Heimspiel
Stadionbesuch: Flüchtlinge feuern den SC Freiburg an
So, 20. September 2015, 16:33 Uhr
Freiburg
Es war willkommene Ablenkung vom Alltag in der Flüchtlingsunterkunft an der Löracher Straße : 35 junge Männer aus Gambia, Ghana, Nigeria und Syrien waren am Freitag bei der SC-Partie gegen Bielefeld zu Gast im Schwarzwaldstadion.
Im Stadion einmal kurz die Sorgen vergessen
Die jungen Männer, die in der bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle in der Lörracher Straße untergebracht sind, wurden mit Privatautos abgeholt, und sind vom Schloss in Ebnet ins Stadion gelaufen. Jetzt sitzen sie im Block Ost, oben rechts; jeder hat einen SC-Freiburg-Fanschal um den Hals.
Es dauert eine Weile, bis die Flüchtlingen – Nationalitäten gemischt, vor allem Afrikaner, aber auch einige Syrer –, in Stimmung kommen. Klar, der SC liegt nach der ersten Halbzeit auch 0:1 zurück. "Kein gutes Zeichen", sagt Muhammed Jimsine. "Ich will, das Freiburg gewinnt, wenn ich hier zum ersten Mal im Stadion bin." Allein schon aus psychologischen Gründen. Seine Zeit in Freiburg muss positiv starten. "Die Freiburger behandeln uns sehr gut, ich würde gerne hier bleiben", sagt Jimsine.
Unter der Jacke trägt Muhammed Jimsine das Triko seines Vereins aus Sizilien
Beim gemeinsamen Fußballschauen scheint es möglich, für einen Moment andere Sorgen zu vergessen. In der zweiten Hälfte sieht man klatschende, jubelnde Flüchtlinge, die sich über den Schiedsrichter und die Bielefelder Simulanten ärgern. "Das ist nicht fair", ruft Jimsine auf den Platz. Er sei übrigens auch ein sehr guter Spieler, berichtet der Gambier. Er werde sich mal beim Verein vorstellen, sagt er. "Ja, ehrlich." Er sei auf mehreren Positionen gut einsetzbar. Links außen, rechts außen, Spielmacher, Mittelstürmer.
Zuletzt war Muhammend Jimsine einige Monate in Sizilien, erzählt er. Dort habe er für ein kleines Team gespielt, zum Spaß, das Trikot trägt er stolz unter seiner Jacke. Nach Deutschland sei er mit dem Zug gekommen, wie sehr viele Flüchtlinge – über München, dann Stuttgart, dann Karlsruhe, dann Freiburg. Seine 22-jährige Schwester und seine Mutter lebten noch in Gambia.
Jimsine hat sich gleich einen Lieblingsspieler ausgemacht. Karim Guédé. "Der ist sehr gut, der gefällt mir", schwärmt er – seine Enttäuschung ist sehr groß, als Guédé ausgewechselt wird. "Warum, er hat doch ein super Spiel gemacht?", meint Jimsine. Nein, er sage das nicht, weil Guede der einzige schwarze Spieler auf dem Platz ist, sagt er und lacht. Stadtrat Gayling-Westphal ist glücklich über die große Resonanz. Ursprünglich habe es geheißen, 22 Flüchtlinge kämen mit. Jetzt sind es fast 40.
Kofi Aduma (22) aus Ghana hatte sie alle zusammengetrommelt. "Das ist ne ganz lockere Sache", sagt Gayling-Westphal. Während es sich hier um eine rein private Aktion handelt, will der SC Freiburg in den nächsten Wochen Ähnliches starten.
In der 90. Minute kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr. "SC Freiburg, schieß ein Tor für uns", versteht hier zwar keiner. Es singen aber alle mit. Mit etwas Phantasie könnte man meinen, hier sind 40 Bobbele im Stadion – so sehr wie die Flüchtlinge für den SC Partei ergreifen.
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