsführende Gesellschafter. Das Jubiläum, es wird nur ein Zwischenschritt sein. Die Erfolgsgeschichte wird weitergehen.