Von der Schleiergestalt zur Tonfigur
Wenn ein Mensch weiß, dass er seit der Geburt im falschen Körper steckt und das ändern möchte, dann beginnt oft eine schwierige Zeit. Eine sehenswerte Doku berichtet davon.
Klaus Braeuer & dpa
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Rikku erklärt, dass er sich nicht als trans bezeichnet, sondern als Mann. Dass er mit Benachteiligungen geboren worden sei und im falschen Körper steckte, nennt er "eine Art von Geburtsfehler". Die sehenswerte Doku "Trans – I got life" am Mittwoch auf Arte zeigt, was es heißt, sich gegen sein einmal definiertes Geschlecht zu entscheiden.
Der Busfahrer Julius hatte sich als Julia in die Musik geflüchtet und sich als eine "Schleiergestalt" gesehen, durch die der Wind durchgeht und die nicht zu greifen ist. Jetzt sieht er sich als eine "Tonfigur", die sich nach und nach weiter aufbaut.
Verena kommt aus einem kleinen bayerischen Dorf und berichtet von den vielen Heimlichkeiten, wenn sie als Mann aus dem Haus gegangen ist, sich auf dem Weg nach München umgezogen und geschminkt hat – und auf dem Heimweg das jedes Mal alles wieder rückgängig gemacht hat.
Die beiden Autorinnen Imogen Kimmel und Doris Metz setzen in ihrer fundierten Dokumentation sowohl auf fachliche Informationen als auch auf bewegende Einzelschicksale mit all ihren Emotionen. Sehr eindrücklich ist die Geschichte von Oberstleutnant Elisabeth Sophia Landsteiner, erste und bislang einzige Frau im Rang eines Oberst im deutschen Heer.
Eine Erzählstimme gibt es nicht, zu Wort kommen die Protagonisten selbst, darunter auch Mitglieder des Münchner Vereins "TransMann e.V.". Ein plastischer Chirurg informiert über die Möglichkeiten vor und während einer OP – oft sind mindestens zwei vonnöten, und sie können leider auch schiefgehen. Dabei geht es darum, wie groß die neuen Körperteile sein sollen und ob es genügend Ansprechpartner gibt. Es können auch große Probleme für die Patienten auftreten, wenn Familie und Umfeld nicht wie erhofft reagieren.
Deutlich wird, dass in unserer Gesellschaft die geschlechtlichen Unterschiede noch immer verstärkt werden, sei es durch entsprechende Kleidung, Frisuren und Make-up, aber auch durch bestimmte Erwartungshaltungen und durch manifestierte Geschlechterrollen.
Der eindrückliche und bewegende Film berichtet von bestehenden Vorurteilen und Intoleranz, plädiert vehement für eine breitere Akzeptanz und gelangt zu einem klaren Fazit: Die Menschheit entwickelt sich unaufhörlich weiter, und die allmähliche Auflösung der Geschlechter scheint ein wachsender Teil der Evolution zu sein. Dadurch verändert sie sich entsprechend – und das dürfte eine ungemein spannende Entwicklung werden.
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