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Zuckerstreit

Verwirrung um Ritter-Sport-Produkt: Schokolade oder nicht?

  • dpa

  • Fr, 05. Februar 2021, 07:59 Uhr
    Panorama

Darf eine Schokolade ohne herkömmlichen Zucker tatsächlich Schokolade genannt werden? Was simpel klingt, ist in Wahrheit gar nicht so einfach zu entscheiden. Beim Zuckerstreit geht es um kleinste Details.

Sieht aus wie Schokolade.  | Foto: Patrick Seeger (dpa)
Sieht aus wie Schokolade. Foto: Patrick Seeger (dpa)
Hersteller Ritter Sport hat Irritationen mit der Ankündigung ausgelöst, eine Schokolade auf den Markt bringen zu wollen, die formal in Deutschland nicht als solche bezeichnet werden dürfe.

Nach dem Bundesernährungsministerium widersprach am Donnerstag auch das in Baden-Württemberg für die Lebensmittelüberwachung zuständige Landesverbraucherschutzministerium der Darstellung des Unternehmens mit Sitz in Waldenbuch bei Stuttgart. Zwei von der Deutschen Presse-Agentur befragte Juristen wiederum stützten die Argumentation des Unternehmens, das auf Anfrage selbst ebenfalls nicht von seiner Haltung abweichen wollte.

Ritter Sport hatte am Montag mitgeteilt, ein neues schokoladenähnliches Produkt mit dem Namen Cacao y Nada bestehe nur aus Kakao und beinhalte keinen Zucker. Stattdessen verwende man zum Süßen natürlichen Kakaosaft, den man auf einer Plantage in Nicaragua aus Kakaofrüchten gewinne. Die deutsche Verordnung über Kakao- und Schokoladenerzeugnisse aus dem Jahr 2003 besage aber, dass ein Produkt nur dann als Schokolade bezeichnet werden dürfe, wenn dort neben Zutaten wie Kakaomasse, Kakaopulver und Kakaobutter auch "Zuckerarten" enthalten seien.

Kakaopflanze wird in Zuckerartenverordnung nicht erwähnt

In der Verordnung heißt es konkret, Schokolade sei ein "Erzeugnis aus Kakaoerzeugnissen und Zuckerarten". Zusätzlich wird in dem Papier - einer Art gesetzlichem Rezeptbuch - festgestellt: "Zuckerarten im Sinne dieser Verordnung sind auch andere als die in der Zuckerartenverordnung aufgeführten Erzeugnisse."

In der Zuckerartenverordnung wird die Kakaopflanze nicht erwähnt, dafür aber in einer EU-Durchführungsverordnung vom November. Auf die verweist das Unternehmen: Durch dieses neue Papier sei zwar der Saft der Kakaofrucht inzwischen in der EU als Lebensmittel zugelassen. Allerdings beinhalte das auf der Plantage gewonnene Süßungsprodukt nicht den erforderlichen Zuckergehalt, der laut dieser Verordnung zu einer lebensmittelrechtlichen Anerkennung als Zuckerart nötig wäre.

Kakaosaft als süßende Komponente

Dieser Auslegung widerspricht das Verbraucherschutzministerium aus dem Südwesten. Entscheidend sei die Kakaoverordnung, in der es keine klare Definition für den Begriff "Zuckerarten" gebe. "Zuckerarten im Sinne dieser Verordnung sind auch andere als die in der Zuckerartenverordnung aufgeführten Erzeugnisse", teilte das Ministerium zudem mit. Da bei dem Produkt laut Hersteller natürlicher Kakaosaft als süßende Komponente verwendet werde, könne das Produkt also "nach unserer Einschätzung und der unserer Sachverständigen und auf Basis der uns bekannten Informationen zu den Zutaten auch unter der Bezeichnung Schokolade verkauft werden". Ähnlich hatte sich zuvor bereits das Bundesernährungsministerium geäußert.

"Nach meiner Einschätzung ist es so, dass das Unternehmen sein Produkt wohl nicht Schokolade nennen darf" Andreas Schulte
Der Hamburger Lebensmittelrechtler Andreas Schulte sagte der dpa dagegen, die rechtliche Einschätzung von Ritter Sport dürfte korrekt sein. "Nach meiner Einschätzung ist es so, dass das Unternehmen sein Produkt wohl nicht Schokolade nennen darf." Der Verbrauchergedanke sei in diesem Zusammenhang wichtig - "und die Menschen denken eben bei einer Schokolade, dass dort unter anderem Zucker drin sein muss". Ähnlich bewertete die Hannoveraner Lebensmittelrechtlerin Katharina Gitmann-Kopilevich die Lage. Wenn das Süßungsmittel von Ritter Sport nicht den in der EU-Verordnung festgelegten Mindest-Zuckergehalt enthalte, dann falle es per Definition eher nicht unter eine Zuckerart. "Insofern ist Ritter Sport zu Recht davon ausgegangen, das Produkt nicht Schokolade nennen zu dürfen."

Ritter Sport selbst blieb auf Anfrage am Donnerstag ebenfalls bei seiner Rechtsauslegung. Den Vorwurf, sich einen PR-Gag geleistet zu haben, wies eine Sprecherin zurück. Natürlich habe man den Fall vorab "sehr intensiv" geprüft, bevor man an die Öffentlichkeit gegangen sei. Nach Durchsicht aller Verordnungen sei man zu dem Schluss gekommen, das neue Produkt nicht als Schokolade bezeichnen zu dürfen. An dieser Sichtweise habe sich auch nichts geändert.

Schokolade von Ritter Sport wird in mehr als 100 Ländern verkauft. Das Unternehmen musste in den vergangenen zwei Jahren jeweils Umsatzrückgänge verkraften, erlöste 2020 noch 470 Millionen Euro und beschäftigt weltweit rund 1650 Mitarbeiter.

Ressort: Panorama

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