Unternehmer
Der Frust des Martin Herrenknecht oder die Posse um entwendete Blumenkübel
Als Tunnelbauer ist Martin Herrenknecht genial, als Mensch kantig. Jetzt legt sich der Unternehmer mit einer eigenwilligen Aktion in seinem Heimatort Allmannsweier quer. Was treibt ihn an?
So, 19. Okt 2025, 7:00 Uhr
Schwanau
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Da stehen die Streitobjekte, wie an einer Perlenkette aufgereiht. Hölzerne Pflanzenkübel, nicht mal hüfthoch, umfasst von zwei Metallringen, oben ragen verschiedene Sträucher heraus. Ein wenig gerupft sehen die aus, nun ja, es ist Herbst. Eigentlich sollten die Kübel im Schwanauer Ortsteil Allmannsweier in einer neuen Tempo-30-Zone den Verkehr beruhigen. Auf zwei Durchfahrtsstraßen sollten sie dort vor und hinter strategisch angelegten Parkbuchten Autofahrer zum Slalomfahren und mehr Achtsamkeit zwingen. Die Gemeinde wollte so dafür sorgen, dass Autos hier tatsächlich das Tempo drosseln – oder auf eine nahe Umgehungsstraße ausweichen. Anwohner hatten sich die Verkehrsberuhigung gewünscht, der Gemeinderat hat sie beschlossen.
Der Allmannsweier Tunnelbau-Unternehmer Martin Herrenknecht aber hat die Kübel abräumen und einen Teil davon hierher, auf sein Firmengelände am Ortsrand, bringen lassen. Einen anderen Teil ließ er vor das Schwanauer Rathaus stellen. Aus Protest. Herrenknecht sieht in den Kübeln so etwas wie den jüngsten Schildbürgerstreich einer ausufernden Bürokratie. Er hält sie für gefährliche Verkehrshindernisse, die seine Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit gefährden. "Ich hab' die Schnauze voll. Wir reden über Bürokratieabbau – und dann so etwas", sagt er.
Martin Herrenknecht ist in Allmannsweier nicht irgendwer. Er stammt aus dem Ort, ging als junger Maschinenbau-Ingenieur in die Schweiz, kam zurück mit einer Idee, wie man Schächte und Tunnel besser durch die Erde treiben könnte. 1977 gründete er ein eigenes Unternehmen mit 25.000 D-Mark, die ihm seine Mutter geliehen hatte. Ein Jahr dauerte es, bis er den ersten Käufer fand. Es ging los mit Maschinen für die Kanalisation und Wassertunnel. Heute ist die Herrenknecht AG Weltmarktführer bei sogenannten Vortriebsmaschinen, die sich überall dort, wo Tunnel gebaut werden, durch die Erde oder den Fels arbeiten. Das Unternehmen hat rund 5000 Mitarbeiter weltweit und einen Jahresumsatz von rund 1,2 Milliarden Euro. In Südbadens Wirtschaft ist Martin Herrenknecht eine große Nummer, auch politisch ist er bestens vernetzt.
In Allmannsweier befindet sich der Stammsitz der Herrenknecht AG
Seinem kleinen Heimatort aber ist der Unternehmer stets treu geblieben. Hier befindet sich der Stammsitz der Herrenknecht AG. Das weitläufige Werksgelände mit den großen Hallen ist weithin sichtbar, gut 2000 Beschäftigte arbeiten dort – mehr als Allmannsweier Einwohner hat. Im Rathaus von Schwanau schätzt man den 83-jährigen Tunnelbauer als großzügigen Unterstützer von Sportvereinen und Kultur. Auch finanziell profitiert die Gemeinde von dem Unternehmen. Erst im September hat die Evangelische Landeskirche in Baden Martin Herrenknecht mit dem Gemeinsinn-Preis ausgezeichnet, der an Persönlichkeiten geht, die sich auf vorbildliche Weise für die Kirche und Gesellschaft engagieren. In Allmannsweier stiftet er seit Jahren eine Pfarrstelle.
Derzeit freilich stößt der Gemeinsinn des Tunnelbauers an Grenzen. Dass sich in Allmannsweier die Anwohner der Stubenstraße und des Herrenwegs, durch die auch viele Mitarbeiter der Herrenknecht AG zu ihrer Arbeit fahren, weniger Durchgangsverkehr wünschen, mag der Firmenchef noch nachvollziehen. Gegen Tempo 30 habe er nichts, sagt er. "Aber die Kübel müssen weg." Die seien für ihn "ein rotes Tuch". Bei Nebel seien die kaum zu sehen. Er hält die Kübel, in denen ein Betonkern steckt, für "irrsinnige Verkehrshindernisse". So hat er seine Wegräum-Aktion in einem Schreiben an seine Mitarbeiter begründet. Vor gut einer Woche ließ er die Dinger einfach abholen.
Bürgermeister Marco Gutmann wäre eine einvernehmliche Lösung am liebsten
Seither gibt es Streit zwischen dem eigensinnigen Unternehmer und den Behörden, auch wenn man das im Rathaus von Schwanau so nicht nennen will. Bürgermeister Marco Gutmann wäre eine einvernehmliche Lösung erkennbar am liebsten. Man ist im Gespräch. "Wenn das aber nicht funktioniert, bin ich in der Pflicht, Recht und Ordnung herzustellen", sagt Gutmann.
Im Rathaus verweist man darauf, dass man ohnehin überprüfen wollte, ob die bisherigen Maßnahmen ihren Zweck erfüllen oder optimiert werden könnten. Bisher etwa erhöhen nur kleine Reflektoren die Sichtbarkeit der Pflanzenkübel. Und einige Anwohner hatten Schwierigkeiten, zwischen das am Beginn und Ende von Parkbuchten aufgestellte "Straßenmobiliar" einzuparken. Doch es gibt auch empörte Anrufe, in denen die Pflanzenkübel zurückgefordert werden. Und mindestens ein Bürger erstattete Anzeige.
Martin Herrenknecht gibt sich derweil stur. Dass es öffentliche Anhörungen und eine demokratische Abstimmung im Gemeinderat über die Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung gab, interessiert ihn nicht. Sollte man die Pflanzenkübel in der Tempo-30-Zone wieder aufstellen, werde er sie wieder abräumen lassen, sagt er. Die seien dann am nächsten Tag beim Landratsamt.
Herrenknecht beklagt eine Gefährdung seiner Mitarbeiter
Fragt man ihn, was ihn an den Pflanzenkübeln so stört, dann verweist er auf eine, wie er es sieht, Gefährdung seiner Mitarbeiter auf deren Weg zur Arbeit. Doch er schimpft schnell auch über überbordende Bürokratie und Blockierer in Deutschland allgemein. Für ihn scheint es Macher und Schaffer zu geben, die das Land voranbringen wollen. Und dann jene, die alles verhindern. Herrenknecht würde gern in Allmannsweier ein neues Logistiklager bauen, um weiter wachsen zu können. Neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Doch die Baugenehmigung lässt auf sich warten. Die Wirtschaft ankurbeln geht nicht, aber einen Hindernisparcours aus einer Straße machen, das geht. Man ahnt, wie sehr ihn das nervt. Jetzt sollen die "Sesselfurzer endlich mal merken, worum es geht in Deutschland".
Vielleicht bekommt Allmannsweier jetzt einfach den geballten Frust ab, der sich in Martin Herrenknecht seit langem aufstaut. So gute Drähte er zu Politikern hat, so schlecht ist er auf sie zu sprechen. "In der Schweiz ist die Geologie ein Fiasko, die Politik sehr seriös. In Deutschland ist es umgekehrt", sagte der Tunnelbauer voriges Jahr auf einer Mittelstandskonferenz. Mit dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder konnte Herrenknecht gut, mit Olaf Scholz überhaupt nicht. Mit der CDU-Kanzlerin Angela Merkel hatte er erhebliche Differenzen, ließ vorübergehend seine Parteimitgliedschaft ruhen. Unter Merkel war ihm die CDU zu weit nach links gerückt. Den aktuellen Kanzler Friedrich Merz schätzt er, doch von dessen Regierung scheint er auch enttäuscht. Da mag es verlockend sein, ein paar Hindernisse selbst aus dem Weg zu räumen. Auch wenn es nur Pflanzenkübel sind.