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"Wir schaffen das zusammen"

  • Manfred G.

  • Fr, 20. Dezember 2019
    Schülertexte

Drei Insassen der Freiburger Justizvollzugsanstalt erzählen ihre Geschichten – über Methadon, Vatergefühle und Familienbesuche im Gefängnis.

Die Justizvollzugsanstalt (JVA) steht in Freiburg mitten in der Stadt. Drei Insassen erzählen aus ihrem Leben, das sie hinter den dicken Mauern führen.

Mit Methadon gegen die Sucht

Mein Name ist Manfred G. Ich bin 1983 in Freiburg im Breisgau geboren und am 18. Mai 2018 inhaftiert worden. Ich nehme seit September 2018 am Methadonprogramm der JVA Freiburg teil. Hierzu habe ich mich freiwillig entschieden, da ich durch das Programm einen geregelten Tagesablauf habe und keinen Suchtdruck auf andere Drogen verspüre. Das Methadonprogramm in der JVA gibt es schon sehr lange. Es soll den Menschen helfen, von der Droge Heroin wegzukommen. Es hilft aber auch den Patienten, ein geregeltes Leben zu führen.

Um das Methadon zu bekommen, geht man morgens zu seinem Arzt. Bevor man das Methadon bekommt, wird eine Atemkontrolle oder eine Urinkontrolle gemacht. Wenn es vorkommt, dass ein Patient positiv ist, bekommt er erst am nächsten Tag sein Methadon, weil Methadon zusammen mit Alkohol und anderen Medikamenten und Drogen gefährlich ist. Es kann zu Herzrhythmusstörungen kommen und wenn man Pech hat, sogar bis hin zum Tod führen. Ich habe momentan eine Dosis von 8 Milliliter. Das Methadon ist eine durchsichtige Flüssigkeit. Der Arzt mischt meistens etwas Wasser unter, damit es nicht so bitter schmeckt. Vor dem Methadon fühle ich mich schlapp und müde, aber nach zehn Minuten ist das schlechte Gefühl wieder weg und ich kann arbeiten gehen.

Man sollte ein gutes Verhältnis zu seinem Arzt haben und ehrlich sein, sonst macht die Behandlung keinen Sinn. Hat man beispielsweise Stress auf der Arbeit oder in der Familie und damit einen stärkeren Suchtdruck auf andere Suchtmittel, sollte man den Arzt informieren und gemeinsam eine Lösung finden. Ich bin sehr dankbar, dass es das Programm in der JVA gibt und ich einen Ansprechpartner habe, wenn es mir nicht gut geht.

Mir hat das Programm geholfen, wieder klar zu denken, mein Leben zu ordnen, regelmäßig zur Arbeit zu gehen und auf den Beikonsum von anderen Drogen völlig zu verzichten – meine Lebensqualität hat sich sehr verbessert. Ich werde auch draußen weiterhin an einem Methadonprogramm teilnehmen. Das wird mir sehr helfen und mich vor den Gefahren, die von Dealern und der Drogenszene ausgehen, schützen. Außerdem hilft es mir, keine Straftaten mehr zu begehen und auf meine Gesundheit zu achten und für meine Familie da zu sein.

Vaterschaft im Gefängnis

Ich bin stolz auf meinen 14-jährigen Sohn, der jetzt schon so erwachsen ist. Er ist ein Junge mit einem großen Herz für sein Geschwister und seine Familie. Er geht nicht nur zur Schule, sondern nach der Schule auch arbeiten – von Montag bis Samstag fünf Stunden und bekommt 15 Euro. Mit dem Geld kauft er auch für seine Geschwister ein.

Da ich alleinerziehend bin und da ich auch nicht so viel Geld habe, das ich meinen Kindern geben könnte, finde ich es sehr gut, dass er das macht – das macht mich zu einem sehr stolzen, glücklichen Vater.

Für mich ist es aber auch sehr schwierig und ich fühle mich schlecht, dass ich so große Fehler begangen habe und ins Gefängnis gekommen bin. Seitdem leben meine Kinder bei meiner Schwester. Meine Schwester musste ihre Arbeit aufgeben und kümmert sich um meine Kinder. Dass meine Schwester das macht, ist das Beste, was eine Schwester für ihren Bruder machen kann. Was sie für eine Hilfe ist, lässt sich mit Worten nicht ausdrücken. Nur ein Dank reicht nicht aus.

"Papa bleib stark, wir schaffen das!", sagt mein Sohn am Telefon. Wir telefonieren jede Woche einmal für 20 Minuten. Aber mein Sohn sagt auch: "Wann kommst du raus, wir brauchen dich so sehr." Das Schönste, was ein Sohn seinem Vater sagen kann: "Wir brauchen dich Tata und wir schaffen das zusammen."

Familienbesuch im Gefängnis

Für mich ist der Besuch meiner Familie sehr wichtig, aber das Problem ist, dass meine Familie nicht kommen kann, weil sie in Kosovo wohnen und ohne Visum nicht einreisen können. Für mich ist es schwer, hier alleine zu bleiben und meine Familie nicht als Unterstützung um mich zu haben. Ich habe zwei Gefangene gefragt, wie wichtig ihnen der Familienbesuch ist und wie es ihren Familien damit geht. Hier das kurze Interview:
Zischup: Wer kommt Sie hier im Gefängnis besuchen?
Person 1: Zu Besuch kommen meine Mutter und meine Schwester.
Person 2: Mich besucht meine Mutter, meine Frau und manchmal kommt mein Sohn.
Zischup: Wie fühlen Sie sich, wenn die Familie Sie besucht?
Person1: Ich fühle mich ziemlich gut, weil ich meine Familie sehen kann und dann weiß, dass es ihnen gut geht, und das bringt mir ein bisschen Ruhe.
Person 2: Eigentlich gut. Wenn ich meine Familie sehe, bin ich erleichtert und weiß, dass es ihnen gut geht und das macht mich sehr glücklich.
Zischup: Wie fühlen Sie sich nach dem Besuch?
Person 1: Ich fühle mich danach sehr glücklich, weil ich merke, dass meine Familie glücklich ist, dass sie mich gesehen haben.
Person 2: Ich weiß nicht, einerseits fühle ich mich glücklich, andererseits traurig, weil sie gehen und ich nicht dabei bin. Aber ich bin auch froh, dass sie wiederkommen.
Zischup: Und wie fühlt sich Ihre Familie?
Person 1: Sie fühlt sich traurig und gleichzeitig glücklich, traurig, weil ich hierbleibe und sie gehen, und glücklich, weil sie wissen, dass es mir gut geht und ich gesund bin und auch weil ich bald entlassen werde.
Person 2: Meine Familie fühlt sich sehr traurig. Für sie ist es lang, zwei Wochen zu warten, bis sie wieder zu Besuch kommen können.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 20. Dezember 2019: PDF-Version herunterladen

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