"Scheiß-Türke" sagt keiner ungestraft

Ausländische Kinder berichten über ihre Kämpfe und ihre Ängste / In der Schule geht's manchmal ganz schön zur Sache.  

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OFFENBURG. "Für eine offene Stadt. Für ein offenes Land" ist das Motto einer Kundgebung gegen Rassismus am 21. März (siehe Info-Box). Das Thema Fremdenfeindlichkeit beschäftigt auch die Jugendredaktion. Mit einer Gruppe junger Ausländer haben die JUZ-Reporterinnen Natascha Einhart, Fatma Dogan und Klari Mallick im "Bunten Haus" über deren Erfahrungen gesprochen.

Ein 15-jähriges türkisches Mädchen wird von einer Gruppe 17-Jähriger angegriffen. Der Freund ihrer Schwester kommt ihr zur Hilfe, aber auch er hat keine Chance - und die Aufsichtslehrerin schaut zu.

So hat es Erchan (10), dessen Eltern aus der Türkei kommen, in der Bravo gelesen. "Ich finde es unfair und feige, wenn so viele auf ein kleines Mädchen losgehen. Selbst habe ich so etwas noch nicht erleben müssen." Darüber kann er wirklich froh sein. Beschimpfungen und Schlägereien zwischen deutschen und ausländischen Kindern sind Schulalltag. JUZ hat im Bunten Haus, das von Inge Pfirrmann geleitet wird, Kinder unterschiedlicher Herkunft zum Thema Ausländerfeindlichkeit befragt.

"In unserer Gruppe gibt es keinerlei Vorurteile", so der elfjährige Glenn, dessen Vater aus Schottland stammt. "Wir beschimpfen uns zwar auch manchmal, aber das ist nicht ernst gemeint, und wir vertragen uns auch gleich wieder." Als "Spaßkämpfe" bezeichnen die sechs Jungs ihre Raufereien.

In der Schule musste Salah (11) aber auch schon andere Erfahrungen machen. Obwohl er in Offenburg geboren ist, seine Eltern aber aus Marokko kommen, wird er als "Ausländer" beschimpft. Er empfindet dies selbst als Schimpfwort, wehren kann er sich aber nicht dagegen. "Die Kinder, die so was zu mir sagen, sind aus höheren Klassen, da trau' ich mich nicht, mich zu verteidigen."

"Ich hasse es, wenn meine Freunde als Kanacken beschimpft werden" Julian

"Wenn mich ein Deutscher in der Schule als Scheiß-Türke beschimpft, schnappen meine Freunde und ich ihn uns nach der Schule. Eigentlich ist das nicht in Ordnung, aber sonst kapieren sie's nicht", so wehrt sich Seyhmos (11) gegen diskriminierende Sprüche. Schade, dass er glaubt, man könne das Problem in seiner Schule gewaltsam aus der Welt schaffen. Aber nur so fühlt er sich stark und respektiert.

Für Erchan sind die Aufsichtslehrer ein Schutz vor anderen. Er wurde wegen seiner türkischen Herkunft bedroht. "Was blieb mir anderes übrig, als zu einem Erwachsenen zu flüchten? Die hätten mich sonst verprügelt."

Aytac (11) erzählt, dass es auch unter Ausländern häufig solche Konflikte gibt. Beim Spielen wurde er von einem Russen geschüttelt, weil er dessen Fußball weggeschossen hatte. Und auch dieser beschimpfte ihn als "Scheiß-Türke".

Philipp (27) ist Sozialarbeiter und betreut die Kinder und Jugendlichen im Bunten Haus. Er glaubt, dass viele Probleme mit Mitschülern und auch Lehrern entstehen, weil einige seiner Schützlinge eine ganz schön große Klappe haben. Damit wird auch er manchmal konfrontiert, denn die Jungs lassen sich nicht alles gefallen.

Julian (11) sieht keine Unterschiede zwischen seinen deutschen und türkischen Freunden. Er selber ist Deutscher und beobachtet den ständigen Kampf um Gleichberechtigung eher mit Abstand. "Ich hasse es, wenn meine Freunde als Kanacken oder ähnliches beschimpft werden, aber ich kann nichts dagegen tun, denn ich habe Angst, selbst mals rangenommen zu werden."

Leider gibt es Diskriminierung nicht nur unter Jugendlichen. "Ich spielte mit meinen Freunden Fußball bei uns in der Straße und wir tranken Pepsi. Eine ältere Frau kam vorbei und rief zu uns, wir sollen in unser Land zurückgehen und den Deutschen nicht alles wegtrinken." So hat es Salah erlebt . (Zu schade, dass die alte Dame nicht gleich erfahren hat, dass Pepsi kein deutsches Getränk ist).

Ein Vorteil, den die Jungs aus ihrer Herkunft ziehen können, ist ihre zweisprachige Erziehung oder sogar - wie Salah - dreisprachig. Da seine Eltern aus Marokko stammen und man dort zum Teil auch Französisch spricht, hat er diese Sprache auch schon früh lernen können. Im Kindergarten fiel es den Jungs aber umso schwerer, sich zu integrieren, da ihr Deutsch manchmal noch nicht so gut war wie heute. "Ich wurde oft geärgert, weil ich mich nicht verständigen konnte", sagt Erchan über seine Zeit im Kindergarten.

Auf die Frage, ob die Jungs lieber in ihrer Heimat als in Deutschland leben möchten, bekommen wir verschiedene Antworten. Viele der Kinder kennen das Land, in dem ihre Eltern aufgewachsen sind, nur aus dem Urlaub und können nicht richtig einschätzen, wie der Alltag dort aussehen würde. Sie stellen sich den Strand vor, an dem sie den Urlaub verbracht haben.

Seyhmos sagt uns, er möchte lieber in der Türkei wohnen, obwohl er sie nur aus Erzählungen kennt. Salah hat auch schon gehört, dass die Schulen in der Türkei viel strenger sind als in Deutschland und dort möchte er eigentlich nicht hingehen. Eigentlich sollten sich die Jungs in Deutschland heimisch fühlen können, denn schon ihr deutscher Pass lässt sie ja dazugehören.

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