Erinnerungskultur
Wir erheben die Stimme zu wenig
Philipp Lienhard (Berlin/Offenburg)
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						Mich hat der Essay tief bewegt. Weil er einen Punkt trifft. Eine Aufgabe, bei der wir uns alle, insbesondere meine Generation, angesprochen fühlen sollten. Aufgewachsen in Offenburg, geprägt durch christliche Erziehung, die Gemeinschaft in der Georg-Monsch-Grundschule mit Flüchtenden – zuerst aus dem Irak 1988 und dann ab 1989/90 Ostdeutschland, dem Ostblock oder die Integration Russland-deutscher Klassenkameradinnen und -kameraden: Immer erlebte ich meinen Lebensmittelpunkt im Dreiländereck einerseits als weltoffen und integrativ. Andererseits durfte ich trotz der Verbrechen der deutschen Vergangenheit stets Neugier und Interesse spüren. Das lag auch an dem ab 1968 neuen gelebten Umgang mit der Vergangenheit. Wie selbstverständlich war der jährliche Besuch im Lager Gurs und bei Klassenfahrten im In- und Ausland der Austausch mit Überlebenden. Galt es doch, das Unbegreifliche begreifbarer werden zu lassen.
Mit Mitte vierzig frage ich mich zunehmend, wie ich meinen Kindern den Umgang mit der NS-Zeit erlebbar mache. So birgt die Auseinandersetzung meiner Meinung nach auch die Chance mit Blick nach vorne, Demokratie, Kompromissfähigkeit und Empathie zu fördern. Meine Generation und ich erheben trotz tiefem Geschichtsverständnis zu wenig die Stimme in jüngsten Krisen: Bei der Integration von Flüchtenden nach 2015 oder dem Umgang mit den Einschnitten durch die Corona-Pandemie 2020 sowie den Auflösungserscheinungen des westlichen Bündnisses 2025 wächst die Selbstbezogenheit der Bürgerinnen und Bürger auch in unserem Land in Fünfjahresschritten an. Das beängstigt – und motiviert.
Philipp Lienhard, Berlin/Offenburg