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Oktoberfest-Typologie

Von Trachtlern, Dieben und Partygängern

  • dpa

  • Mi, 23. September 2015
    Panorama

Auf dem Münchner Oktoberfest kommen die unterschiedlichsten Typen zusammen / Die meisten wollen Spaß haben und feiern / Doch es gibt auch andere.

Von traditionell bis originell: Auf der Wiesn gibt es alles. Foto: DPA
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MÜNCHEN (dpa). Sechs Millionen Besucher werden während der 16 Festtage auf dem Oktoberfest in München erwartet. Die Wiesn eint sie alle – dabei sind sie so verschieden. Die einen tragen eine echte, teure Tracht. Die anderen haben eine billige Montur auf dem Weg zum Fest gekauft, das am 4. Oktober endet. Manche sprechen Bayrisch, andere verstehen es nicht. Die meisten mögen Bier. Aber einige vertragen es nicht – zumindest nicht in den auf der Wiesn üblichen Mengen. Eine Typologie der Gäste.

Die Münchner
Sie kommen meistens in Jeans, die Männer höchstens im Janker (das ist eine Trachtenjacke). Die Münchner der gehobenen Mittelschicht und des gehobenen mittleren Alters essen im Biergarten ihr Hendl zu Mittag. Gut zwei Drittel der Gäste stammen aus Bayern. Manche unken aber, Münchner seien eine bedrohte Wiesn-Spezies, weil es ihnen zu voll ist.

Die einheimischen
Partygänger
Sie sind um die 20 Jahre alt und stammen aus Bayern. Sie stehen an Samstagen frühmorgens vor dem Zelt, um einen Platz zu bekommen. Dort sitzen sie bis zum Schankschluss um 22.30 Uhr. Manchmal haben sie dann zwei Promille und landen in der Sanitätsstation. Sonst feiern sie auf After-Wiesn-Partys weiter. Sie fahren mit der Bahn heim – so sehen die Züge auch aus.

Die Trachtler
Echte Trachtler (Bild Mitte) waren vor allem am ersten Sonntag zu sehen. Sie laufen in einem der größten Trachtenzüge weltweit zur Wiesn. Frauen brauchen oft Stunden, bis sie ihre historischen Gewänder angelegt und die Haare gerichtet haben. Trachten können mehrere Tausend Euro kosten. Auf Träger von Mini-Dirndln (Bild rechts) und Billig-Lederhosen blicken echte Trachtler mit Kopfschütteln – aber in Bayern gilt: leben und leben lassen.

Die Buam und die Madeln
Zuckerwatte, süße Limo, Pommes, dazu Geisterbahn, Karussell und Schiffschaukel – die Wiesn scheint ein Eldorado für Kinder. Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Der Krach, die vielen Menschen und die langen Wege sind für manchen kleinen Gast zu viel. Der Wiesn-Tag kann zum Nervenkrieg werden. Immer wieder gehen Kids im Gedränge verloren – eine Kinderfundstelle sammelt sie und gibt sie den Eltern zurück.

Die Vegetarier
Veggieday! Früher hätten Vegetarier das größte Volksfest hungrig verlassen müssen. Heute bieten die Wirte natürlich vegetarische und sogar vegane Gerichte an. Dazu zählen Käsespätzle oder Crêpes mit Schokocreme. Trotzdem demonstrierten im Jahr 2012 Vegetarier gegen die Fleischeslust und das Leiden der Tiere. Eine halbe Million Hendl und an die 100 Ochsen sterben für das Fest. Wirtesprecher Toni Roiderer: "Ich mische mich ja auch nicht ein, wenn die Vegetarier dem Vieh das Futter wegessen."

Maßkrugschläger und Maßkrugdiebe
Beide geraten wegen des traditionellen Trinkgefäßes, dem Maßkrug, mit dem Gesetz in Konflikt. Wer mit dem Krug zuschlägt, hat diesen zuvor oft mehrfach geleert. Oft ist der Anlass später vor Gericht kaum noch zu klären. Der Maßkrugdieb hingegen möchte meist ein Souvenir. Wirte klagen, der Diebstahl von Krügen habe sich zum Volkssport entwickelt.

Die Taschendiebe
Die Taschendiebe reisen ebenso wie die Besucher bisweilen von weither an, um an dem Wiesn-Großereignis teilzuhaben. Die Polizei beklagt vor allem organisierte Banden, die mit Tricks angetrunkene Besucher um Geld, Handy oder die Kamera bringen. Es gibt aber auch die Gelegenheitsdiebe – manche der Gäste machen es ihnen allzu einfach. Taschendiebfahnder aus mehreren Ländern wollen den Dieben das Handwerk legen.

Die Italiener
Sie kommen meistens im Wohnmobil über den Brenner. Mit Zehntausenden anderen. Sie wollen vor allem Bier und Spaß. Das zweite Wochenende gehört den Italienern. Dirndl und Lederhose tragen sie längst auch. Obwohl es verboten ist, stellen manche ihr Wohnmobil an der Theresienwiese ab und suchen nach dem Bierzeltbesuch vergeblich ihren Schlafplatz. Den haben die Ordnungshüter in der Zwischenzeit abschleppen lassen. Den meisten gefällt es so gut, dass sie jedes Jahr wieder kommen. Zur besseren Verständigung werden Südtiroler Polizisten eingesetzt.

Die Australier und Amerikaner
Sie reisen etwa eine Woche vor der Wiesn an – manche von ihnen trinken sich schon mal ein. Das bayerische Bier ist zumeist stärker als der in Australien oder den USA übliche Gerstensaft, dafür billiger. Die Kombination aus höherem Alkoholgehalt und niedrigerem Preis ist für den einen oder anderen fatal. Manche kleiden sich auch in originellen Outfits (ganz links).

Die Norddeutschen
Sie kommen gerne als Gruppe, Stammtisch oder Verein und tragen oft ein trachtenähnliches Outfit, etwa ein kariertes Hemd oder ein Dirndl von der Stange. Das wird von ihnen als bayerisch eingeordnet, ist es aber natürlich nicht. Die Preißn wissen’s halt nicht besser, denken sich die Einheimischen. Nüchtern machen sich die Norddeutschen gern über die Bayern lustig. Je mehr sie sich an dem bayerischen Bier versuchen, desto mehr gleichen sie aber den von ihnen Verspotteten. Für viele Norddeutsche ist die Reise auch eine Art Safari.

Die Verweigerer
Es gibt Menschen, die mögen die Wiesn überhaupt nicht. Sie verabscheuen den Lärm. Sie trinken kein Bier und finden die Saufgelage nur abstoßend. Auf dem Karussell wird ihnen schlecht. Sie hassen es, auf dem Heimweg durch Exkremente zu tappen. Dirndl und Lederhosen finden sie blöd. Es gibt also auch Gründe, die Wiesn nicht zu mögen.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 23. September 2015: PDF-Version herunterladen

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