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Alemannisch: „Bi uns cha me au alemannisch schwätze“

Fr, 09. Mai 2025

Anzeige Um das Alemannische zu erhalten, muss die Mundart gepflegt werden. Das wird sie sicherlich beim Hebelfest in Hausen im Wiesental, wo der Heimatdichter Johann Peter Hebel geehrt wird.

Übersichtskarte, wo überall alemannisch gesprochen wird. GRAFIK: FRIEDEL SCHEER-NAHOR

Im populären Sprachgebrauch etablierte sich für die Mundart hierzulande lange kein einheitlicher Begriff. Statt dem inzwischen weitgehend üblichen Alemannischen kursierten landschaftsbezogene Zuordnungen wie Schwarzwälderisch, Kaiserstühlerisch oder Markgräflerisch. Oder man beließ es gleich bei der Ableitung von Ortsnamen, wie Wilemerisch, Zellerisch oder Wehrerdütsch. Patriotisch veranlagte Badener versuchen es mit Badisch, schießen damit aber übers Ziel hinaus, denn sprachwissenschaftlich gesehen stoßen in Baden auf der Höhe von Rastatt und Baden-Baden zwei Dialektgebiete aufeinander: das südliche Alemannisch und das nördliche Rheinfränkisch. Beide beanspruchen das Etikett „Badisch“ für sich.

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Dabei gibt es die Bezeichnung „Alemannisch“ schon seit längerem. Sie wurde im wissenschaftlichen Diskurs der Dialektologie aufgegriffen, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts richtig Fahrt aufnahm. Schon davor kam Johann Peter Hebel, der auf der Suche nach einem Titel für seine 1803 erstmals veröffentlichte Gedichtsammlung Wiesentäler war, auf die Idee, sie „alemannisch“ zu nennen. Das Motiv dahinter ist der Bezug auf den Stamm der Alemannen. Damit orientierte man sich an der im deutschen Sprachraum üblichen Praxis, Dialekte mit Stammesnamen, wie Hessen, Sachsen oder Friesen, zu verbinden.

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Begriff hat sich etabliert

Man verkennt dabei aber, dass ein direktes Kontinuum von der Sprache der Alamannen, wie die Historiker sie nennen, bis zum heutigen Alemannisch daran scheitert, dass dieser Volksstamm vor der Landnahme südlich des Limes wahrscheinlich gar nicht als fester Verband existiert hat.

Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass auch vor-alemannisches Substrat, wie keltische und romanische Sprachreste ins heutige Alemannisch eingeflossen sind. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht wäre daher der Terminus Westoberdeutsch angebrachter gewesen. Er hat sich aber nicht durchsetzen können. Vielleicht war er einfach zu unemotional.

Dass sich Alemannisch inzwischen im populären Sprachgebrauch für den Dialekt in Südbaden sukzessive etabliert hat, ist mit der Verdienst der Muettersproch-Gsellschaft, die seit über 50 Jahren mit ihrem blauen Kleberle „Bi uns cha me au alemannisch schwätze“ wirbt. Auf die volkstümliche Bezeichnung der Dialekte im Elsass, in der Schweiz und in Vorarlberg, die alle ebenfalls dem Alemannischen zugerechnet werden, hatte dies aber keinen Einfluss. Nach wie vor spricht man dort von Elsässisch, Schwizerdütsch und Vorarlbergisch. Auch das Schwäbische, das sprachwissenschaftlich ebenfalls zum Alemannischen zählt, hat seinen eigenen Namen behalten.

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Was aber ist nun das Verbindendende all dieser Dialekte, so dass man ihnen ein gemeinsames Etikett verpassen kann? Wie jede Sprache unterliegt auch das Alemannische gewissen Regeln, die die Lautung sowie die Wort- und Satzbildung bestimmen. Dazu kommt der mehr oder weniger gemeinsame Wortschatz. Da der Dialekt im Unterschied zur Hochsprache nicht normiert ist, können diese Regeln von Ort zu Ort leicht variieren. Dennoch gelten systematische Gemeinsamkeiten, wie etwa die Realisierung der mittelhoch-deutschen langen Vokale in Wörtern wie Wiib, Huus und Züüg, die im Hochdeutschen weiterentwickelt wurden zu Weib, Haus und Zeug. Dazu kommen Zwielaute in Wörtern wie liäb, guet und Gmües. Diese sogenannten fallenden Diphthonge sind typisch für das Alemannische, während man sie im Hochdeutschen vergebens sucht, da sie dort zu langen, einzelnen Vokalen (i, u und ü) verwandelt wurden. Das Fremden oft auffallende Ch im Anlaut von Wörtern wie Chuchichänschterli (Küchenschränkchen) ist dagegen nur im Süden präsent. Bei den Wortbildungsmöglichkeiten sind Gemeinsamkeiten, wie das Anhängen von ete an ein Verb, um eine gewisse Menge anzudeuten, zu vermerken. So weiß jeder, was eine Bachete ist, nämlich das, was auf einmal gebacken werden soll. Auch eine Bodedeckete erklärt sich von selbst. Eigene Pluralbildungen wie Better, Hemder und Miiline (Mühlen) gehören ebenso dazu, wie vom Hochdeutschen abweichende Artikelzuordnung bei (der) Butter oder (der) Radio.

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Und auch in der Satzbildung gibt es alemannische Eigenheiten, die in Sätzen wie „i gang go iichaufe“ aufscheinen. Solche Konstruktionen sind in allen Regionen, in denen Alemannisch gesprochen wird, in lautlichen Varianten zu finden. Erkennungswörter, die im gesamten alemannischen Gebiet und nur hier gelten, sind selten. Eines kann aber doch genannt werden. Es ist der Wochentag Zischtig, der analog zum lateinischen dies Martis, Tag des Mars, gebildet ist und sich anstatt auf Mars auf den alemannischen Kriegsgott Ziu bezieht. Darüber hinaus gibt es weitere Eigenheiten im Wortschatz zuhauf. Sie decken jedoch oft nicht das ganze Gebiet ab. Manchmal gibt es sogar mehrere von der Hochsprache abweichende Wörter, die sich das Areal aufteilen. So kann man für „mit dem Besen kehren“ allein in Südbaden die Varianten fege, schweife, wische und für be finden.

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Emotionsstarke Worte

Besondere Stärke legt der Dialekt bei Wörtern an den Tag, die Emotionen transportieren. So steckt in dem Wort bfleddere für „Wasser verschütten“ nicht nur das Lautmalerische drin, sondern auch der Tadel, der damit verbunden ist. Oder wenn jemand vom Worgser spricht, meint er nicht einfach nur „Husten“. Er bringt vielmehr damit auch die Geplagtheit und die Ungeduld mit diesem Krankheitszustand zum Ausdruck.

Alemannisch, so wird immer wieder gesagt, ist die besterforschte Mundart. Denn da sie sich über Ländergrenzen hinweg erstreckt, trägt jedes Land eine Forschungsstelle bei. Damit sie aber weiter existiert, muss sie gesprochen und vor allem an die Kinder weitergegeben werden. Dazu kann jeder und jede beitragen, der oder die die Mundart beherrscht.

Von Friedel Scheer-Nahor


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