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Tricks am Telefon

Polizei schnappt Bande falscher Polizisten, die es auf Senioren abgesehen hatte

  • dpa

  • Mo, 18. Februar 2019, 20:52 Uhr
    Südwest

20 Verdächtige haben Senioren um viel Geld gebracht – nachdem sie sie telefonisch terroisiert hatten. Auf dem Display erschien die "110", doch die Anrufe kamen aus der Türkei.

„Keiler“ nennt die Polizei...die es vor allem auf Senioren absehen.  | Foto: Julian Stratenschulte
„Keiler“ nennt die Polizei betrügerische Anrufer, die es vor allem auf Senioren absehen. Foto: Julian Stratenschulte
Der Polizei ist eine Bande falscher Polizisten ins Netz gegangen, die ältere Menschen um bis zu 500.000 Euro gebracht haben soll. 20 Verdächtige seien vor einer Woche ermittelt worden, teilte der Leiter der Kriminalpolizei Heilbronn, Thomas Schöllhammer, am Montag mit. Drei der mutmaßlichen Haupttäter sitzen in Untersuchungshaft. Zwei weitere Beschuldigte kamen gegen Auflagen frei, einer ist noch flüchtig.

Die laut Polizei bestens organisierte Gruppe agierte in den Bereichen Heidelberg, Heilbronn, Hohenlohekreis, Karlsruhe, Kreis Bergstraße, Ludwigsburg, Mannheim, Pforzheim, Speyer und Sinsheim.

Anrufe mitten in der Nacht

Die Masche der Bande mit 19 Männern und einer Frau im Alter zwischen 16 und 29 Jahren: Im Telefonbuch hatten sie nach älter klingenden Vornamen gesucht, wie Schöllhammer erklärte. Über mehrere Stunden seien die Opfer dann "weichgekocht" worden, oft bei Anrufen mitten in der Nacht. Ihnen wurde weisgemacht, gewaltbereite Einbrecher hätten es auf ihr Erspartes abgesehen – es sei nur sicher, wenn die Polizei es abhole.

Zwölf Taten sind bislang aktenkundig. Bei Durchsuchungen in sieben Objekten in Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wurden Beweismittel gesichert – Goldschmuck, Goldbarren, Münzen, Bargeld und hochwertige Uhren. Mitunter legten verängstigte Menschen laut Schöllhammer ihr ganzes Hab und Gut vor die Haustür.

Psychologisch geschult und sehr sprachgewandt

Die Opfer sind zwischen 63 und 86 Jahren alt. Auf ihren Telefon-Displays erschien die Notrufnummer 110 – tatsächlich kamen die Anrufe allerdings aus der Türkei. Im besten Deutsch setzten "Keiler", wie die Ermittler sie nennen, die Angerufenen unter Druck. Diese "Keiler" seien psychologisch geschult und sehr sprachgewandt, betonte Oberstaatsanwalt Martin Renninger. "Es ist perfide und hochprofessionell gemacht. Kein Wunder, dass die Leute darauf reinfallen."

Eine 72-Jährige übergab Komplizen in Deutschland Geld, Schmuck und Uhren im Wert von mindestens 200 000 Euro – nach Angaben der Polizei könnte der noch nicht endgültig ermittelte Betrag aber sogar bei einer halben Million Euro liegen. Der Fall einer Seniorin in Rheinland-Pfalz ließ die mutmaßliche Bande auffliegen. Eine in Heilbronn eingerichtete Ermittlungsgruppe für falscher Polizisten bekam demnach Wind von dem Vorfall. Die Beamten vermuteten, dass die Beute in Mannheim landen könnte. "Dort gab es den Verdacht, dass sich ein Hehler einquartiert hat als Juwelier", sagte Schöllhammer. Tatsächlich fanden die Beamten dort einen Teil der Beute. Die Täter hatten auch ein Gerät, um Gold einzuschmelzen.

Viele Fälle werden nie angezeigt

Die Gruppe wurde im Oktober 2018 gegründet. In den ersten neun Monaten des Jahres registrierte die Polizei Heilbronn mehr als 600 derartige Fälle. Bei 19 gelang es den Tätern tatsächlich, ihre Opfer hereinzulegen. In Baden-Württemberg wurden in diesem Zeitraum 5000 Fälle angezeigt – gegenüber 1955 Fällen im Jahr 2017, wie aus Zahlen des Innenministeriums hervorgeht. Die Betrugsfälle stiegen demnach seit Ende 2016 sprunghaft an.

Viele Fälle werden nie angezeigt, betont der Präsident des Heilbronner Polizeipräsidiums, Hans Becker. Er rät bei dubiosen Anrufen, umgehend die Polizei anzurufen: "Aber nicht auf die Rückruftaste drücken. 110 wählen und dann ist die Polizei am Apparat." Die Polizei will die Öffentlichkeit gezielt vor Telefonbetrügern warnen. Unter anderem werden auch Taxifahrer und Bankmitarbeiter geschult, auf ältere Menschen zu achten, die auf einmal viel Geld abheben wollen.

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 19. Februar 2019: PDF-Version herunterladen

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