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0:1-Niederlage

SC Freiburg gegen St. Pauli: Zermürbt von den Bollwerkern

René Kübler
  • So, 25. Oktober 2015, 18:15 Uhr
    SC Freiburg

     

Der SC Freiburg hat die Chance verpasst, sich in der zweiten Liga von den Verfolgern abzusetzen. Der FC St. Pauli trieb ihn mit konsequenter Defensivstrategie in die Lethargie – und schlug am Ende zu.

Marc Rzatkowski (11) erzielt  das 1:0 ...chwolow können nicht mehr eingreifen.   | Foto: heuberger
Marc Rzatkowski (11) erzielt das 1:0 für St.Pauli, Nicolas Höfler und Torhüter Alexander Schwolow können nicht mehr eingreifen. Foto: heuberger
Sogar der Hamburger Nieselregen hatte sich verzogen, Platz für blauen Himmel und angenehme Sonnenstrahlen gemacht. Die äußeren Bedingungen für ein Spitzenspiel in der zweiten Bundesliga hätten besser nicht sein können. Das Blöde war nur, dass sich der FC St. Pauli nicht zu den Besten der Liga zählt. Zumindest Ewald Lienen vertritt diese Meinung vehement. Entsprechend verpasste der Trainer seiner Mannschaft eine Taktik, die durchaus angemessen ist, wenn man gegen den Ligaprimus spielt. Obgleich es schon ein wenig enttäuschend war, wie destruktiv die Heimelf am Millerntor zunächst agierte.

Tief in der eigenen Hälfte lauerten die Paulianer einzig darauf, den Freiburger Spielfluss zu beeinträchtigen – egal, mit welchen Mitteln. Schön anzusehen war das schlichte Ball-nach-vorn-Geklopfe der Heimelf nicht. Aber so etwas muss man wohl in Kauf nehmen, wenn man das "Maß der Dinge" (Lienen über den Sportclub) in seiner Spielklasse ist. "Wir mussten uns so kompakt in der eigenen Hälfte aufbauen", rechtfertigt Lienen später das nicht sonderlich charmante Vorgehen.

Es fehlte die Handlungsschnelligkeit im Umschaltspiel

Ganz abgesehen davon erzielten die Hamburger mit ihrem konsequenten Bollwerken den gewünschten Effekt: Die Gäste hatten Mühe, ihre fußballerische Begabung effektiv einzusetzen. Sie verzeichneten zwar jede Menge Ballbesitz und taten sich auch in der Balleroberung hervor. Was ihnen aber fehlte, war Handlungsschnelligkeit im Umschaltspiel. Nur damit hätten sie sich selbst Spielräume verschaffen können. Zudem mangelte es den Freiburger Offensivzügen an Präzision.

Zwei erwähnenswerte Torchancen durch Amir Abrashi (33.) und Vincenzo Grifo (44.) – mehr gab die optische Überlegenheit nicht her. Dass die Gastgeber zufällig um ein Haar selbst in Führung gegangen wären, soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Einen ihrer Befreiungsschläge unterschätzte Marc-Oliver Kempf, Lennart Thy prüfte SC-Torhüter Alexander Schwolow mit einem Schuss aus spitzem Winkel (26.) (Liveticker zum Nachlesen).

Frust entlud sich gegen den Schiedsrichter

"Man hat im Spiel gemerkt, dass bei uns nach vorne nicht so viel geht", berichtet Nils Petersen. Und weil ihn dieses Gefühl einigermaßen frustrierte, hatte der Torjäger auf dem Platz zu anderen Mitteln gegriffen, verbal ausgeteilt, vor allem gegen die Unparteiischen. Untypischerweise. "Wenn ein Spiel so umkämpft ist, muss man auch mal austeilen", erklärt Petersen seine Intension. "Über Emotion ins Spiel finden", nennt er das.

Ein Plan immerhin, womöglich sogar kein schlechter. Nur an der Umsetzung haperte es. Zumindest auf Freiburger Seite. Beim FC St. Pauli war dagegen nach der Pause ein Wandel zu sehen, ein Strategiewechsel womöglich. Hatte Ewald Lienen beschlossen, den Seinen doch eine Mitspielerlaubnis zu erteilen? Eher nicht, glaubt man Pauli-Stürmer Lennart Thy. "Wir wollten eigentlich von Anfang an so spielen", bekannte er.

"Wir haben einfach blind ’ne Flanke reingehauen." Lennart Thy zum Siegtreffer
Dass die Hamburger mit Verspätung zum gleichwertigen Spielpartner wurden, hatte vermutlich mehr mit dem Gegner zu tun als mit der taktischen Wandlungsfähigkeit des Kiez-Klubs. Der Sportclub verfiel in den zweiten 45 Minuten – womöglich zermürbt vom erfolglosen Anrennen – in eine merkwürdige Lethargie.

Plötzlich war der FC St. Pauli die bessere, weil aktivere Elf. Wie beim Auswärtsspiel in Karlsruhe (1:1) hielten sich zu viele SC-Akteure aus dem Geschehen raus. Hatten sie in Halbzeit eins noch ein Gegenpressing geboten, das Ewald Lienen mit Lob geradezu überhäufte ("überragend, erstligareif"), so überließen sie danach dem Gegner zu häufig die Initiative. Und die Probleme bei eigenem Ballbesitz verstärkten sich noch. Anspielstationen wurden rar, es gab Phasen im Spiel, in denen die Freiburger Offensive geradezu inexistent zu sein schien. Die einzig gefährliche Szene produzierte der SC, als Maximilian Philipp im Laufduell mit Marc Hornschuh im Strafraum zu Boden ging, Schiedsrichter Peter Sippel aber nicht auf Elfmeter entschied.

SC-Coach Streich reagierte zu spät

Ein Fehler, wie Trainer Christian Streich behauptete. Doch das Hauptproblem seines Teams war die Passivität. "Pauli hat gemerkt, dass da was gehen kann gegen Freiburg", schildert Petersen seine Eindrücke. Das dürfe nicht passieren. Auch deshalb war es etwas rätselhaft, warum Streich erst in der 89. Minute reagierte, zunächst Tim Kleindienst, danach noch Julian Schuster und Lucas Hufnagel einwechselte. Es habe grundsätzlich gepasst, erklärt er sein Zögern: "Ich hatte den Eindruck, dass wir insgesamt stabil sind." Doch dieser Eindruck täuschte. Nach einem Einwurf habe man einfach mal "blind ’ne Flanke reingehauen", beschreibt Lennart Thy das eher zufällige Zustandekommen des Siegtreffers für St. Pauli kurz vor Schluss (Fotos).

Er selbst hatte daraufhin geschossen, Schwolow zur Seite abgewehrt und der wache Rzatkowski zum 1:0 abgestaubt. "Da hatten wir schon Glück, dass das Ding da reinfliegt", räumt Ewald Lienen ein. Schämen will er sich dafür nicht. Auch nicht für die Spielweise seiner Mannschaft. Selbst Christian Streich findet sie legitim. Wer aufsteigen will, muss damit klarkommen.

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Ressort: SC Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 26. Oktober 2015: PDF-Version herunterladen

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