Sahnehäubchen süßer Gefühle

Das schwedische Popduo Roxette vor Freiburger Publikum.  

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"Imagination, Creation, Dimension. It could be the solution!" Was auch immer diese seltsame Wortreihe bedeuten mag: Bianca, 20 Jahre jung, vertritt diese Botschaft jedenfalls auf ihrem hautengen T-Shirt. Sie ist mit Freund Marco extra aus Kempten angereist, um an diesem Samstagabend in der Freiburger Stadthalle gemeinsam mit dem Popduo Roxette die bestandene Gesellenprüfung zu feiern.

"Das schwedische Duo hat einen festen Platz in meinem Herzen", sagt Bianca und streift sich eine quietschrote Haarsträhne aus dem Gesicht, zieht an der selbstgedrehten Zigarette und fügt hinzu: "Silver Blue vom Album Tourism ist mein Lieblingssong." Dass sie damit nicht allein dasteht, sieht man in der - zwar nicht ausverkauften, aber doch ordentlich vollen Stadthalle. Selbst die knackigen Preise an der Abendkasse, der Stehplatz wurde für 80 Mark angeboten, hielt die Leute nicht davon ab, Marie Fredriksson und Per Gessle live sehen, hören und fühlen zu wollen.

Kein Wunder tat sich da die Vorgruppe Bell, Book and Candle schwer, den Saal für sich zu gewinnen. Bell, Book and Candle, zu Deutsch Glocke, Buch und Kerze, - die Insignien schwarzer Magie -, fanden kein Zaubermittel, um Stimmung in die wartende Menge zu bringen: mit verschränkten Armen und ausdrucksleerem Gesicht verharrt das Publikum bis zum Hauptact. Den Grund für dieses wenig offene und schon gar nicht gut gelaunte Verhalten, kann man als markigen Spruch auf dem verwaschenen Pullover des pferdezopfigen Vordermanns lesen: "Pass auf, wessen Lied man singt, damit das Zusammenleben gelingt."

Um nach Bell, Book and Candles Scheitern das Zusammenleben mit den ersehnten Roxette zu fördern, wird nach der Vorgruppe, die Stimmung von drei Animateuren systematisch aufgelockert. Nach fünfminütigem La-Ola-Wellen-Crashkurs kann dann endlich auch der letzte Konzertbesucher seine steifen Arme aus der Verknotung lösen und die Stunde von Roxette ist gekommen: Lichteffekte, ein Gitarrensolo und die beiden Schweden strahlen mit ihrer fünfköpfigen Band von der Bühne. "Crush on you", ist augenscheinlich der richtige Einstieg, um das Publikum zum freien Lauf der Gefühle zu animieren. Marie's Geständnis an das Freiburger Publikum, "it feels so good in my heart to see you", ist dann der Auftakt für den emotionsgeladenen Roxette-Klassiker "Listen to your heart". Ein Meer von Wunderkerzen und leuchtenden Feuerzeugen formt den lautlosen Ruf nach dem Einverständnis von viel Gefühl, banal und allgemein verständlich: "Hör' auf dein Herz, wenn es dich ruft."

"Ich muss dabei immer an alte Liebschaften denken, die ich lieber nicht hätte haben sollen." Corinna, 23 Jahre

Nach diversen Herzschmerzeinlagen, kommen Roxette dann mit ihrem zweiten Anliegen an die Fans rüber: "Seid stark, habt Power und lebt euer Leben". Und mit "Dressed for Success" und "Sleepin' in my car" finden sie ganz augenscheinlich auch den Powerknopf. Der Adrenalinspiegel im Saal steigt spürbar. Auch die 14-jährige Jenny, deren Leidenschaften offensichtlich Roxette und Vanilleparfüm sind, gibt alles. Und die Umgestehenden, alleine schon von Jennys süßem Duft inspiriert, werden mitgerissen. Während Jenny für energiegeladenen Hüftschwünge sorgt, hüpft die 40-jährige Marianne auf die Schultern ihres Lebensgefährten Hans.

"Sleepin' in my car - das ist unser Lied", strahlt Marianne. "Wir schlafen wirklich miteinander in unserem Auto. Und wir mussten immerhin 20 Jahre dafür arbeiten, um uns diesen Luxus leisten zu können." An diesem Sonntagabend wird den letzten zwei Jahrzehnten ansonsten wenig Beachtung geschenkt, alle sind jetzt peppig und spritzig. Obwohl die überbeanspruchten Beine des im Geiste jung gebliebenen Publikums immer energischer eine Ruhepause verlangen. Aber erst als auch Marie und Per sich die Make-up-getrübten Schweißperlen von der Stirn wischen müssen, beruhigen sich Freiburgs Roxette Fans. Mit ihrer aktuellen Ballade "Milk and toast and honey" führt das skandinavische Duo seine Fans in das Paradies, in dem Milch und Honig fließen. Der blaue Himmel mit bauschigen Schäfchenwolken, im Hintergrund auf eine Leinwand projiziert, rundet das harmonische Bild ab. Überhaupt geht bei Roxette viel über Bilder und Gefühl.

Die häufig nicht sehr tiefsinnigen Texte (wer wollte denn schon den ganzen verregneten Samstag mit Honigtoast und Milch im Bett verbringen?) sind vermutlich einer der Gründe für ihre Beliebtheit. Mit schlichten Bildern, unterstützt von süffigen Melodien, erreichen Roxette die tiefsten Tiefen des Herzens. Zum Beispiel Corinna, 23 Jahre: "Ich muss dabei immer an alte Liebschaften denken, die ich lieber nicht hätte haben sollen." Kein Wunder bei Songs wie "Must have been love" oder "You don't understand me". Nach ungefähr zwei Stunden geht der Roxette-Zauber dem Ende zu. Silberregen und riesige, bunte Luftballons, die auf das Publikum herab schweben, sollen das Sahnehäubchen auf dem Erdbeereis der Gefühle symbolisieren. "Roxette sind einfach fantastisch, ich kann sie jeden Tag hören", sagt der 27-jährige Paul, "nur nicht 24 Stunden am Stück." Aber es ist ja ohnehin nicht gesagt, dass so ein süßes Dessert überhaupt jedem schmecken muss.

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