BZ-Interview

Würgespiele im Tatort: "Man sollte das kein einziges Mal machen"

Im Freiburg-Tatort "Fünf Minuten Himmel" machen Teenager Würgespiele bis zur Bewusstlosigkeit. Wir haben den Freiburger Kinderintensivmediziner Professor Dr. Marcus Krüger gefragt, wie gefährlich diese Praxis ist.  

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Szene aus dem Tatort „Fünf Minuten Himmel“: die Ohnmachtsspiele von Harriet (Anna-Lena Klenke) und Ruth (Jochanah Mahnke) werden extremer, Ruth erleidet einen epileptischen Anfall. Foto: SWR/Ziegler Film
BZ: Professor Krüger, wie realistisch waren die Ohnmachtsspiele, die im Tatort gezeigt wurden?
Krüger: Diese Methode ist ein Klassiker, die gibt es seit mindestens 40 Jahren. Durch heftiges Ein- und Ausatmen wird zuerst Kohlendioxid im Blut abgeatmet; dann gibt es zwei Methoden: der Versuch, selbst beim Pressen die Stimmritze zuzuklemmen oder es wird heftiger Druck gegen den Brustkorb ausgeübt.

"Die Gehirnzellen sollten einem dafür zu schade sein."
BZ: Welche Jugendliche machen das?
Krüger: Eher jüngere, 12- bis 14 Jährige. 16- oder 17-Jährige machen das nicht mehr. Das hat für die Jugendlichen auch was mit einer Mutprobe zu tun. Es geht nicht nur um den eigenen Rausch, sondern auch um das Erlebnis mit der Clique.

BZ: Gibt es ein akutes Problem, speziell hier in Freiburg?
Krüger: Ein akutes Problem gibt es nach meiner Kenntnis in Freiburg nicht. Vor zehn Jahren waren solche Atemmanipulationen mehr en vogue als heute, es kommt aber durchaus immer wieder vor. Wir bekommen das mit, wenn die Jugendlichen beim Arzt vorgestellt werden oder in der Klinik landen. Es gibt immer wieder bedrohliche Fälle, bei denen es zu Krampfanfällen kommt. Das kann lebensbedrohlich sein. In früheren Jahren sind immer mal wieder Todesfälle beschrieben worden wegen solcher Ereignisse. In der Freiburger Gegend sind mir keine Todesfälle die dadurch ausgelöst worden sind, bekannt. Sowohl von medizinischer Seite, im Kontakt mit Kinderärzten aus der Region, als auch aus privater Sicht als Vater von drei Töchtern im Teenageralter, ist mir nicht bekannt, das es jetzt gerade eine Welle gibt. Natürlich kann sowas aber auch immer unbemerkt bleiben. Ich würde trotzdem sagen: Es gibt derzeit kein Bedrohungspotential. Wir haben jeden Woche Jugendliche mit Bewusstlosigkeit in der Klinik, die ohne Alkohol- oder Drogenkonsum plötzlich - selten auch mal in einer Clique unterwegs - bewusstlos wurden, das gibt es in dem Alter einfach, da sind sicher auch sehr wenige Fälle von als Fachwort: "self-induced fainting" mit dabei, aktiv zugegeben wird das dann nicht und ist nicht nachweisbar.

BZ: Wie gefährlich sind die Würgespiele?
Krüger: Man sollte das kein einziges Mal machen. Natürlich gibt es Jugendliche, die das zehn Mal machen und denen nichts dabei passiert, aber es kann dabei zu Todesfällen kommen. Es kommt zu einer Minderdurchblutung, einem Sauerstoffmangel des Gehirns – das ist kein Spaß. Die Gehirnzellen sollten einem dafür zu schade sein. Auch an epileptischen Anfällen, die dadurch ausgelöst werden, kann man sterben, zum Beispiel wenn man an Erbrochenem erstickt. Außerdem kann Druck auf die Halsschlagader, auch bei Strangulation oder beim "Mister Spock Handgriff", sofort zur Bewusstlosigkeit und auch sofort zum Tod führen.

BZ: Können Eltern erkennen, ob ihre Kinder Würgespiele machen?
Krüger: Nein. Es gibt üblicherweise keine körperlichen Anzeichen.

Solche Praktiken kosten Leben.
BZ:Was raten sie Eltern, die sich Sorgen machen?
Krüger: Wichtig ist, dass die Eltern mit ihren jugendlichen Kindern im Gespräch bleiben. Eltern sollten den Kinder- und Jugendarzt aufsuchen und zunächst mit ihm reden; dann sollte der Arzt mit dem Jugendlichen klären, ob solches Verhalten stattfindet. Jugendliche sollten die Möglichkeit haben, unter vier Augen mit dem Arzt zu reden. Würgespiele sind Risikoverhalten. Und Risikoverhalten gehört zum Jugendlichsein dazu. Man will Grenzen überschreiten, Sachen ausprobieren, meint, man ist unsterblich. Das ist noch normal. Bei den neu eingeführten Jugenduntersuchungen J1 und J2 soll übrigens genau solches Verhalten aktiv angesprochen werden – auch Drogen, Suizidalität und Ernährungsverhalten. Man weiß, das gehört in dieser Lebensphase dazu.

BZ: Was können Eltern gemeinsam mit dem Kinderarzt tun?
Krüger: Gruppendruck ist sicher ein Thema, aber auch Depressionen und Angststörungen, die man durch den kurzen Rauschzustand weg bekommt. Aber solche psychischen Problem kann man behandeln. Bei den meisten Jugendlichen ist das nur eine Phase, in der sie elterliche und selten auch medizinische Betreuung brauchen – und dann sind sie durch und es ist vorbei.

BZ: Im Freiburg-Tatort werden auch Teenager beim Sex gezeigt, die sich würgen. Pornographie mit Würgespielen ist seit einigen Jahren in Mode und dank des Internets auch Jugendlichen zugänglich.
Krüger: Auch Erwachsene benutzen Sauerstoffmangel zur sexuellen Stimulation. Das ist genau so gefährlich – wie übrigens auch neulich im Tatort zu sehen war. Solche Praktiken kosten Leben. Aber Erwachsene sind für sich selbst verantwortlich, Jugendliche noch nicht.
Zur Person

Professor Dr. Marcus Krüger ist Leitender Oberarzt an der Uniklinik Freiburg und spezialisiert in Pädiatrischer Intensivmedizin. Er ist verheiratet und Vater dreier Töchter.

Einschätzung der Polizei

Konrad Rotzinger, Leiter des Dezernats Kapitaldelikte im Polizeipräsidium Freiburg, findet es bedenklich, dass Ohnmachts-, Würge- und Hyperventilierspiele von Teenagern in "Fünf Minuten Himmel" ausführlich gezeigt werden, ohne dass diese gravierende gesundheitliche Schäden davontragen. "Brandgefährlich" sei das.

Es sei verblüffend, dass ein Mädchen, das so lange ohnmächtig war wie Ruth (gespielt von Jochanah Mahnke), "so aus der Nummer rauskomme". "Bei so etwas kann es innerhalb weniger Sekunden bleibende Hirnschäden geben."

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