BZ-Gastbeitrag

Macht bricht Recht

In Zeiten, in denen das Völkerrecht gebrochen wird, braucht es einen Sinneswandel der Mindermächtigen. Sie müssen verlässliche Allianzen eingehen, argumentiert Klaus Leisinger.  

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  | Foto: Dejan Jovanovic
Foto: Dejan Jovanovic
Nach den Grauen der Weltkriege suchte die Internationale Gemeinschaft nach Möglichkeiten, Krieg als Mittel zur Durchsetzung von Ansprüchen zu verbieten. Das Ergebnis war eine aus Regeln bestehende übernationale Rechtsordnung, das Völkerrecht. Grundprinzipien waren Gleichheit aller Staaten, Schutz ihrer Souveränität und territorialen Integrität sowie das Verbot der Einmischung in innere Angelegenheiten, die Achtung der Menschenrechte und das Verbot der Anwendung von Gewalt.

In der im Jahre 1945 von den Gründungsmitgliedern der UNO unterzeichneten Charta der Vereinten Nationen wurde die friedliche Beilegung von Streitigkeiten völkerrechtlich festgelegt und die "Androhung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates" verboten. Waffengewalt solle nur noch nach einer entsprechenden Resolution des UN Sicherheitsrats im übergeordneten Interesse angewendet werden.

Eine Zeit lang schien es, als seien bewaffnete Konflikte eine Sünde der Vergangenheit. Tatsächlich nahm die Anzahl der Kriege zwischen Staaten ab, internationale Zusammenarbeit und der Handel nahmen zu. Die Welt wurde insgesamt friedlicher und wohlhabender. Nun durchleben wir eine Zeit, in der die Autorität und Verbindlichkeit internationalen Rechts ab- und die Durchsetzung von Interessen durch Macht zunimmt.

Seit 2022 gehört auch in Europa Krieg wieder zum Instrumentarium der Durchsetzung politischer Interessen: Millionen Menschen verlieren dadurch ihr Leben, ihre Gesundheit und ihr Hab und Gut. In Gaza wird das humanitäre Völkerrecht missachtet und die Verhältnismäßigkeit der angewandten Maßnahmen grob verletzt. Und nun noch das: Der Präsident des mächtigsten westlichen Landes – bis anhin ein Initiator und Beschützer des Völkerrechts – ist in Sachen Frieden, wenn überhaupt, dann nur zögerlich unterwegs. Vielmehr droht er damit, Grönland auf die "eine oder andere Art" heim ins US-amerikanische "Reich" zu führen; Kanada bezeichnet er als natürlichen Bestandteil der USA; Gaza soll übernommen und zur Riviera des Mittleren Ostens gemacht werden – freilich ohne die Palästinenser. Die ukrainische Regierung muss ein Abkommen unterzeichnen, dass den USA günstigen Zugang zu Bodenschätzen gewährt. Ergänzt wird das Muskelspiel des Mächtigen durch eine einseitige Erhöhung von Zöllen und anderen Beschädigungen der Weltwirtschaft.

Wenn ein solcher Trend nicht die neue Normalität werden soll, wo die Starken tun, was sie wollen und die Schwachen ertragen, was sie müssen (Thukydides, 400 v.Chr.) braucht es einen Sinneswandel der Mindermächtigen: Sie müssen verlässliche Allianzen eingehen, egoistische Nischeninteressen hintanstellen und gemeinsame Gegenstrategien entwickeln. In dieser Hinsicht ist nicht nur die EU gefragt, sondern auch die Afrikanische Union und die ASEAN Wirtschaftsgemeinschaft.
Schlagworte: Klaus Leisinger
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