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Schneemangel

Schneemangel führt zu Problemen in den Alpen

  • Christiane Oelrich (dpa)

  • Sa, 04. März 2017
    Panorama

     

Wissenschaftler befürchten, dass extremer Schneemangel wie im Dezember schwerwiegende Folgen für die alpine Natur hat.

Skifahrer stehen bei einer Schneekanon...d aus Kunstschnee in Arosa (Schweiz).   | Foto: dpa
Skifahrer stehen bei einer Schneekanone auf einem dünnen Band aus Kunstschnee in Arosa (Schweiz). Foto: dpa

GENF (dpa). Der Dezember 2016 war in den Schweizer Alpen der trockenste seit Beginn der Aufzeichnungen vor mehr als 150 Jahren. Wissenschaftler schauen sorgenvoll auf Flüsse, Wälder und Pflanzen – im Winter tankt die alpine Natur eigentlich auf. Die Schneeschmelze sorgt im Frühjahr dann für eine Wassersättigung des Bodens, normalerweise. Weniger Schnee ist für den Naturkreislauf ein Problem.

» Pflanzen: "Schnee, der nicht fällt, kann nicht schmelzen, der Boden erhält zu wenig Wasser und trocknet dann viel zu schnell aus", sagt Biologe Laudo Albrecht von der Naturschutzorganisation Pro Natura. Manche Pflanzen würden womöglich ein Jahr gar nicht blühen. Eine solche Ruhepause sei ab und an kein Problem. "Die Pflanzen überdauern mit unterirdischen Sprossen und blühen im nächsten Jahr wieder", sagt er. Schwierig werde es, wenn daraus ein Trend werde.

Durch die langfristige Erwärmung und eine im Durchschnitt frühere Schneeschmelze wandern aber viele Pflanzenarten in höhere Gefilde. Auf dem 3410 Meter hohen Piz Linard fand ein Botaniker 1835 nur eine Pflanzenart auf dem Gipfel, jetzt seien es 16, sagt Biologe Christian Rixen vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos. "Das ist an sich kein Problem, aber es ist eine Frage der Konkurrenz: Wenn kräftigere und größere Arten sich in höheren Lagen ausbreiten, könnte das dort ansässige alpine Spezialisten auf lange Sicht verdrängen", sagt er. "Das Aussterben von Arten ist immer etwas Negatives." Solche Spezialisten, die tiefe Temperaturen und eine lange Schneebedeckung aushalten, sind etwa das Alpenmannschild (Androsace alpina) oder der Gletscherhahnenfuß (Ranunculus glacialis).

Wald: Die Bäume bekommen nicht genug Feuchtigkeit. In den Föhrenwäldern im Oberwallis bei Brig und Visp sind die Folgen nach einem ungewöhnlich heißen Sommer 2015 und einer extrem trockenen zweiten Jahreshälfte 2016 schon zu sehen. "An einigen Stellen sind 20 bis 40 Prozent der Bäume abgestorben oder im Sterben begriffen", sagt Biologe Arthur Gessler von der Schweizer Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). "Wenn wir weiter solche Trockenheit erleben, könnte das Föhrensterben im Wallis weitergehen, weil dort die Föhre in vielen Lagen schon jetzt an ihrer Trockengrenze wächst."

Im Bereich des Schutzwaldes ist die Stabilität der Hänge in Gefahr, wenn dort Föhren absterben. Langfristig regeneriere sich der Wald, etwa mit Flaumeichen, die bei geringerem Wasservorrat gedeihen können. Es dauere aber 30 bis 40 Jahre, bis sich aus jungen Eichen ein richtiger Wald regeneriere.

» Flüsse: Nach einem sehr schneearmen Winter 2006/07 und einem weiteren schneeschwachen Jahr 2011 war der Dezember 2016 sehr außergewöhnlich, sagt Massimiliano Zappa, Hydrologe bei WSL. "Auf die gesamte Schweiz bezogen dürften durch den trockenen Dezember und die ausbleibenden Schneefälle bis Ende Februar bei normalen Regenfällen im Laufe des Jahres immer noch pro Quadratmeter rund 100 Liter Wasser fehlen."

Die Folgen sind problematisch und weitreichend: Es fließe zu wenig Wasser in die Flüsse, Talsperren füllten sich nicht, Flusskraftwerke könnten weniger Strom produzieren. Gewässer mit niedrigem Wasserstand wärmten sich bei Sonneneinstrahlung zu sehr auf. "Die Sterblichkeit von Forellen ist bei mehr als 24 Grad Wassertemperatur sehr hoch", sagt Zappa. Es gibt in der Schweiz Vereine, die bei solchen Lagen Fische retten und in kühlere Gewässer bringen.
Gletscher:
Biologe Laudo Albrecht leitet seit Jahrzehnten das Pro-Natura-Zentrum Aletsch. Er beobachtet den extremen Rückzug des Gletschers mit Sorge: "Dadurch ist der Hang in Bewegung geraten." Das Gebiet wurde wegen der Gefahr durch Steinschlag gesperrt. Außerdem hätten sich teils mehrere Meter breite Spalten aufgetan. Zwar sei ein Teil des Aletschwaldes dadurch nicht mehr zugänglich. Das habe aber auch eine positive Seite: Innerhalb des gesperrten Gebietes entstehe eine Ruhezone für Wildtiere. Pflanzen könnten sich ungestört in dem Bergsturzgebiet ansiedeln. Das Klima hat sich in alpinen und arktischen Regionen stärker erwärmt als in anderen Ökosystemen. Im Vergleich zu 1970 beginne die Schneesaison heute 12 Tage später und ende 25 Tage früher, heißt es in einer SLF-Studie.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 04. März 2017: PDF-Version herunterladen

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