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Wenn Abwasser zu Bier wird

  • Mia Bucher (dpa)

  • Di, 15. November 2022
    Panorama

     

Am 19. November ist Welttoilettentag / Wissenschaftler machen sich Gedanken über das Wasser, das wir täglich hinunterspülen .

  | Foto: imago stock&people
Foto: imago stock&people

. Täglich fließt literweise Abwasser von der Toilette über das Klärwerk bis in unsere Flüsse. Manchmal nimmt es aber auch ungewöhnliche Abzweigungen – und landet zum Beispiel im Bierglas.

Zugegeben, das Stichwort Abwasser ruft erst keine positiven Assoziationen hervor: Irgendwo tief unter uns fließt eine dreckige Brühe durch die Kanalisation. Dass wir unsere Ausscheidungen auf so einfachem Wege in den Untergrund schicken können, ist nicht selbstverständlich. Am 19. November erinnert der Welttoilettentag der UNO daran, dass viele Menschen auf der Welt kein Klo zur Verfügung haben. Der Nutzen der Schüssel ist von unschätzbarem Wert. Doch auch aus dem Abwasser, das wir etwa beim Klospülen, aber auch beim Duschen oder Waschen verursachen, lässt sich etwas Wertvolles gewinnen. Das zeigen vier Beispiele:

Bier
Dass ehemaliges Toilettenwasser trinkbar und durchaus genießbar sein kann, versuchen Unternehmen weltweit unter Beweis zu stellen. Die Brauerei "Brewerkz" aus Singapur braut in Zusammenarbeit mit der nationalen Wasserbehörde seit 2018 Bier aus gereinigtem Abwasser. 2022 können Neugierige das Craftbier zum ersten Mal auch im Supermarkt kaufen. Dem Unternehmen zufolge hat das Pale Ale Honig- und Röstaromen.

In Deutschland fand 2019 ein ähnliches Experiment statt. Um in Zeiten drohender Wasserknappheit ein Zeichen für die Wiederverwendung von Abwasser zu setzen, ließ das Wasser-Technologie-Unternehmen Xylem 400 Liter Bier brauen. Verkauft wurde das Gebräu nicht. Um Trinkwasserqualität zu erreichen, wurde das Abwasser in einem mehrstufigen Reinigungsprozess gesäubert.

Energiequelle
Wenn wir duschen oder Wäsche waschen, ist das Wasser, das durch den Abfluss in die Abwasserrohre fließt, oft noch warm. Diese Wärme kann aufgefangen und genutzt werden, um zum Heizen eines Hauses oder sogar einer Wohnsiedlung beizutragen. Ein Mensch verbraucht im Haushalt nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Durchschnitt täglich 128 Liter Trinkwasser – eine ganze Menge also.

Im Salzburger Stadtteil Aigen in Österreich werden seit Anfang des Jahres 99 Wohnungen unter anderen mit Hilfe dieser Technologie mit Energie versorgt. Rund 30 000 Liter Abwasser werden dort nach Angaben der Entwickler täglich in einem Rückhaltebecken aufgefangen. "In diesem ekeligen, stinkigen Wasser ist unheimlich viel Energie drin", sagt Dietmar Stampfer. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens Energy Consulting Austria, das die Energieversorgungsanlage geplant hat und überwacht.

Die Temperatur des Abwassers liege im Durchschnitt bei um die 20 Grad Celsius. Über eine Wärmepumpe werde dem aufgefangenen Abwasser die Energie entzogen, die daraufhin in den Wasser- und Heizkreislauf zurückgeführt werde. 40 Prozent des Energiebedarfs können Stampfer zufolge damit gedeckt werden. Die Wärmepumpe werde zum Großteil mit Solarstrom betrieben. Weitere 35 Prozent würden durch Abluftwärme gewonnen. Die restlichen 25 Prozent des Energiebedarfs würden mithilfe gepresster Holzpellets erzeugt.

Düngemittel
Forschende der Universität Bielefeld und des Forschungszentrums Jülich in Nordrhein-Westfalen untersuchen, wie gereinigtes Abwasser für das Heranwachsen von Algen und die Herstellung von Dünger genutzt werden kann. Die winzigen Mikroalgen sind auf natürliche Weise im gereinigten Abwasser – auch Klärwasser genannt – vorhanden. Für das Forschungsprojekt wird das Klärwasser über eine Versuchsanlage geleitet, auf der die Algen sich vermehren und ein Algenteppich heranwächst. Nach Angaben der Wissenschaftler sind Algen in der Lage, Phosphor, Stickstoff und Kalium aus dem gereinigten Abwasser aufzunehmen. Getrocknet lasse sich die Algenmasse anschließend als Düngemittel verwenden.

Landwirtschaft
Die EU-Kommission möchte die Mitgliedstaaten ermutigen, landwirtschaftliche Flächen verstärkt mit gereinigtem Abwasser zu bewässern. Dazu hat sie Mindestanforderungen für die Wiederverwendung von aufbereitetem Wasser festgelegt. Nach Angaben aus Brüssel werden in der EU jedes Jahr 40 Milliarden Kubikmeter Abwasser aufbereitet, aber nur 964 Millionen wiederverwendet. In Deutschland wird das laut einem Sprecher des Bundesumweltministeriums bislang nur in wenigen Fällen, zum Beispiel in Niedersachsen, gemacht.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 15. November 2022: PDF-Version herunterladen

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