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Morphsuit-Träger in Freiburg

Wie eine zweite Haut

Dana Ghafoor-Zadeh
  • Mo, 04. Juni 2012, 09:38 Uhr
    Neues für Schüler

     

Er liebt alles, was orange ist. Er selbst ist orangefarben und nennt sich Orange. Toxic Orange Morph, um genau zu sein. Als Morphsuit-Träger ist er in Freiburg in kürzester Zeit bekannt geworden. Wie ist das Leben unter der orangefarbenen Haut? Wir haben Toxic Orange Morph und seine Freunde einen Tag lang begleitet.

Ein Besucher des Musikfestivals Rock i...in Nürnberg einem Morphsuit bekleidet.  | Foto: dpa
Ein Besucher des Musikfestivals Rock im Park posiert in Nürnberg einem Morphsuit bekleidet. Foto: dpa
Wer ihn sieht, erschrickt, lacht oder wundert sich. Warum macht er das? Wer ist das? Was soll das? Manche wollen ihn anfassen, ihm die Hand geben und ihn in den Arm nehmen. Sie wollen seine weiche, glänzende orangefarbene Haut fühlen, die Morph-Haut. Obwohl er noch zur Berufsfachschule geht, ist Toxic Orange Morph fast jede Woche in Freiburgs Innenstadt unterwegs. Meistens nicht allein. In den einfarbigen hautengen Ganzkörperanzügen bewegen sich die Morphs durch die Straßen. Ganzkörper ist hier wortwörtlich gemeint. Der Suit bedeckt das Gesicht genauso wie die Fußsohlen. Die Morphs springen auf Briefkästen, spielen Fangen oder verfallen in einen Liegestreik auf der Straße.

In der Gruppe kommen

die Morphs richtig gut an.

Toxic Orange Morph quatscht gerne Leute an. Besonders auf Kinder geht er gerne zu. Meistens finden die ihn nach einem kurzen Schrecken toll und geben ihm die Hand. In der Rathausgasse setzt er sich zu zwei Touristinnen. Die beiden sind zunächst etwas irritiert. Als sich Toxic Orange Morph aber vorstellt, sind sie begeistert von der Idee und seiner lockeren Art. Er erklärt sich sogar bereit, die beiden ein bisschen in Freiburg herumzuführen und ihnen die Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Die Amerikanerinnen sind sofort dabei. Sie berühren seine Arme, mal schauen, wie sich das anfühlt. Auf seiner Facebook-Fanseite wollen sie Toxic Orange Morph und seine Aktionen verfolgen. Als sie ihn schließlich noch auf eine Cola einladen, erzählt er von seinen Erfahrungen. Zusammen in der Gruppe kommen die Morphs richtig gut an. "Ein paar, die ich schon getroffen habe, haben gesagt, sie wollen das nächste Mal auch dabei sein", erzählt Toxic Orange Morph.

Es scheint tatsächlich ein großes Interesse an den Suits zu geben. Immer wieder wird Toxic Orange Morph die Frage gestellt, wo man die Anzüge bekommt. Den Suit gibt es in sehr vielen Farben. Das extrem dehnbare Material heißt Lycra. Ab etwa 45 Euro sind Morphsuits im Internet oder im Fachhandel erhältlich – in der Region zum Beispiel im Pushini-Eventkaufhaus in Waldkirch. Viele bitten die Morphs, sich zu erkennen zu geben und den Reißverschluss am Kopfteil zu öffnen. Das machen die Morphs aber nicht. "Wir morphen ja gerade, damit uns keiner erkennt. Man traut sich im Morphsuit viel mehr", erklärt Toxic Orange Morph, der aus genau diesem Grund auch im Text anonym bleiben möchte.

Seine Leidenschaft für das Morphen hat Toxic Orange Morph durch die Sendung Galileo entdeckt. In Freiburg ist er momentan wahrscheinlich der engagierteste Morph. Angefangen hat er allerdings erst im März dieses Jahres. "Zuerst ist es natürlich ungewohnt", sagt er. Beim ersten Mal und auch jetzt noch, wenn er alleine ist, hat er in manchen Momenten Herzklopfen. Es hat ihn jedoch schon beim ersten Morphen gepackt. Seiner Meinung nach merkt man gleich, ob man der Typ zum Morphen ist. "Das Selbstbewusstsein kommt nach und nach, und am Anfang braucht man ein bisschen Mut. Sobald man aber den Morphsuit an hat, merkt man, dass es eigentlich nicht schlimm ist."

Wenn Toxic Orange Morph alleine unterwegs ist, machen sich einige über ihn lustig oder beleidigen ihn. "Sie verstehen das nicht und denken, ich bin der einzige, der das macht", sagt Toxic Orange Morph. Auch einige Geschäfte darf er nicht mit Gesichtsbedeckung betreten. Als er durch die Innenstadt läuft, fragt ihn eine Frau, warum er das macht. Sie möchte mit ihm über das Thema Anonymität diskutieren. Aufgrund des Internets und der Abhängigkeit von Technik, könne man kaum mehr Kontakt knüpfen mit jungen Leuten, meint die Dame. Sie vergleicht das "Versteckspiel" der Morphs mit den verdeckten Identitäten auf Plattformen wie Facebook. Man könne ja nicht überprüfen, mit wem man da kommuniziere. Fotos und Geschriebenes seien manipulierbar. Ist das Morphen also ein weiterer Schritt zur Anonymisierung der Gesellschaft? Obwohl Toxic Orange Morph unter der Verkleidung nicht zu erkennen ist, ist er als Morph auch nicht wirklich anonym. Er wird viel häufiger angesprochen und lernt viele Leute kennen. Der Morphsuit scheint eine Art Schutz und Chance gleichzeitig zu sein. Gerade im Morphsuit hat er schon interessante Begegnungen gehabt.

Toxic Orange Morph ist zurzeit neben dem Münster das vielleicht häufigste Fotomotiv in Freiburg. Er posiert gerne für Interessierte, setzt sich ans Münster, legt sich auf den Boden oder umarmt Passanten. Er war auch schon im Morph shoppen. Es gibt keine Regeln beim Morphen. "Alles, was wir machen, ist improvisiert. Man sollte nur nicht kriminell werden, weil die Morphs sonst einen schlechten Ruf bekommen", sagt Toxic Orange Morph. Eine häufig gestellte Frage an Morphs ist, was sie drunter tragen. Das kommt ganz auf das Wetter an. Jetzt, im Frühsommer, meistens Unterhemd und Boxershort. An kalten Tagen trägt Toxic Orange Morph auch eine kurze Hose drüber. Viele stylen ihr Morph-Outfit mit Accessoires. Hüte, Perücken und Taschen sind passend zum Morphsuit erhältlich. Morph-Mädchen tragen auch gerne kurze Röcke über ihrem Suit.

Toxic Orange ist nicht der einzige leidenschaftliche Morph. Es gibt eine ganze Community. "Wir haben Kontakt zu sehr vielen anderen Morphs", sagt Toxic Orange Morph. Ein Flashmob, wie vor kurzem in Stuttgart, wird meistens via Facebook organisiert. Toxic Orange Morph hat einen eigenen Account. "Mein Ziel ist es, eine große Fangemeinde zu haben." Er verbringt viel Zeit damit, seine Fanseite zu verwalten. Bald wird er auch eigene Fanartikel verlosen.

In Freiburg wurde er schon angesprochen, bei einer Veranstaltung zu morphen. Er kann schon jetzt gebucht werden. Obwohl er erst 16 Jahre alt ist, will Toxic Orange Morph bald über Freiburg hinausgehen. "Ich möchte gerne durch die Welt reisen und auch in anderen Städten morphen. Davon leben kann ich wahrscheinlich nicht, aber es macht trotzdem einfach so viel Spaß."

Eine Fotogalerie zu den Morphs findet      ihr unter http://www.fudr.fr/morphsuit

Ressort: Neues für Schüler

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 31. Mai 2012: PDF-Version herunterladen

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