Fußball

Viel Vergangenheit, etwas Zukunft – beim 2:0 der deutschen Nationalelf gegen Peru

Das deutsche Fußball-Nationalteam startet per 2:0-Sieg ins Länderspiel-Jahr 2023. Ein gutes Jahr vor der Europameisterschaft im eigenen Land soll der Test in Mainz als Neustart dienen. Wieder mal.  

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„Kai war spielentscheidend in be...(rechts) über Vorbereiter Kai Havertz.  | Foto: Arne Dedert (dpa)
„Kai war spielentscheidend in beiden Szenen“, sagte Doppeltorschütze Niclas Füllkrug (rechts) über Vorbereiter Kai Havertz. Foto: Arne Dedert (dpa)
Von Innovation war erstmal nichts zu sehen. Der Deutsche Fußball-Bund ist ja bekannt dafür, es so lange wie möglich mit Altbewährtem zu versuchen: mit jeder Menge Deutschland-Fahnen für die Fans, bekannten Stimmungsliedern aus der erfolgreichen Vergangenheit und natürlich mit Rudi Völler. Der soll als Sportdirektor das bei der WM in Katar mal wieder ziemlich ramponierte Image aufpolieren. Und so war der Mann mit der auffälligen Silbermähne vor der Partie in Mainz geradezu omnipräsent: Völler auf dem Rasen im Smalltalk mit den Nationalspielern. Völler bei der freundlichen Begrüßung der italienischen Schiedsrichterin. Völler inmitten der Fans. Ein Vorbild an Engagement, das abstrahlen sollte auf die, um die es wirklich geht.

Hansi Flick – der Bundestrainer – ist für die Zukunft zuständig. Bislang mit mäßigem Erfolg. Die zähe Stagnation, die das deutsche Team seit dem WM-Triumph 2014 in Brasilien mehr und mehr vereinnahmte, konnte der Nachfolger von Joachim Löw bislang nicht vertreiben. Nun also der nächste Anlauf hin zur Heim-EM im kommenden Jahr. Flick setzt ebenfalls auf das, was sich in seinen Augen bewährt hat, aber eben auch auf frisches Personal wie den Dortmunder Marius Wolf sowie den ehemaligen Freiburger Kevin Schade. Und womöglich auf ein neues Spielsystem, das in Mainz geprobt wurde. 4-2-2-2 heißt es und soll für mehr Variabilität sowie Torgefahr sorgen bei gleichzeitiger defensiver Stabilität.

Eine Halbzeit lang hat das gegen Peru auch ganz ordentlich geklappt. Drei Dinge machten sich besonders bezahlt: Der Dortmunder Marius Wolf lieferte als Rechtsverteidiger die von Flick erhoffte Dynamik – und die Vorlage zum 2:0. Kai Havertz demonstrierte, dass er als frei schwebender Artist hinter den Spitzen einen enormen Mehrwert fürs Team bringt. Und Niclas Füllkrug – mit zwei Toren Mann des Spiels – profitierte davon, einen zweiten Angreifer neben sich zu haben. Auch deswegen konnte sich der Mann vom SV Werder Bremen zweimal entscheidend vom Gegenspieler absetzen. Dessen war sich Füllkrug hinterher durchaus bewusst. Auch die wertvollen Vorbereiterdienste von Havertz wusste er zu schätzen. "Kai war spielentscheidend in beiden Szenen. Ich werde hier gut in Szene gesetzt, da kann ich auch den einen oder anderen machen", betonte der Doppeltorschütze in gern gesehener Bescheidenheit.

Es ist aber auch ein Stück weit bezeichnend, dass nun ausgerechnet Füllkrug als großer Hoffnungsträger gilt. Ein Profi – 30 Jahre alt –, der seine Karriere fast schon hinter sich zu haben schien. Einer, der weit entfernt ist von jenem Tiki-Taka-Ideal, das einst als internationaler Maßstab galt. Einer, der gerade Mal fünf Länderspiele auf dem Konto hat. Aber eben auch schon fünf Tore. Und einer, der das verkörpert, was dem deutschen Spiel in den vergangenen Monaten nach jüngeren Erkenntnissen offenbar doch sehr gefehlt hat.

"Er hat die Treffer im Stile eines Torjägers, einer Neun gemacht", frohlockte Flick deswegen nach Schlusspfiff. Matthias Ginter, der Freiburger in der deutschen Abwehr, beschrieb Füllkrugs Wert nochmal im Detail. "Er ist wichtig, um vorne hohe Bälle zu verarbeiten, aber auch, wenn es über außen geht und Flanken kommen. Wenn es gefährlich wird, hat er einfach einen guten Riecher."

Daran, dass Füllkrug auch am Dienstag (20.45 Uhr/RTL) im nächsten Testspiel gegen Belgien starten wird, besteht kaum ein Zweifel. Bei allem Willen zu Erneuerung und Experimenten will Flick angesichts der Zeitknappheit in Sachen Europameisterschaft auf ein Grundgerüst setzen. Und Füllkrug ist fest eingeplant. Weil er quasi so etwas wie der letzte seiner Art ist. Ein Wandler zwischen den Welten, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Aber auch, weil er auf und neben dem Platz zu einem Anker geworden ist. Wer neben einer herausragenden Torquote auch kluge Sätze zu bieten hat, steht im internen Ranking schnell weit oben. Besonders dann, wenn die Sätze zum Wohle der Kollegen fallen. Und zu dem von Hansi Flick.

"Man sollte ihm Kredit geben", findet Füllkrug. "Weil er jetzt die eine oder andere mutig Entscheidung trifft. Manchmal gehört einfach auch ein bisschen Vertrauen von den Leuten drumherum dazu, vielleicht auch von Fußball-Deutschland." Klar ist aber auch: Vertrauen muss wachsen. Eine ordentliche Halbzeit gegen Peru genügt nicht.

Deutschland: ter Stegen – M. Wolf, Ginter, N. Schlotterbeck (86. Kehrer), Raum, Kimmich, Can (46. Goretzka) – Havertz (75. Schade), Wirtz (46. M. Götze) – Füllkrug (75. Berisha), Werner (46. Gnabry). Peru: Gallese – Advincula (88. Zambrano), Araujo, Tapia, Abram, López – Carrillo (88. Sandoval), Cartagena (56. Polo), P. Aquino (71. Yotun), Gonzales (46. Flores) - Ruidiaz (46. Lapadula). Tore: 1:0, 2:0 Füllkrug (12., 33.). Schiedsrichterin: Caputi (Italien). Zuschauer: 25.358 (ausverkauft). Bes. Vorkommnis: Havertz schießt Foulelfmeter an den Pfosten (68.). Beste Spieler: N. Schlotterbeck, Füllkrug / Gallese, Carrillo.
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