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Lila Kampagne gegen den Bundeswehrknick

  • Carolin Feldmann

  • Do, 16. August 2001
    Zisch

     

Die Akzeptanz in der Bevölkerung steigt, die Bewerbungen gehen zurück - nun sollen Stefan Raab und eine groß angelegte Werbekampagne junge Leute locken.

An jedem Gewinn ist immer auch ein bisschen Verlust. Diese Einsicht musste auch die Bundeswehr gewinnen. Seit die Bundeswehr begonnen hat, "Friedensmissionen" in Krisengebiete zu entsenden, kann sie sich der höchsten Beliebtheit in der Bevölkerung erfreuen. Soldaten, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens anderen Menschen helfen, haben Bewunderung verdient. Allerdings lieber aus sicherer Entfernung.

Selbst als Wehrdienstleistender zum Bund zu gehen oder gar Berufssoldat zu werden, mögen sich offenbar zusehends weniger Jugendliche vorstellen: wer will schon unter Umständen irgendwo auf dem Balkan abgeschossen werden? Solche Überlegungen könnten auf Dauer eine echte Not an hoch qualifizierten Bundeswehrkräften entstehen lassen, ein Trend zeichnet sich jetzt schon ab. Dabei hat sich - seit nun auch Frauen bei der Bundeswehr den Dienst an der Waffe leisten dürfen - die Zahl potenzieller Bewerber rein rechnerisch verdoppelt. Trotzdem weist die Bundeswehr insgesamt einen spürbaren Rückgang an Interessenten auf. Ein echtes Problem also.

Vor allem die Bundeswehrelite sucht händeringend geeigneten Nachwuchs. Imageverbesserung ist also angesagt. Das Bild des strengen, hierarchischen Altherrenverbandes soll durch das eines dynamischen, aufgeschlossenen Unternehmens mit hohem Spaßfaktor ausgetauscht werden. Deshalb wurde die Allendorf Media AG, erfahren insbesondere im Bereich der neuen Medien, beauftragt, der Jugend die Bundeswehr als Arbeitgeber schmackhaft zu machen. Als Auftakt einer großen Werbekampagne organisierte die Allendorf Media AG kürzlich eine Pressereise zum Marinefliegergeschwader "Graf Zeppelin", einem Vorzeigestützpunkt der Bundeswehr. Und die zeigte sich dort dann auch ganz von ihrer Schokoladenseite. Intelligente, smarte Jungoffiziere stellten die Aufgaben des größten fliegenden Verbandes der Bundeswehr dar und beantworteten klug und charmant alle Fragen. Der zivile Pressetross durfte mit einer imposanten Militärmaschine mitfliegen, sah zu bei einem "Sea Survival", einem Training für Offiziersanwärter der Marine, und bekam einen Flugsimulator vorgeführt. Vermittelt werden sollte vor allem eines: Bei der Bundeswehr kann man Abenteuer und Abwechslung haben. Diese Faktoren werden ab Ende August über sämtliche Medien möglichst attraktiv verkauft. Mit dem Werbeslogan "Du willst Zukunft?" soll dann zunächst einmal eine Offizierslaufbahn präsentiert werden, später soll die Unteroffizierslaufbahn folgen. Es sind Radiospots, Anzeigen, Free-Cards und Bannerwerbung im Web geplant, um Abiturienten zu gewinnen. Poppige, rosalila Broschüren mit einem coolen Mädchen in Army-Hose und lässiger Lederjacke auf dem Deckblatt, werden dazu einladen, "einen sicheren Job mit Perspektive" und "vielfältige Karrierechancen" zu ergreifen.

Und in der Tat hören sich die Angebote sehr verlockend an. Man kann studieren und verdient gleichzeitig dabei, hat Umgang mit modernster Technik und erlernt "verantwortungsvolle Menschenführung". "Wir wollen damit offene, tolerante, kompromissbereite und belastbare junge Menschen ansprechen, die gut in einer Gemeinschaft zurecht kommen", erklärt Flottillenadmiral Wolfgang Kalähne. Die farbenfrohe Kampagne wird Jugendliche vermutlich wirklich ansprechen - Jugendliche, die bekanntlich nie genug Spaß im Leben bekommen können. Und so ist es auch nur konsequent, dass kein geringerer als Stefan Raab fortan für die Bundeswehr werben wird.

"Wir wollen junge, offene Menschen ansprechen." Wolfgang Kalähne (Admiral)

Soviel ist dennoch sicher: die 7-jährige Ausbildung plus 5-jährige Verpflichtung dient seit dem ersten Einsatz im Kosovo auch in Zukunft dazu, als Friedensmissionär in einem Krisengebiet tätig zu werden; auch wenn derzeit die Friedenseinsätze nur in geringer Zahl stattfinden: die Bundeswehr hat gerade erst begonnen ihre Struktur zu verändern. Bundeswehr, das ist nicht eine zwölfjährige Verpflichtung für ein Girokonto mit vielen Extras, sondern ein Beruf, der Aufopferung verlangt. Ob das in der Werbekampagne deutlich rüberkommt, wird sich demnächst zeigen.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 16. August 2001: PDF-Version herunterladen

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