Großbritannien

Prinz Harrys stetige Enthüllungen sind ein Festmahl für Soap-Opera-Fans

"Reserve", die Biografie von Prinz Harry, hat vor ihrem Erscheinen für Wirbel gesorgt – beim britischen Königshaus, in der Presse und Öffentlichkeit. Doch was will der Prinz mit seinen Breitseiten?  

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Prinz Harry  | Foto: Harry: The Interview On Itv1 And (dpa)
Prinz Harry Foto: Harry: The Interview On Itv1 And (dpa)
Während im Vereinigten Königreich das Gesundheitswesen kollabiert, Millionen Menschen sich finanziell kaum über Wasser halten können und die Regierungspartei schon wieder den Regierungschef ersetzen möchte, ist im ganzen Land von etwas ganz anderem die Rede: von Prinz Harrys immer massiveren Angriffen auf die Krone – die Institution, mit der er glaubt abrechnen zu müssen und der er doch immer noch angehört.



Mit den Netflix-Dokumentationen der vergangenen Wochen, seinen Memoiren, die an diesem Dienstag erscheinen (englischer Titel: "Spare"), und einer Vielzahl von Interviews diesseits und jenseits des Atlantiks hat der Zweitgeborene des britischen Königs den Soap-Opera-Fans ein Festmahl serviert. Harry hat den Schleier, der sonst interne Vorgänge und enge Beziehungen bei Hofe umgibt, gründlich gelüftet. Er hat die harsche und manchmal unmenschliche Weise, in der "die Firma" operiert, ans Tageslicht gezerrt – jedenfalls so wie er es erlebte. Und hat dabei seinem Bruder William einige Zacken aus der Krone gebrochen, die der später einmal tragen soll.

Seinem Vater, dem König, hat Harry Gefühlskälte und systematische Manipulation bescheinigt. Seiner Schwiegermutter Camilla wirft er rücksichtslose Methoden beim Griff nach der Krone vor. Auch Schwägerin Kate kriegt ihren Teil ab. Alle steckten sie mit den Medien unter einer Decke und hätten ihn, als er Hilfe brauchte, im Stich gelassen, klagt der Prinz.

Skeptischere Zeitgenossen werfen Harry Geldmacherei vor

Viele Kommentatoren haben sich mit der Flut von Anschuldigungen und mit den Motiven Harrys beschäftigt. Sein Gefühl steter Zurücksetzung, das Trauma des Todes seiner Mutter, seine schwierige Jugend und seine rapide Entfremdung von der Familie nach seiner Verbindung mit Meghan Markle sind ausgiebig beleuchtet worden. Viele seiner Landsleute empfinden inzwischen Mitleid mit dem Prinzen, der sich, im bitteren Bruderzwist, zum Abdriften in die USA "gezwungen" fühlte. Für sie ist Harry jemand, der nach Eintracht ruft und damit zunehmend Zwietracht schafft.

Skeptischere Zeitgenossen werfen dem Prinzen vor, schlicht das große Geld machen zu wollen. Indem sie das Feuerwerk der Attacken am Laufen hielten, sicherten sich Harry und Meghan gezielt ein Vermögen und weltweite Aufmerksamkeit, lautet die Kritik.

Bewusst in Schweigen hüllen sich derweil die von Harry herausgeforderten Hauptakteure der Krone. Für sie macht öffentliche Reaktion wenig Sinn. Dafür schlägt die Rechtspresse in London umso wütender und hemmungsloser zurück dieser Tage. Im Urteil der großen Boulevardblätter hat der "ausgerastete" Prinz glatt Verrat an der Krone begangen.

Er habe seinen armen Bruder zutiefst verletzt, sich komplett lächerlich gemacht und mit unbedachten Worten die eigenen Kinder gefährdet, so der einflussreiche Daily Telegraph. Mit seinem Verhalten habe Harry auf verhängnisvolle Weise auch "die Gesundheit der Königin" beeinträchtigt. Leserinnen und Leser können das nur so deuten: Harry war schuld am Tod der 96-jährigen Queen.

Ohne Titel wäre Harry für Netflix weniger wert

So infam diese Kampagne ist, so sehr liefert ihr Harry immer neue Nahrung. Die Ironie der Geschichte besteht darin, dass der "Rebell gegen die Krone", freiwillig oder unfreiwillig, für mehr Unterhaltung als sonst ein Mitglied des Königshauses sorgt.

Ausgerechnet Harry, so hat es jüngst Jonathan Freedland, Kolumnist des Guardian, beschrieben, erfülle den alten "Vertrag" der Öffentlichkeit mit der Krone, demzufolge das Publikum dafür zahlt, dass eine Familie ein zutiefst gestörtes Leben führt und sich dabei Tag für Tag beobachten lässt – auch wenn Geldgeber und Präsentationsformen andere als früher sind. Kurios ist auch, dass der Prinz so vehement gegen eine Institution anrennt, der er selbst unbedingt weiter angehören will und gern an noch zentralerer Stelle angehört hätte. Ohne seinen Titel wäre Harry für Netflix oder seine Verleger nicht halb so viel wert.

Uneins sind sich die meisten Beobachter in der Frage, welchen Schaden Harry der Krone tatsächlich zugefügt hat oder noch zufügen könnte. Nicht jeder im Königreich glaubt, dass "diese ganze Aufregung" am Ende viel ändern wird. Aber in einer Gesellschaft, in der gerade bei Jüngeren die Sympathie für die Monarchie merklich schwindet, stärkt bitterer Zwist nicht gerade den Respekt für die Institution.



Gespannt warten jetzt auch britische Royalisten darauf, ob König Charles seine Krönungsfeier im Mai der Lage im Lande anpassen wird, um den Stellenwert der Monarchie zu halten. Die Republikaner im Lande sehen sich derweil bestärkt in ihrer Überzeugung, dass ererbte Macht – für alle Beteiligten – etwas ganz Ungesundes ist.
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