Account/Login

ZISCHUP INTERVIEW mit Zeliah Olpak, einer Türkin, die 1978 nach Deutschland kam.

"Wir wollten in Deutschland bleiben"

  • Fr, 17. Mai 2013
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit Zeliah Olpak, einer Türkin, die 1978 als Tochter eines Gastarbeiters nach Deutschland kam .

Leben mit zwei Kulturen: Dieses Mädchen in Berlin vereint beide.   | Foto: dpa
Leben mit zwei Kulturen: Dieses Mädchen in Berlin vereint beide. Foto: dpa

Anna Dorst und Büsra Raptchin aus der Klasse 8c der Hugo-Höfler-Realschule in Breisach haben beide selbst Migrationshintergrund. Sie interessierten sich dafür, wie es dazu kam, dass seit 50 Jahren viele Migranten in Deutschland leben. Darum führten sie ein Interview mit Zeliah Olpak, die ihnen von ihrem Leben erzählte.

Zischup: Wie kam es dazu, dass Sie nach Deutschland kamen?
Zeliah Olpak: Damals haben Deutschland, Frankreich und Australien Gastarbeiter gesucht, damit ihr Land wieder wirtschaftlich hoch kommt. In Deutschland gab es viel Arbeit, aber viel zu wenige Arbeiter.

Zischup: Also konnten Sie sich aussuchen, in welches Land Sie gehen wollten?
Olpak: Ja, aber Australien wollte keine Arbeiter mit Kinders aufnehmen, also kam es für uns auf keinen Fall in Frage, da meine Eltern meinen Bruder und mich hatten.

Zischup: Wie ging es weiter?
Olpak: Mein Vater flog alleine nach Frankreich. Er arbeitete in Mülhausen.

Zischup: Wann ist Ihr Vater nach Deutschland gekommen?
Olpak: Er blieb ein Jahr lang in Frankreich. Danach ging er nach Deutschland, da man hier besser verdiente. Dann kamen meine Mutter, mein Bruder und ich nach.

Zischup: Wie hat er sich dort verständigt? Ich meine, er konnte kein Deutsch sprechen, oder?
Olpak: Nein, er konnte kein Deutsch sprechen, er verständigte sich mit Händen und Füßen. Die Gastarbeiter wurden sehr freundlich behandelt und sehr hoch geschätzt. Da mein Vater kein Deutsch konnt, hatte er immer ein Türkisch-Deutsch Wörterbuch dabei.

Zischup: Wo arbeitete Ihr Vater in Deutschland?
Olpak: Er wohnte und arbeitete in Eichstetten in einer Metall- und Elektrofabrik als Schichtführer. Zwei Jahre später flogen meine Mutter, mein Bruder und ich zurück.

Zischup: Weshalb flogen Sie zurück?
Olpak: Meine Mutter wurde ein drittes Mal schwanger. Sie hatte schreckliche Angst vor der deutschen Gesellschaft, hauptsächlich vor den Ärzten. Also flogen sie, mein Bruder und ich zurück.

Zischup: Wieso hatte Ihre Mutter Angst? Oder besser, wovor hatte sie Angst ?
Olpak: Sie konnte sich nicht verständigen und in der Türkei munkelte man, dass die deutschen Männer und Frauen einfach viel freizügiger um Umgang mit Freunden oder Bekannten waren, von Umarmungen bis hin zu Küssen. Außerdem durfte jeder mit jedem "ins Bett".

Zischup: Wann kamen Sie zurück nach Deutschland?
Olpak: Meine Mutter ist dann nach eineinhalb Jahren zurück nach Deutschland geflogen. Aber nur mit meinen Brüdern, da sie wollte, dass ich meine Schulausbildung in der Türkei mache. Ich war damals fünfeinhalb Jahre alt.

Zischup: Sie haben dann bei Ihrer Großmutter gelebt. Könnten Sie uns bitte etwas mehr über Ihr Leben in der Türkei bei Ihrer Oma erzählen?
Olpak: Bei meiner Oma wohnten noch zwei weitere Enkelkinder von ihr mit mir zusammen. Neben uns wohnten zwei meiner Onkel, sie haben meiner Oma die nötige Unterstützung gegeben.

Zischup: Wie lange lebten Sie bei Ihrer Oma?
Olpak: Nach einem Jahr kam mein Bruder zurück, der inzwischen sechs Jahre alt war. Er sollte mit mir eingeschult werden. Unsere Eltern kamen jedes Jahr für drei Wochen in die Türkei.

Zischup: Irgendwann kamen Sie zurück nach Deutschland.
Olpak: Mein Vater wollte ein neues Haus in der Türkei für uns bauen, aber da wir nicht genug Geld hatten, holte er meinen Bruder und mich zurück nach Deutschland. Ich hatte mittlerweile die dritte Klasse beendet.

Zischup: Was ist dann passiert?
Olpak: Ich kam hier direkt in die vierte Klasse – ohne Deutschkenntnisse. Meine Klassenlehrerin, damals eine ältere Dame, hatte sehr viel Geduld mit uns. Mein Direktor war total streng wie die Lehrer in der Türkei. Er gab den ausländischen Schülern Deutschunterricht.

Zischup: Gab es Unterschiede zwischen den ausländischen und den deutschen Kindern damals?

Olpak: Leider ja, meine beste Freundin damals war Deutsche. Sie durfte sich mit Freunden treffen, ins Kino gehen oder sogar mit Jungs treffen. Ich dagegen musste das Haus sauber halten, putzen, mich um meine Brüder kümmern und wenn ich dann noch Zeit hatte, meine Hausaufgaben machen.

Zischup: Gab es eine Zeit, in der Sie wieder zurück in die Türkei wollten?
Olpak: Ja, als ich 15 Jahre alt war. Meine Brüder waren 14 und zehn Jahre alt. Unsere Eltern wollten wieder in die Türkei, da sie Angst hatten, dass wir, meine Brüder und ich, unser Leben typisch deutsch gestalten und unsere türkischen Wurzeln vergessen würden. Wir hingegen wollten in Deutschland bleiben, da wir uns schon angepasst beziehungsweise eingelebt hatten.

Zischup: Was hätten Sie sich damals von Deutschland für die Familien, die hier her kamen, gewünscht?
Olpak: Ich hätte mir gewünscht, dass es damals mehr Hilfe vom Staat für Sprach-und Familienunterstützung gegeben hätte. Wenn es so etwas schon damals gegeben hätte, hätte die dritte Generation es sehr viel besser gehabt in der Schule und es gäbe weniger Probleme mit Migranten und Integration.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 17. Mai 2013: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel