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"Werft nicht alle in einen Topf"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Matthias Leibbrand, Geschäftsführer der Hilfsorganisation Vision Hope, über seine Arbeit.  

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Früher lebte dieses Kind im syrischen Aleppo, heute in einer Flüchtlingsunterkunft in Gaziantep in der Türkei. Foto: dpa

Zurzeit fliehen rund 6,5 Millionen Menschen vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Viele von ihnen kommen in den Nachbarländern unter. Matthias Leibbrand (47) aus Emmendingen unterstützt mit seiner Hilfsorganisation Vision Hope International Projekte entlang der syrischen Grenze, darunter Einrichtungen im jordanischen Mafraq. Neben seinem Engagement für die Hilfsorganisation ist er auch in einem Wiederaufbaufond der internationalen Gemeinschaft tätig. Tim Suchan und Luke Knobeloch aus der Klasse 8d des Rotteck-Gymnasiums haben ihn getroffen.

Zischup: Welche Aufgaben übernehmen Ihre Hilfsorganisation und der syrische Wiederaufbaufond?
Leibbrand: In meiner Tätigkeit für den Wiederaufbaufond sind das verschiedene Projekte, die wir durchführen. Sie dienen dem Wiederaufbau innerhalb von Syrien. In manchen Städten wird zum Beispiel die Stromversorgung wieder hergestellt oder man hat Krankenhäuser ausgestattet oder mit Medikamenten versorgt. Als private Hilfsorganisation unterstützen wir auch eine Schule in Gaziantep, das ist die Stadt, in der ich lebe. Die syrischen Kinder können nicht so einfach in das türkische Schulsystem integriert werden, denn sie sprechen ja kein Türkisch.
Zischup: Wie wichtig ist es, Bildung in diese Krisenregion zu bringen?
Leibbrand: Es ist sehr wichtig, Bildung in die Entwicklungsländer zu bringen. Die syrischen Flüchtlingskinder haben oft zwei bis drei Jahre keine Schule besucht. Viele sind Grundschüler, und wenn sie neun, zehn Jahre alt sind, wird es schwierig, überhaupt in ein Schulsystem einzusteigen.
Zischup: Haben Sie teilweise zu Flüchtlingen eine Bindung aufgebaut?
Leibbrand: Natürlich, ich lerne sehr viele Flüchtlinge kennen. In meinem Büro arbeiten verschiedene syrische Flüchtlinge, ich kenne Familien privat und wir besuchen uns gegenseitig. Natürlich ist das sehr traurig mitzuerleben, wie hoffnungslos die Situation für viele Menschen ist, weil es ja nicht abzusehen ist, wann dieser schreckliche Krieg zu Ende geht. Aktuell wird die Situation nur noch schlimmer.
Zischup: Viele Flüchtlinge sind traumatisiert. Wie gehen Sie damit um?
Leibbrand: Da kann ich auch wieder ganz konkret von einem Projekt berichten, dass unsere Hilfsorganisation Vision Hope in Jordanien betreut. Und zwar haben wir dort zwei Kindergärten für traumatisierte Flüchtlingskinder aufgebaut. Dort werden zwischen 200 und 250 Kinder betreut, und dabei geht es darum, mal wieder einen Ort zu schaffen, an dem die Kinder Kind sein können. Dabei ist es ganz wichtig, sich nicht auf die negativen Dinge zu konzentrieren, sondern auf die positiven. Wir fragen zum Beispiel nach, wo sie in Zukunft leben wollen und welchen Beruf sie gerne später mal ausüben wollen.
Zischup: Was hat Sie dazu bewegt, dorthin zu gehen?
Leibbrand: Eine Karriere einzuschlagen, bei der es vor allem um den beruflichen und materiellen Erfolg geht, war mir zu wenig. Ich habe eine Aufgabe gesucht, bei der einfach vielen Menschen, sei es im Jemen, in Afghanistan, in Syrien oder im Libanon, geholfen wird und sie wieder mit Hoffnung erfüllt werden. Das hat mich angetrieben.
Zischup: Wie sind Sie eigentlich mit der Nähe zum Krieg umgegangen?
Leibbrand: Unsere Stadt ist etwa 50 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt und damit circa 120 Kilometer von Aleppo und 110 Kilometer von Kobane, also das ist schon sehr nah. Aktuell merkt man in unserer Stadt nichts von dieser Nähe zum Krieg, außer dass eben immer mehr Flüchtlinge zu uns kommen. Die Sorge ist, dass auch einmal jemand von uns Ausländern nach Syrien entführt wird, denn ein entführter Ausländer ist viel Geld wert.
Zischup: Wie beurteilen Sie denn die aktuelle Lage in Syrien?
Leibbrand: Die Situation ist sehr komplex. Es gibt verschiedene fundamentalistische Gruppen und sehr wenige demokratische Gruppen. Das Regime von Assad gewinnt in einigen Gebieten immer mehr Kontrolle und hat jetzt die große Stadt Aleppo schon beinahe vollständig eingekesselt. Zu Assads Strategie gehört es, die Menschen praktisch aushungern zu lassen. In die Städte kommt kein Strom, kein Wasser, keine Nahrungsmittel. Seine Anhänger scheuen nicht mal noch davor zurück, einen Krankenwagen anzugreifen, obwohl es klar ist, dass dieser nur ausrückt, um Verletzte zu versorgen.
Zischup: Wie können die Menschen hier die Menschen dort unterstützen?
Leibbrand: Auch in Deutschland können einzelne Menschen, aber vor allem auch Gruppen etwas tun. Zum Beispiel kann man für syrische Kinder eine Patenschaft übernehmen und ihnen bei den Hausaufgaben helfen. Ich glaube aber, dass viele Menschen in Deutschland gar nichts mehr über diese Konflikte hören wollen. Darum ist es meiner Meinung nach auch wichtig, dass Ihr als Schulklassen zum Beispiel an Politiker schreibt, sei es an Kommunal-, Landes- oder Bundespolitiker. Fragt doch einfach mal nach, was getan wird. Außerdem muss in Deutschland eine Bewusstseinsveränderung stattfinden. Denn immer noch werden alle Araber in einen Topf geworfen.



Ressort: Schülertexte

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