Medizin
Medizinerin mit Tourette-Syndrom hat die Lizenz zum Fluchen
Stella Lingen ist angehende Ärztin und hat das Tourette-Syndrom. Manchmal verdreht sie unkontrolliert den Kopf oder stößt Schimpfwörter aus. Ihrer Arbeit tut das keinen Abbruch.
Rolf Schraa
Do, 9. Mär 2023, 20:30 Uhr
Panorama
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Aktuell arbeitet die Essenerin in der Notfall-Ambulanz des Essener Huyssenstifts, ihre nächste Station ist eine Kinder- und Jugendpsychiatrie. Bei der Arbeit störten die Tics kaum, sagt die junge Frau im weißen Kittel. "In Gesprächen mit Patienten bin ich konzentriert, da tauchen sie kaum auf." Meist schaffe sie es dann auch, Tics zu unterdrücken. "Ich kann fast alles machen, auch motorisch, wie etwa Zugänge legen", sagt sie. Sie fährt auch Auto – als sie während des Medizinstudiums im Rettungsdienst gearbeitet hat, steuerte sie auch den Rettungswagen.
Tourette-Erkrankungen treten meist schon in der Kindheit auf, bei Lingen zeigte sich die Erkrankung aber erst im jungen Erwachsenenalter – zunächst mit leichtem Zusammenzucken, wie es viele Menschen beim Einschlafen erleben. Später kamen stärkere Armbewegungen und auch verbale Tics dazu, erst Räuspern und Pfeifen, später unkontrolliert ausgestoßene Wörter. Eineinhalb Jahre habe es bis zur Diagnose gedauert – eine Zeit der persönlichen Unsicherheit, auch mit der Frage, ob sie weiter Medizin studieren könne, erzählt sie.
Entscheidend sei, wie stark beeinträchtigend und belastend die Betroffenen ihre Krankheit selbst wahrnähmen. Der Druck der Krankheit ist natürlich trotzdem da – schon durch die Anstrengung, Tics zu unterdrücken und gelegentlich durch Konflikte mit der Umgebung. Einmal habe sie im Bus Streit bekommen mit einer älteren Frau, weil sie mehrfach "Hitler" gerufen habe, erzählt Lingen. Als die Frau sie verbal attackierte, habe Lingen die Mitreisende rassistisch beschimpft – ohne es zu meinen und ohne etwas dagegen tun zu können. "Das war nicht meine Absicht, Hitler ist nicht meine Gedankenwelt", sagt sie. Das verstehen aber Außenstehende manchmal nicht. Lingen will deshalb mit ihrem medizinischen Fachwissen aufklären über die Krankheit – und das nicht immer bierernst. Die Ärztin hat für den bekannten Youtube-Kanal "Gewitter im Kopf – Leben mit Tourette" von Jan Niklas Zimmermann und Tim Lehmann an mehreren Beiträgen mitgewirkt, in denen manchmal auch kräftig gelacht wird. Seit einiger Zeit hat sie auch ihren eigenen Youtube-Kanal mit bereits mehr als 17.000 Abonnenten. "Stella – Die Lizenz zum Fluchen", hat sie ihn genannt.
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