Halloween
Warum so viele Menschen Angst vor Spinnen haben
An Halloween kommt so mancher aus dem Gruseln kaum heraus: Überall hängen Achtbeiner aus Plüsch oder Plastik. Doch einige Menschen leiden auch im Alltag unter ihrer Spinnenphobie.
dpa
Mi, 30. Okt 2019, 20:30 Uhr
Panorama
Thema: Halloween
Bei manchen Menschen beeinträchtigt die Furcht vor den Achtbeinern sogar ihren Alltag. Dann spricht man von Spinnenphobie. "Manche trauen sich nicht alleine in den Keller, wollen das Auto nicht aus der Garage holen – aus Angst, einer Spinne zu begegnen", so Alpers.
Viele Kinder übernehmen Angststörungen der Eltern
Spinnenphobiker untersuchen vorm Schlafengehen etliche Male ihr Bett, meiden Spaziergänge im Wald oder weigern sich, sich auf eine Wiese zu setzen – alles, um unliebsamen Begegnungen mit den Tierchen zu entgehen. "Da entsteht enormer Leidensdruck", sagt Psychologe Alpers. Angehörige sollten sich vor Sätzen wie "Jetzt reiß dich doch zusammen" hüten: "Die Betroffenen wissen, dass ihr Verhalten nicht angemessen ist." Trost und Unterstützung seien hilfreicher.
"Wenn Mädchen ihre Angst ausdrücken, wird das eher akzeptiert als bei Jungen, die angehalten werden, mutig zu sein." Georg Alpers
Mögliche Ursachen der krankhaften Angst gibt es mehrere. Menschen, die generell nervöser sind oder die unter psychischer oder sozialer Belastung stehen, sind häufiger betroffen. Außerdem übernehmen Alpers zufolge viele Kinder Angststörungen von ihren Eltern. Erschreckende Erfahrungen mit Spinnen könnten ebenfalls eine Phobie auslösen.Partytipps auf fudder.de: Halloween in Freiburg – alle Termine auf einen Blick
Peter Jäger, Spinnenkundler vom Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt, sieht auch in der Gruseldarstellung von Spinnen eine Ursache. "Durch Horrorfilme und die immer weitere Entfernung von der Natur können Ängste bei Individuen gesteigert werden." Dabei seien Spinnen wichtig, jagten sie doch Mücken, Asseln, Silberfischchen und Mehlmotten, die niemand gern im Haus habe.
In Deutschland gibt es nur eine giftige Spinnenart
48.000 Spinnenarten gebe es weltweit, so Jäger, von denen nur 20 bis 40 für Menschen so giftig seien, dass ein Biss starke Symptome hervorruft oder tödlich sein kann. Von den rund 1000 Spinnenarten in Deutschland sei nur der Ammendornenfinger giftig – "aber nicht wirklich gefährlich". Der Naturschutzbund beschreibt die eineinhalb Zentimeter langen Wesen als scheu. Sie müssten schon massiv gestört werden, damit sie sich mit einem Biss wehren.
Frauen sind doppelt so häufig von Angststörungen betroffen, also auch von pathologischer Spinnenangst. "Und das ganz stabil in allen Kulturkreisen, die wir kennen", erläutert Alpers. Warum das so ist, ist noch nicht gänzlich beantwortet. Alpers nennt genetische Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie unterschiedliche Lernerfahrungen. "Wenn Mädchen ihre Angst ausdrücken, wird das eher akzeptiert als bei Jungen, die angehalten werden, mutig zu sein."
Spinnenphobiker haben beim Anblick der Tiere Symptome wie ein 100-Meter-Läufer kurz vorm Start: Schweiß, Herzklopfen und Anspannung aller Sinne. "Der Phobiker rechnet damit, sich jeden Augenblick verteidigen oder fliehen zu müssen", so Alpers. Das seien normale Reaktionen, doch beim Phobiker ohne realen Grund. "Die Diskrepanz zwischen realer und wahrgenommener Bedrohung ist für die Betroffenen sehr unangenehm."
Spinnenphobiker nehmen ihr Umfeld anders wahr
Die Wahrnehmung der Spinnenphobiker unterscheidet sich stark von der anderer Menschen: Sie berichten, überall Spinnen zu sehen, an sie zu denken, von ihnen zu träumen. Mit einem Experiment wiesen Alpers und sein Doktorand Ulrich Müller nach, dass die visuelle Wahrnehmung spinnenängstlicher Probanden tatsächlich eine andere ist. Bei einem Versuch mit verschiedenen Bildern für die beiden Augen – etwa einem Muster für das rechte und einer Spinne für das linke – wurde deutlich, dass die Spinnen in der Wahrnehmung von Menschen mit der Angst dominieren. Die Versuchtsteilnehmer nahmen die Tiere signifikant häufiger als erstes und über einen längeren Zeitraum wahr.
Angstforscher Alpers resümiert: "Unser Experiment zeigt, dass Menschen visuelle Wahrnehmungen unbewusst anders filtern und ihr Gehirn Bilder anders verarbeitet, wenn Angst im Spiel ist." Diese grundlegende Erkenntnis helfe beim Verständnis der pathologischen Angst und der ihr zugrundeliegenden Wahrnehmungsprozesse, die in der Regel gut therapierbar seien. Zwölf Sitzungen beim Psychologen mit verhaltenstherapeutischer Zusatzausbildung könnten schon helfen. Von Beruhigungsmedikamenten rät der Leiter einer psychologischen Ambulanz ab.