Rüstungsindustrie

So profitiert Baden-Württemberg vom Rüstungsboom

Die Rüstungsschmieden bekommen vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges so viele Aufträge wie nie. Die Zeitenwende ist bei den Unternehmen im Südwesten angekommen. Wo sind die Zentren der Branche?  

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Das Raketenabwehrsystem Iris-T kommt auch in der Ukraine zum Einsatz. (Archivbild) Foto: Christoph Schmidt/dpa

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.

Stuttgart (dpa/lsw) - Lenkflugkörper, Radartechnik, Handfeuerwaffen, Beobachtungssatelliten und Motoren für Kriegsschiffe und Militärfahrzeuge: Die Rüstungs- und Verteidigungsbranche in Baden-Württemberg nimmt seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine an Fahrt auf. Geht es nach der grün-schwarzen Landesregierung, darf der Zweig ruhig weiter wachsen. 

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sieht für die Branche "großes Potenzial", erklärte sie. Es gelte jetzt, die Unternehmen, die bereits in diesem Sektor tätig seien mit denen zusammenzubringen, die Potenzial hätten. Mögliche Kooperationen müssten ausgelotet werden, um den Bereich strukturell und strategisch voranzubringen. 

Welche Bedeutung hat die Branche?

In Baden-Württemberg gibt es rund 14.500 Beschäftigte (Stand 2022) in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, wie das Wirtschaftsministerium unter Berufung auf das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte. Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) erwartet im Südwesten einen Beschäftigungsaufbau. Daten zum Umsatz gibt es nicht. 

Die Branche ist ein Winzling im Vergleich zur Autoindustrie, wenn man die Beschäftigtenzahl vergleicht. Der Fahrzeugbau zählte zuletzt 230.019 (Stand 2023) Mitarbeitende. 

Das Land und insbesondere die Bodensee-Region gehören nach Verbandsangaben neben Bayern und NRW sowie den Werften an Nord- und Ostsee zu den Schwerpunktregionen.

Diehl Defence in Überlingen

Einer der Big Player am Bodensee ist Diehl Defence. Das Unternehmen beabsichtigt die Produktion seiner Iris-T-Flugabwehrsysteme stark auszubauen und plant dafür eine Erweiterung des Standorts. Die Flugkörper kommen auch in der Ukraine zum Einsatz. Die Rüstungssparte des Nürnberger Mischkonzerns Diehl verzeichnete im vergangenen Jahr ein Umsatzwachstum von satten 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf rund 1,8 Milliarden Euro - Tendenz weiter steigend.

Der Geschäftsführer der Rüstungssparte, Helmut Rauch, berichtete erst kürzlich von einer sehr guten Auftragslage. An allen Standorten der Sparte würden derzeit die Kapazitäten ausgebaut. Auch beobachte er einen Sinneswandel in der Wahrnehmung der Verteidigungsindustrie. 

Die Zahl der Bewerbungen nehme zu, es gebe einen regeren Austausch mit der Politik. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Rauch weiter steigende Umsätze vor allem auch aufgrund von Aufträgen für die Bundeswehr.

Heckler & Koch (Sturmgewehre, Maschinengewehre, Granatwerfer, Pistolen)

Jahrelang hatte Heckler & Koch mit Negativschlagzeilen zu kämpfen. Die Lage war angespannt. Doch nach der Sanierung und der Zeitenwende eilt die profitable Waffenschmiede mit Sitz in Oberndorf im Schwarzwald von einer Bestmarke zur nächsten. Nicht nur die Bundeswehr wird mit neuen Waffen ausgestattet, sondern auch baltische Staaten und Norwegen - also Nachbarstaaten von Russland. 

Seit Anfang 2022 stieg die Zahl der Mitarbeiter um gut ein Fünftel auf etwa 1.300 an. Das Unternehmen investiert auch kräftig. So sollen es in den kommenden fünf Jahren 150 Millionen Euro sein, wie das Unternehmen ankündigte. Es gehe um den technologischen Ausbau, die Stärkung industrieller Kapazitäten und die Positionierung als Systemanbieter im Verteidigungssektor. 

Mit Systemanbieter ist gemeint, dass Heckler & Koch nicht mehr nur selbst hergestellte Waffen verkauft, sondern Zubehör von Zulieferern - etwa Schalldämpfer - zusammen mit seinen Waffen als System anbietet. Unlängst hatte H&K bekanntgegeben, in das Geschäft mit Granatwerfer-Drohnenabwehr einzusteigen und dabei mit einer KI-Firma und einem Fahrzeugturm-Hersteller zusammenzuarbeiten.

Rekordzahlen für Rolls-Royce Power Systems

Beim Großmotorenhersteller Rolls-Royce Power Systems könnte es den Zahlen nach kaum besser laufen. Das Bodensee-Unternehmen mit britischem Mutterkonzern knackte 2024 die Umsatzmarke von fünf Milliarden Euro (4,27 Milliarden Pfund). Von einem Rekord sprach Vorstandschef Jörg Stratmann in Friedrichshafen. 

Unter der Marke MTU vertreibt Rolls-Royce Power Systems unter anderem Panzermotoren für Puma und andere Modelle. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist groß, das Unternehmen musste sich erst kürzlich Kräfte vom angeschlagenen Autozulieferer ZF in Friedrichshafen leihen. 

Thales (Radar- und Kommunikationstechnik)

Der französische Konzern Thales fertigt in Ditzingen bei Stuttgart am Sitz der deutschen Tochter unter anderem tragbare Radartechnologie, wie ein Sprecher mitteilte. Dort seien 800 Menschen beschäftigt. In Ulm mit seinen 520 Mitarbeitenden werden Wanderfeldröhrenverstärker produziert, die unter anderem in Satelliten für die Kommunikation zum Einsatz kommen. Über die Hälfte der Männer und Frauen, die bei Thales in Deutschland arbeiten, sind im Südwesten tätig. Bundesweit sind es 2.200 Personen an neun Standorten. Im letzten Jahr wurden zusätzliche Stellen geschaffen. Das Unternehmen machte im vergangenen Jahr 500 Millionen Euro Umsatz. Den größten Teil davon im Rüstungsbereich. 

Daimler Truck (Speziallastwagen)

Jahrelang war Militärgeschäft mit Speziallastwagen für Daimler Truck eine kleine unbedeutende Nische. Jetzt forciert der Nutzfahrzeughersteller das Geschäft, dass bisher weniger als 1 Prozent des Konzernumsatzes ausmacht. "Vor dem Hintergrund der aktuellen verteidigungspolitischen Herausforderungen erwarten wir, dass die Nachfrage in den kommenden Jahren steigen wird", sagte ein Sprecher. Das Militärgeschäft zählt zum Bereich Mercedes-Benz Special Trucks (MBS), der aktuell 1.100 Mitarbeitende zählt. Die Sparte ist gleichfalls für den Unimog und für Kommunalfahrzeuge zuständig.

Die Fahrzeuge der Schwaben für den Verteidigungsbereich werden hauptsächlich für logistische Einsätze und Unterstützungsleistungen genutzt. Konkret gehört dazu der Transport von Treibstoff und Wasser, Truppentransport oder Ambulanzeinsätze. Die Lastwagen sind zum Teil auch als Bergefahrzeuge oder als Schwerlastzugmaschine zum Transport von Rad- oder Kettenfahrzeugen im Einsatz.

© dpa‍-infocom, dpa:250716‍-930‍-802519/1

Schlagworte: Jörg Stratmann, Helmut Rauch, Nicole Hoffmeister-Kraut

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