Afrin

Neugeborenes in Erdbebengebiet in Syrien aus Trümmern gerettet

afp

Von afp

Di, 07. Februar 2023 um 16:05 Uhr

Panorama

Es klingt wie ein Wunder: Im Erdbebengebiet im Nordwesten Syriens ist aus den Trümmern eines Hauses ein Baby gerettet worden. Mit der Nabelschnur war es noch mit seiner Mutter verbunden.

Es ist ein schrecklicher Start ins Leben und zugleich ein Wunder: Im Erdbebengebiet im Nordwesten Syriens ist aus den Trümmern eines Hauses ein Baby gerettet worden, das durch die Nabelschnur noch mit seiner durch die Katastrophe umgekommenen Mutter verbunden war. Das neugeborene Mädchen ist die einzige Überlebende ihrer Familie. Auch sein Vater, seine drei Schwestern, sein Bruder und seine Tante konnten nur noch tot aus den Trümmern geborgen werden.



Das vierstöckige Wohnhaus der Familie im Ort Dschandairis in der Region Afrin stürzte wegen des heftigen Erdbebens am Montag ein. Angehörige suchten daraufhin nach der verschütteten Familie. "Dann haben wir ein Geräusch gehört und wir gruben", erzählt einer von ihnen, Chalil Sawadi, am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. "Wir haben Trümmer weggeräumt und diese Kleine gefunden, gelobt sei Gott."



Das Neugeborene war noch durch die Nabelschnur mit seiner Mutter verbunden, die es nun niemals kennenlernen wird. "Wir haben die Nabelschnur durchtrennt und mein Cousin hat das Baby ins Krankenhaus gebracht", schildert Sawadi die wunderbare Rettung.

In Online-Netzwerken verbreitete sich ein Video, in dem ein Mann inmitten von Trümmern ein nacktes, mit Staub bedecktes Baby in die Höhe hält, an dessen Bauch noch der Rest seiner Nabelschnur hängt. Angesichts von Temperaturen um den Gefrierpunkt bringt jemand eine Decke, um das Neugeborene darin einzuwickeln. Das Baby wurde in ein Krankenhaus in der nahegelegenen Stadt Afrin gebracht.

"Sie wurde mit vor Kälte starren Gliedern eingeliefert." Hani Maaruf, Arzt
Dort kam die Kleine in einen Inkubator und erhielt Infusionen mit Vitaminen. "Sie wurde mit vor Kälte starren Gliedern eingeliefert, ihr Blutdruck war gefallen", sagt ihr Arzt Hani Maaruf AFP. "Wir haben erste Hilfe geleistet und ihr Infusionen gegeben, weil sie lange keine Milch bekommen hatte."

Dschandairis wurde für viele Menschen zur Todesfalle

Das Baby hat zwar Prellungen erlitten, aber der Zustand des 3175 Gramm schweren Neugeborenen sei stabil, sagt der Arzt. Nach seiner Einschätzung ist das Baby etwa sieben Stunden nach dem Erdbeben zur Welt gekommen.



Die Bergung der übrigen Familienmitglieder dauerte Stunden. Ihre Leichen wurden vor einem Nachbarhaus aneinandergereiht und mit Tüchern in unterschiedlichen Farben abgedeckt. Sawadi zählt die Namen der Verstorbenen auf und berichtet vom ohnehin schweren Schicksal der Familie, die aus ihrer Heimatregion fliehen musste.



Sie hatten wegen des Bürgerkriegs die instabile Region Deir Essor weiter im Osten in der Hoffnung verlassen, in Dschandairis, einem von türkischer Armee und pro-türkischen Rebellen kontrollierten Ort, in Sicherheit zu sein. Für viele Menschen wurde Dschandairis nun aber zur Todesfalle. Etwa 50 Gebäude stürzten dort ein.

Die Lage der Überlebenden in Syrien ist verzweifelt

Das Erdbeben der Stärke 7,8 hatte das türkisch-syrische Grenzgebiet am frühen Montagmorgen getroffen. In den beiden Ländern wurden bereits tausende Todesopfer geborgen.
Caritas-Mitarbeiter zum Erdbeben: "Unübersichtliche Situation"

Die Lage der Überlebenden in Syrien ist verzweifelt. Das Land ist ohnehin schon durch den 2011 begonnenen Bürgerkrieg gezeichnet und in Gebiete, die von der Regierung in Damaskus kontrolliert werden, und in von Rebellen beherrschte Territorien gespalten. Internationale Hilfe für die Erdbebenopfer auf der syrischen Seite der Grenze läuft daher sehr zögerlich an.



Die an den Bergungsarbeiten beteiligten Weißhelme mahnten am Dienstag dringende humanitäre Hilfe aus dem Ausland an. "Die Zeit drängt", erklärte die Nichtregierungsorganisation. "Hunderte Menschen sind immer noch unter den Trümmern verschüttet."

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