Wer journalistisch objektiv ist, darf nicht bei "Laola" mitwedeln

Was man als Praktikant in der Sportredaktion so alles erlebt: Ein Monat beim SWR in Stuttgart – und auf ganz schön ungewohntem Parkett.  

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Die erste Bewerbung kam postwendend zurück: "Ein Praktikum beim SWR ist nur möglich, wenn es zwingend für die Ausbildung vorgeschrieben ist." Dabei hatte ich doch gehofft, bei einem solchen Praktikum auf einige Wegweiser im Mediendschungel – einem möglichen Berufsziel – zu stoßen. Also nochmal: Den Lebenslauf überarbeitet, den Anhang erweitert und die Bewerbung direkt an Michael Antwerpes, den Chef der Sportredaktion geschickt. Eine Woche später: die Zusage für ein einmonatiges Praktikum in der Sportredaktion des SWR-Fernsehens in Stuttgart. Was den Beschäftigungssuchenden lehrt: Dran bleiben!

Über Tätigkeiten und Arbeitszeiten bin ich noch nicht aufgeklärt und als ich in Stuttgart ankomme, suche ich etwas unsicher auf meinem SWR-Lageplan nach "Bauteil C, Ebene 6, Raum 6227". Soll heißen: der erste Flur links hinter dem Haupteingang. Ich gewinne Orientierung und verliere prompt meine "Anonymitätsbedenken" und Kaffee-Koch-Albträume. Eine Redakteurin führt mich durch die 13 Zweier- bis Dreierbüros, deren Türen im Übrigen immer geöffnet sind, und spätestens als mich Chef Antwerpes persönlich mit einem freundlichen "Ich bin der Micha" begrüßt, spüre ich den sportlich lockeren Wind, der hier weht. Ich werde gleich mit den Arbeitsabläufen vertraut gemacht: In der Dienstagmorgens stattfindenden "Sport-Sitzung" werden die Aufgaben der Redakteure für die neue Woche vergeben. Neben Sportsendungen für "Das Erste" müssen während der Woche vor allem die drei regelmäßig beim SWR ausgestrahlten Sendungen "Sport am Samstag", "Sport im Dritten" (sonntags) und "Sport am Montag" von der 28-köpfigen Redaktion vorbereitet werden.

Und bei diesen Vorbereitungen darf der Praktikant gleich mithelfen, lernt, Informationen über Agenturen zu recherchieren, wichtige von unwichtigen Meldungen zu unterscheiden und vor allem alles doppelt zu prüfen, damit der verantwortliche Redakteur nicht darauf hinweisen muss, dass der Name des Studiogastes bereits in der Überschrift des von mir erstellten Porträts falsch geschrieben ist. Doch mit kleineren Rückschlägen muss man als Praktikant leben.

Froh bin ich, dass es zu solchen Rückschlägen nicht nach einer unvergesslichen Sport-im-Dritten-Sendung kommt, die mich lehrt, dass Studiogäste auch mal unangenehm werden können, und – wenn man einziger Begleiter eines Zwei-Meter-Kampfsportlers ist, der auf dem Weg aus dem Studio lauthals auf Moderator und Sender schimpft, – durchaus auch Angst einflößend.

Eine auf den Fernsehzuschauer ganz alltäglich wirkende Sendung sorgt hinter den Kulissen für viel Gesprächsstoff: Darf man den Gast auf die Gefahren seiner Sportart hinweisen? Muss man ihn vorher informieren? Wurde die Meinung der Redaktion wiedergegeben? Nach nur drei Tagen habe ich schon etliches Fernsehen pur erlebt und verfolge gespannt die bis in die frühen Morgenstunden andauernden Diskussionen "da Paolo", dem sympathischen Stammitaliener der Redaktion, bei dem im Normalfall auch die Studiogäste einkehren.

"Ich mag den Trainer

und hoffe, das beruht

auf Gleichgültigkeit."

Oliver Reck, Torwarttrainer
Die nächsten Tage verbringe ich mit unterschiedlich unterhaltsamen Aufgaben, – unter anderem sind die Quoten aller Sportsendungen im Jahre 2005 zu überprüfen. Der nächste größere Auftrag: Die polnische Fußball-Nationalmannschaft trifft auf die auf die englische und der Kommentator auf das Problem, dass er über die Polen nicht viel weiß. Ich muss ihm einen Gesprächspartner organisieren, der ihn mit Informationen versorgen kann. Beim polnischen Fußballverband komme ich mangels Polnischkenntnissen nicht weit – und suche folglich nun nach Polen-Experten in Deutschland. Zwei Stunden und unzählige Anrufe später habe ich es geschafft: Tomasz Waldoch, Arthur Wichniarek und Ebi Smolarek sind bereit, ein wenig über den polnischen Fußball zu plaudern – und ein neuer Höhepunkt meines Praktikums ist erreicht.

Nach weiterer Büroarbeit (ich darf für Monica Lierhaus eine 100-Seiten-Mappe zum Thema Skisprung erstellen) komme ich auch mal "raus" und kann Produktionen beim Springreiten, beim Turnen und bei Fußballspielen beobachten. Dabei darf ich auch einmal dem Sport-Club beim Siegen zusehen – muss mich allerdings von meinem kritischen Redakteur belehren lassen, dass "es kein Zeichen journalistischer Objektivität" ist, wenn ich die Laola-Welle am Spielfeldrand mitmache. Da hat wohl mein SC-Herz einfach zu hoch geschlagen.

Meine verbleibende Zeit wird weniger, die Arbeit nicht. Zu Übungszwecken soll ich eine monothematische Sport-im-Dritten-Sendung zu einem Länderspiel der Nationalelf von Ablaufplan bis Studiogast erstellen (was mir vor Augen führt, wie sekundengenau ein Redakteur eine solche Dreiviertelstunde plant) und am Ende bin ich sogar verantwortlich für die im Programm laufenden Vorschau-Trailer der Sportsendungen des Wochenendes: Es muss Bildmaterial aus dem Archiv gesucht, der Cutter instruiert und ein plakativer Text geschrieben werden.

Am Ende dieses Monats bin ich ziemlich traurig, das Sportressort verlassen zu müssen. Ein solches Praktikum ist jedem anzuraten, der das Innenleben einer Redaktion kennen lernen will und sich gerne aktiv einbringt. Und wer möchte nicht einmal dabei sein, wenn Torwarttrainer Olli Reck einen dicken Versprecher bringt und vor laufender Kamera selbstbewusst erklärt: "Ich mag den Trainer und hoffe, das beruht auf Gleichgültigkeit."

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