So naiv – und so mutig
DRAMA: "Die Frau, die vorausgeht" ist Western und Liebesgeschichte zugleich.
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Obwohl belesen und klug, hat sie keine Ahnung, worauf sie sich da eingelassen hat: Weldon trifft in North Dakota auf weiße Siedler und Soldaten, die die Indianer vernichten wollen, in dem sie ihre Traditionen verbieten, ihre Büffel töten, ihr Land parzellieren und sie in Reservate einsperren. Und weil diese Siedler und Soldaten nicht nur die Indianer hassen, sondern jegliche Sympathie und jegliches Engagement für die Ureinwohner Amerikas missbilligen, verachten sie auch diese Frau, die ohne Zweifel auch mutig genannt werden kann.
Drehbuchautor Steven Knight hatte ein real existierendes Vorbild für Catherine Weldon: Caroline Weldon, eine aus Kleinbasel stammende schweizerisch-amerikanische Bürgerrechtlerin und Künstlerin, die in der Tat Porträts in Öl von Sitting Bull malte und sich für die Rechte der Indianer einsetzte. Das war es aber dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten der historischen Caroline und der fiktiven Catherine. Macht nichts. Regisseurin Susanna White hat mit "Die Frau, die vorausgeht" einen Film geschaffen, der ein wenig Western und ein wenig Liebesgeschichte ist, aber vor allem ein Emanzipationsdrama ohne Happyend.
Ja, diese von Jessica Chastain sehr zurückhaltend und glaubwürdig gespielte Catherine Weldon ist naiv. Aber sie ist es doch eher im Schiller’schen Sinne – als Mensch mit einem Herzen "voll Unschuld und Wahrheit". In den Westen aufgemacht hat sie sich im Bewusstsein, gegen ihre eigene Bedeutungslosigkeit als Ehefrau und Tochter in einer Gesellschaft ankämpfen zu müssen, in der ausnahmslos Männer das Sagen haben. Im Indianerreservat freilich trifft Weldon auf Frauen, Männer und Kinder, die einen noch sehr viel existenzielleren Kampf kämpfen – und ihn verlieren, weil weiße Männer ihre (Über-)Macht gnadenlos ausspielen. Sitting Bull (fast melancholisch: Michael Greyeyes) und Catherine Weldon sind also zwei Menschen, die auf sehr ähnliche Weise verletzt worden sind – und noch werden. Aus der Geschichte wissen wir, dass das Massaker an den Indianern bei Wounded Knee Ende Dezember 1890 den letzten Widerstand der Ureinwohner brach. Und wir wissen, dass der Kampf der Frauen um Gleichberechtigung noch immer anhält. Das ist der große Rahmen, in dem Susanne White ihre fiktive Geschichte erzählt. Nicht immer in wünschenswerter Tiefe und Ausführlichkeit, aber dennoch reflektiert, unterhaltsam, bisweilen spannend und vor allem mittels großartiger Landschaftstotalen.
Natürlich braucht die zarte wie zähe Weldon einen Gegenspieler – es ist Colonel Silas Groves, der von Sam Rockwell kraftvoll und mit angemessener Kaltschnäuzigkeit verkörpert wird. Dieser Soldat ist einer der Indianerhasser, und seine menschenverachtenden Sätze knallen wie Pistolenschüsse um die Ohren von Weldon und schließlich Sitting Bull. Das melodramatische Ende des Films enttäuscht ein wenig, insgesamt aber lohnt es sich, ihn anzuschauen.
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