Das Gehirnraubtier

Nietzsches Freundin, Rilkes Geliebte, Freuds Schülerin und Femme fatale: Zum 150. Geburtstag von Lou Andreas-Salomé.
Als Domina, die ihre philosophischen Zugtiere Friedrich Nietzsche und Paul Rée mit einem Peitschlein antreibt, ist sie ins Bildergedächtnis eingegangen: Lou von Salomé, nach der zerbrochenen Freundschaft mit Nietzsche und Rée die Geliebte Rilkes, die Schülerin Freuds. Heute vor 150 Jahren, am 12. Februar 1861, wurde sie in St. Petersburg geboren. Im Mai 1882 – das Trio Lou, Nietzsche und Rée hält sich in Luzern auf – arrangiert Nietzsche im Studio von Jules Bonnet einen Fototermin und inszeniert das Bild bis ins Detail: Im Joch eines Leiterwägelchens, dem Betrachter zugewandt, vorn Rée; schräg versetzt hinter ihm Nietzsche, der mit einer Portion Wildheit in die Kamera blickt; auf dem Wagen hockend, in der Linken die Zügel haltend, Lou mit dem Peitschlein, das aus Bindfäden geknüpft und mit einer Fliederdolde geschmückt ist, im Hintergrund die Berge des Berner Oberlands, die "Jungfrau" mit dem Silberhorn – eine Anzüglichkeit, die den "Mönchen" im Geschirr wie ihrer in der Tat jungfräulichen Freundin vermutlich bewusst war.
Ironie liegt über der Szene. Aber Lou macht den beiden sterblich in sie verliebten Männern beizeiten klar, "wozu mein ,für Lebenszeit abgeschlossenes’ Liebesleben und (…) mein total entriegelter Freiheitsdrang mich veranlassten": dass sie nicht gewillt ist, sich in das Joch einer bürgerlichen Ehe zu begeben. Dieser "entriegelte Freiheitsdrang" wird die Formel ihres Lebens. An den Lehrer ihrer Jugendjahre schreibt sie: "Wir wollen doch sehn, ob nicht die allermeisten sogenannten, unübersteiglichen Schranken, die die Welt zieht, sich als harmlose Kreidestriche herausstellen!"
Das macht Lou über ihre weibliche Faszination hinaus so anziehend: Sie ist eine Anarchistin der Selbstverwirklichung. Sie fesselt, weil sie entfesselt ist. Und wo neue Verriegelungsversuche ihre "individuelle Freiheitstendenz" bändigen wollen, kennt sie ...
Ironie liegt über der Szene. Aber Lou macht den beiden sterblich in sie verliebten Männern beizeiten klar, "wozu mein ,für Lebenszeit abgeschlossenes’ Liebesleben und (…) mein total entriegelter Freiheitsdrang mich veranlassten": dass sie nicht gewillt ist, sich in das Joch einer bürgerlichen Ehe zu begeben. Dieser "entriegelte Freiheitsdrang" wird die Formel ihres Lebens. An den Lehrer ihrer Jugendjahre schreibt sie: "Wir wollen doch sehn, ob nicht die allermeisten sogenannten, unübersteiglichen Schranken, die die Welt zieht, sich als harmlose Kreidestriche herausstellen!"
Das macht Lou über ihre weibliche Faszination hinaus so anziehend: Sie ist eine Anarchistin der Selbstverwirklichung. Sie fesselt, weil sie entfesselt ist. Und wo neue Verriegelungsversuche ihre "individuelle Freiheitstendenz" bändigen wollen, kennt sie ...