Tertullian, ein Taliban?

Die Taliban sehen vor allem in Popmusik und Freizügigkeit die Dekadenz der westlichen Kultur. Doch auch im frühen Christentum entstanden fundamentalistische Kampfansagen gegen öffentliche Schauspiele, Musik und Theater / Von Karl-Heinz Ott.  

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I m katholischen, in den oberschwäbischen Moor- und Waldgebieten liegenden Internat hatten wir einen alten, griesgrämigen Musiklehrer, der den himmlischen Namen Cölestin trug und als Missionar die Chinesen in den 40er-Jahren zum christlichen Glauben bekehrt hat. Unter Mao war er eine Zeit lang inhaftiert, aber trotz seines Kommunistenhasses rühmte er an den neuen Machthabern, sie hätten wenigstens Zucht und Ordnung ins Land gebracht. Im Musikunterricht sangen wir bei ihm fromme Lieder, und meist hat er gegen den Sittenverfall im Allgemeinen und gegen die Popmusik und den Jazz im Besonderen gewettert. Er hielt dieses unruhige Gekreische für ein Gift, das die gesunden Gemüter zerrüttet. Am liebsten hätte er diese Musik gesetzlich verbieten lassen, und nur weil er keine Macht besaß, machte er sich mit seinen moralischen Geifereien lächerlich.
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