USA

Viel zu viel Regen im Sonnenstaat Kalifornien

Erst litt Kalifornien über Jahre unter Dürre – jetzt plagen extremen Niederschläge den US-Bundesstaat. Riesige Regenstürme bedrohen die Ernten – und die Menschen.  

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Wenn aus einer Straße eine Wasserstraße wird: In der Nähe der Stadt Corcoran in Kalifornien Anfang März. Foto: Eric Paul Zamora (dpa)
Nach Jahren der Dürre nun der Regen. Kalifornien wird seit Monaten von tropischen Regenstürmen heimgesucht, die Unmengen an Niederschlägen mit sich bringen. In diesem Jahr wurde der Sonnenstaat von mehr als einem Dutzend sogenannter "atmospheric rivers" (atmosphärischer Flüsse) getroffen, die weite Teile des Bundesstaates unter Wasser setzten und zu Dammbrüchen, gesperrten Highways und Überflutungen führten. Ein Ende ist nicht in Sicht, weitere Stürme sind bereits auf dem Weg.

"Atmospheric rivers" sind Hunderte Kilometer lang und breit

Der Klimawandel ist da, meint denn auch Rob Davis, Zitrus- und Avocado-Farmer im südkalifornischen Ojai, etwa 80 Meilen nördlich von Los Angeles gelegen. Er ist 52, seit mehr als 30 Jahren arbeitet er in der Landwirtschaft. Davis zeigt an diesem Morgen im strömenden Regen auf seiner Crooked Creek Ranch die Auswirkungen der Wassermassen. Auf der Zitronenplantage hält er, um die Schäden vorzuführen: "Brown Rot", die Früchte verrotten am Baum. Zu viel Wasser im Boden und in der Luft.

In einem normalen Jahr werden im Ojai Valley etwa 40 Zentimeter Niederschlag gemessen. Seit Januar war es dagegen schon weit mehr als ein Meter. Gerade ist für Kalifornien ein weiterer "Pineapple Express" (Ananas-Express) angekündigt, wie die atmosphärischen Flüsse hier heißen. Es sind tropische Stürme, die aus der Gegend um Hawaii Richtung Kalifornien ziehen. Sie sind Hunderte, wenn nicht Tausende Kilometer lang und rund 800 Kilometer breit, reichen von Los Angeles bis hoch in die San Francisco Bay Area und bringen zweimal so viel Wasser, wie der Amazonas führt.

Die Fahrt geht weiter zu den Pixies, einer Art Mandarinen. Hier kann man teils schwarze Flecken auf den orangenen Schalen sehen. "Die Früchte haben einen Sonnenbrand abbekommen", meint Davis. Auch das sei ein Zeichen des Klimawandels, auch so was habe man bislang hier nicht gesehen. Es wird immer heißer in Südkalifornien. Wenn die jungen Zitrusfrüchte am Morgen noch feucht von der kühlen Nacht sind und dann schon die Sonne intensiv strahlt, kommt es zu diesem "sunburn", der kurze Zeit späterdeutlich zu sehen ist. Eine Nachbarsfarmerin verlor dadurch ein Drittel ihrer Ernte, erzählt Davis.

Niemand hat eine Versicherung gegen Flutschäden

In der Mitte der Ranch liegt ein steiniges Bachbett, das in den vergangenen Jahren stets ausgetrocknet war. Vor ein paar Wochen wurde der Bach zu einem reißenden Fluss, überschwemmte einen Teil der Zitrus-Plantage und auch ein paar Häuser. Die Instandsetzung zahlt keine Versicherung, hier hat nie jemand auch nur daran gedacht, eine Police gegen Flutschäden abzuschließen.

Nach Jahren der Trockenheit nun also sintflutartige Regenfälle, die auch dazu geführt haben, dass viele der Reservoirs, Seen und Flüsse im ganzen Bundesstaat wieder genug Wasser führen und in den Bergen der Sierra Nevada so viel Schnee gefallen ist, dass die Skiresorts gar nicht öffnen können. Am Lake Oroville nördlich von Sacramento, dem wichtigsten Reservoir in Kalifornien mit dem höchsten Damm der USA, stieg der Wasserstand seit Anfang Dezember um 55 Meter. Auch die Pegel der anderen Stauseen im Bundesstaat sind gestiegen, wenn auch noch nicht ganz auf Normalstand. Auf der Crooked Creek Ranch ist der Grundwasserspiegel wieder da, wo er sein sollte. In den vergangenen Dürrejahren musste man immer tiefer bohren, um überhaupt noch an Wasser zu gelangen, das ist nun erst mal vorbei.

Für Rob Davis steht außer Frage, dass Kalifornien vom Klimawandel betroffen ist. In diesen Wochen der heftigsten Stürme seit Jahrzehnten zeigt sich aber auch, dass der Bundesstaat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt hat. Statt in den langen Dürrejahren eine funktionierende Infrastruktur zu erneuern und zu erweitern, die viel von den Niederschlägen hätte auffangen und leiten können, hat man die Entwicklung schlichtweg verschlafen.

Der Klimawandel zeigt die Schwächen der Infrastruktur Kaliforniens auf

Das Ergebnis ist verheerend, in 34 Bezirken des Golden State wurde wegen massiver Überflutungen und Erdrutschen der Ausnahmezustand ausgerufen. In Watsonville, einer Farmgemeinde etwa eineinhalb Autostunden südlich von San Francisco, brach Anfang März erneut der Damm des Pajaro River, 8500 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Der Damm war 1995 schon einmal gebrochen, zwei Menschen starben, der Schaden summierte sich auf mehr als 100 Millionen Dollar. Damals wurde beschlossen, das Bauwerk müsse erneuert werden, doch geschehen ist nichts. Der gebrochene Damm in Watsonville steht für den allgemeinen Ist-Zustand der Infrastruktur in Kalifornien. Zu lange wurde von demokratischen und republikanischen Gouverneuren nur Flickwerk betrieben. Die einst hochgelobte Infrastruktur Amerikas und im Besonderen hier in Kalifornien bröckelt an allen Ecken und Enden.

Mit Gavin Newsom ist nun seit 2019 ein Gouverneur im Amt, der den Klimawandel ernst nimmt und den Bundesstaat auch finanziell auf die Herausforderungen der Zukunft ausrichten will. Alleine aber kann der Golden State das nicht schaffen. Kalifornien ist auf die finanziellen Mittel aus Washington angewiesen, auf die Gelder aus dem auch mit Stimmen der Republikaner verabschiedeten Infrastrukturprogramm "Building a better America" der Biden-Administration.

Kalifornien hat sich zu einem Bundesstaat der schwierigen Wetterbedingungen entwickelt. Es gebe mehr extreme Wetterereignisse, sagt Rob Davis, wie gerade jetzt zu sehen, mit mehr als einem Dutzend gewaltiger "atmospheric rivers" in Folge. "So etwas habe ich in meinem Leben noch nie erlebt", erklärt der Farmer.

Seinen Optimismus aber will er nicht aufgeben: "Wir müssen lernen, damit zu leben und umzugehen", meint Davis. Das sei auch irgendwie der amerikanische Weg, lacht er und zieht den Kragen seiner Regenjacke nach oben.
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